Singen mit PEGIDA

In der Adventszeit macht man mitunter merkwürdige Dinge. Zum Beispiel Gedanken über die angemessene Zubereitung von Bratäpfeln. Ich habe mich für Honig, Calvados, Zimt, Mandelmus und fein gehackte Rosinen entschieden. Und natürlich für die Apfelsorte Boskop. Heute abend werde ich sogar Glühwein trinken, persönlich zubereitet von dem Mosel-Winzer Harald Steffens. Wenn das mal gut geht…

Am Sonntag folgt dann ein Konzertbesuch (Freiburger Barockorchester) Am Montag  werde ich Weihnachtslieder singen und zwar mit rund 20.000 anderen Sangesfreunden vor der Dresdner Semperoper. Ich bin zwar Agnostiker, aber mit Kirchenmusik hatte ich noch nie ein Problem, weder aktiv noch passiv.Normalerweise werden derartige Massenchöre von Gotthilf Fischer geleitet, laut seiner Website “Herr der singenden Heerscharen”, oder auch “Therapeut der wunden Seelen”. Doch der ist anscheinend ausgebucht, denn am Montag schwingt ein gewisser Lutz Bachmann den Taktstock. Der ist ist zwar bislang nicht als Kirchenmusiker und Chorleiter in Erscheinung getreten, doch seine Rolle als Sprecher der PEGIDA-Bewegung verleiht ihm ausreichend Autorität für dieses Event.

Gesungen wird diesmal ohnehin weniger zum Lob des Herrn, sondern eher zum Lob des in diesem Fall vorwiegend sächsischen Herrenmenschen, der sich berufen fühlt, das Abendland gegen den Islamismus zu verteidigen. Wobei das wohl eher als Code für eine diffuse Fremdenfeindlichkeit ist.

Zu dem Motto dieser Bewegung, und dem kruden Zeug, das Teilnehmer der Versammlungen so von sich geben, sofern sie mit der „Lügenpresse“ reden, brauche ich mich nicht mehr äußern. Auch nicht zu den hilflosen Versuchen vieler Politiker, sich bei den PEGIDA-“Mitläufern“ mittels Dialogangeboten einzuschleimen. Das hat vor einigen Tagen bereits Jakob Augstein in abschließender Form getan: Die Politik sollte den Teufel tun und die Debatte mit Idioten und Rassisten suchen. Denn ein Idiot oder ein Rassist ist jeder, der an einer Demonstration gegen die “Islamisierung des Abendlandes” teilnimmt.“ Wer seinen nur allzu berechtigten Frust über millionenfache soziale Ausgrenzung und die unerträgliche Arroganz der wirtschaftlichen und politischen Eliten als Freifahrtschein für die Einreihung in diese Dumpfbackenbewegung sieht, ist entweder dumm, irre oder bösartig. PEGIDA ist mittlerweile aber auch eine Art popkulturelles Event. Sowohl für die Doofen, als auch für das linke bis konservative Medien-Establishment. Nicht vergessen sollte man die Funktion als Spielbein für die mittlerweile eindeutig rechtspopulistisch eingenordete AfD.

Dabei wäre es höchste Zeit, dass sich die mehr oder weniger abgehängten Menschen in Deutschland lautstark bemerkbar machen. Aber offensichtlich hat in diesem unseren politisch vollkommen verkackten Land niemand eine schlüssige Idee, wie Frust und Wut über die herrschenden Zustände gegen die Verantwortlichen gewendet werden können. Und viele (nicht alle!) derjenigen Edelfedern und TV-Journalisten, die jetzt genüsslich PEGIDA abkanzeln, haben das vor ein paar Wochen mit Claus Weselsky und GDL gemacht und würden es auch machen, wenn der „Pöbel“ gegen die Herren der sozialen Finsternis auf die Straße ginge.

Wie gesagt, ich guck mir das am Montag in Dresden mal an und singe auch gerne deutsche Weihnachtslieder mit.

 

 

 

 

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