Clash der Kulturen: Der Popstar und der Buchhalter

Eigentlich müsste ich so allmählich einen Artikel über Milieuschutz in Berlin und einen weiteren über den Pflegenotstand in Deutschland verfassen. Aber heute habe ich mir lieber ein postpubertäres Vergnügen gegönnt und mich der Versammlung eines Fanclubs der ganz besonderen Art angeschlossen. Um 11 Uhr stand ich vor dem Bundesfinanzministerium, um mit Gleichgesinnten den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis zu begrüßen. Natürlich ist dieser Mann ohne Anzug und Krawatte mittlerweile auch eine Stil-Ikone, aber vor allem ist er ein kluger und anscheinend unbeugsamer Ökonom, der den feisten EU-Bürokraten und europäischen Sparkommissaren ungeschminkt erklärt, was es mit der griechischen Finanzkrise auf sich hat.

Varoufakis hatte offenbar wenig Zeit und rauschte in seiner Limousine auf den Innenhof des Ministeriums und verschwand in dem alten Nazi-Koloss. Dort stand dann eine Art Clash der Kulturen an, und zwar in mehrerlei Hinsicht. Hier der weltgewandte Ökonomie-Popstar mit flatterndem Hemd, dort der konservativ-spießige badische Buchhalter Wolfgang Schäuble. Hier ein Finanzminister, der die Schulden- und Erpressungspolitik der Merkel-EU gegenüber Griechenland mit den Foltermethoden der US-Soldatenka vergleicht („Financial Waterboarding“), dort ein Amtskollege, der schmallippig auf die Einhaltung von Verpflichtungen pocht, die die korrupte griechische Vorgängerregierung eingegangen ist.

Beide Seiten pokern mit hohem Einsatz. Griechenland droht in wenigen Tagen oder höchstens Wochen die komplette Zahlungsunfähigkeit, wenn die Ankündigung wahr gemacht würde, den Geldhahn wegen „Reformunwilligkeit“ zuzudrehen. Doch der EU könnten als Folge eines Zusammenbruchs Griechenlands der Euro und das Bankensystem um die Ohren fliegen. Zudem säße die Bundesregierung mit einem Schlag auf geplatzten Krediten und Bürgschaften in Höhe von mindestens 60 Milliarden Euro

Ohne einen Kompromiss wird es wohl nicht gehen. Der griechische Vorschlag klingt vernünftig: Kein offizieller Schuldenschnitt, dafür eine Anpassung der Zinszahlungen an die Wirtschaftsentwicklung des Landes und eine unbefristete Streckung der Tilgung. Und ein „Zeitfenster“ bis Mai oder Juni, um den korrupten griechischen Staat kräftig zu entrümpeln und heimischen Oligarchen die Steuer-Daumenschrauben anzulegen.

Eigentlich eine gelungene kleine Kundgebung vor dem Finanzministerium. Wenn bloß Diether Dehm nicht gesungen hätte….

Es ist gut, dass sich trotz kurzfristiger Ankündigung und ungünstiger Uhrzeit knapp 100 Menschen versammelten, um der neuen griechischen Regierung ihre Solidarität zu demonstrieren. Mich beschleicht allerdings ein mulmiges Gefühl, wenn sich ausgerechnet die LINKE als Wortführer des Protestes gegen Spardiktate aufspielt. Denn als sie in Berlin noch mitregierte, hat sie im Prinzip genau die Politik betrieben, gegen die sie jetzt protestiert. Und dass der alte Knödelbarde und Medienunternehmer Diether Dehm bei der Versammlung ein altes Arbeiterkampflied deklamierte, war eine nicht zu unterschätzende ästhetische Zumutung. Man kann froh sein, dass Varoufakis das nicht gehört hat.

Am dem Heimweg wurden noch schnell im “Lafayette” ein paar kleine Pasteten erstanden. Wenn ich mir schon einen vertrödelten Vormittag leiste, dann richtig.

Ansonsten stelle ich mich ab sofort in die Tradition des römischen Senators Marcus Porcius Cato Censorius, (Cato der Ältere), der jeden öffentlichen Auftritt mit dem Satz beendete: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss

Also: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Olympia in Berlin verhindert werden muss

2 Gedanken zu “Clash der Kulturen: Der Popstar und der Buchhalter

  1. Inhaltliche Zustimmung, trotzdem zwei Anmerkungen:
    1.) Yanis Varoufakis benutzt die Wendung “Fiscal Waterboarding”, nicht “Financial Waterboarding”.
    2.) Cato der Ältere soll in der Tat seine Senatsreden mit dem von Dir zitierten Ausspruch beendet haben. Allerdings ist in diesem Zusammenhang m. E. das Verb “censeo” mit “ich bin der Meinung” falsch übersetzt, siehe:
    http://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/censeo
    Dort ist u.a. ” (v. Senatoren) etw. beantragen, f. etw. stimmen” als Übersetzung angegeben. Treffender wäre demnach etwa folgendes: “Im übrigen stelle ich den Antrag, daß Karthago zerstört werden muß.”

    • Zu 1.) Ich habe bei erneuter Suche beide Redewendungen gefunden. Bin allerdings der Ansicht, das “Fiscal” wenig Sinn macht, weil die Steuerpolitik Griechenlands wenig mit der Strangulierung des Landes durch EU, EZB und IWF zu tun hat.
      2.) Als Nicht-Latainer will ich deine bildungsbürgerlich fundierte Sprachanalyse keinesfalls anzweifeln. Dann stelle ich eben den Antrag, dass Olympia in Berlin verhindert wird. Ich hoffe, du unterstützt ihn.