Jazz? Jazz!

Wer ein Konzert des Archie Shepp-Quartets besucht, erwartet heutzutage  keine neuen Trends und keine neuen Sounds mehr. Sondern eine routinierte, aber dennoch beseelte Darbietung von Menschen, die mit einem Ton oder mit einem Beckenschlag mehr Soul ausdrücken, als ein komplettes Semester Jazzstudenten in einem Monat zu Werke bringt. Der 77jährige Saxofonist, der sich stets auch als politische Stimme der afro-amerikanischen Emanzipation verstanden hat, mag etwas altersmilde klingen, aber keineswegs altbacken. Dass er auch immer noch brüllen kann, muss er schließlich nicht jeden Tag beweisen. Schön, dass Archie Shepp erneut beim Jazzfest dabei war, auch wenn er nur „Ersatzmann“ für den erkrankten Benny Golson war.

Mehr als ein Lückenbüßer: Archie Shepp
© Grzegorz Drygala

Wer dagegen schon immer wissen wollte, wie sinnlos die endlose Diskussion ist, was Jazz denn eigentlich sei, war bei dem anschließenden Auftritt von Get The Blessing bestens aufgehoben. Zwar hat sich mir nicht erschlossen, wie sich der im Programmheft und vom Ansager beschworene Bezug des britischen Quartetts zum legendären Ornette Coleman manifestiert, aber großartig war es trotzdem. Ein Drummer, der permanent zwischen Latin-Grooves, synkopierter und hardrockiger Spielweise pendelt, ein mit dem Plektrum hackender Bassist, der eher an John Entwistle (The Who) als an einen Jazzer erinnerte und zwei Freigeister am Saxofon und der Trompete rockten das Festspielhaus und tauchten manchmal in eher hypnotische Trance-Sounds ab. Keine bemühte Avantgarde, sondern vier britische Jungs vom Fach. Unbedingt mal anhören!

 

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