Auch Menschen mit einem etwas weniger ausgeprägten Hang zu dezenter Arroganz beschleicht bestimmt manchmal das Gefühl, dass man fast nur von Schwachmaten und Vollpfosten umgeben ist. In dieser Woche war das bei mir besonders extrem.
1.) Während in Berlin eine regelrechte Masern-Epidemie tobt, beschwören „Impfskeptiker“ die vermeintlichen Gefahren der Schutzimpfung und veranstalten sogar „Masernparties“, damit sich die Kindern so richtig anstecken und damit ihr Immunsystem stärken können. Dabei ist jeder ungeimpfte Mensch, der die Krankheit noch nicht hatte, eine tickende Zeitbombe, weil er hoch ansteckend sein kann, bevor bei ihm selbst Symptome erkennbar sind. Statt die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes und der Seuchenabwehr eine Pflichtimpfung für Kinder gegen Masern auf dem Weg zu bringen, zucken die Politiker zurück, und beschwören – je nach Parteizugehörigkeit- die „Eigenverantwortung“ bzw. das „Selbstbestimmungsrecht“ der Eltern. Geht’s noch?
2.) Während die linksreformistische Syriza-Regierung in Griechenland mit dem Rücken zur Wand versucht, ein wenig Spielraum gegen die geballte Macht und die abartige Verarmungspolitik der EU und des internationalen Finanzkapitals zu schaffen, ist es unter bekanntermaßen seit Jahrzehnten ungewöhnlich erfolgreichen deutschen Linksradikalen mittlerweile chic, Syriza „Verrat“ vorzuwerfen und übelst zu beschimpfen.
Offensichtlich gibt es in dieser Szene eine bemerkenswerte Häufung von Top-Ökonomen, die das Szenario eines Euro-Austritts und die akuten Konsequenzen für die griechische Bevölkerung exakt berechnet haben. Auch ich hätte da einige Fragen zum Vorgehen von Syriza, aber wenn die gebeutelten Griechen irgend etwas nicht brauchen, dann sind es Ratschläge von besserwisserischen Vollversagern aus der linken Szene im satten Deutschland. Denn diesen Job erledigen bereits Wolfgang Schäuble und die Bild-Zeitung ganz hervorragend.
3.) In meinem Moabiter Kiez und darüber hinaus in ganz Berlin verfestigt sich derweil eine neue „Das Boot ist voll“ – Bewegung. Diesmal ausnahmsweise nicht gegen Flüchtlinge, dafür aber gegen Wohnungsneubau. Und das in einer boomenden Stadt mit Wohnungsknappheit, rasant steigenden Mieten und stabiler Zuwanderung von 40.000 Menschen pro Jahr. Mal soll statt Neubau ein maroder, weitgehend überflüssiger Verkehrsübungsplatz erhalten werden, mal sind es „Freiräume“, Blickachsen“ oder „Luftschneisen“ die gefährdet seien. Aber immer sind es vorgeschobene Gründe von satten „Kiezverteidigern“, die ihre Idylle nicht gestört haben wollen. Ekelhaft. Manchmal möchte man aufgeben und sich mit gerecktem Stinkefinger zurückziehen. Aber dann sage ich mir wieder, dass ich meinen Kiez und meine Stadt nicht kampflos diesen Honks überlassen will, und glücklicherweise gibt’s ja noch ein paar Gleichgesinnte.
Nach so einer Frustwoche muss man sich auch wieder mal was gönnen. Auf dem Wochenendprogramm stehen Balkonputz ( der Landsitz wird traditionell erst im März in Betrieb genommen), ein Tofu-Experiment und eine Tomaten-Hähnchen-Curry. Ins Glas kommen diesmal zwei ausgesprochen sozialverträgliche Weine: Der feinherbe Gutsriesling 2012 vom VDP-Gut Friedrich Bastian ist für rund sieben Euro erhältlich und ein ausgesprochen feiner Vertreter seiner Gewichtsklasse. Ein leichter, dezent mineralischer Riesling mit feiner reifer Frucht ( Weinbergspfirsich) und prickelnder Säure, die die merkliche Restsüße perfekt einbettet. Ideal zu mittelscharfen asiatischen Gerichten mit Zitronengras. Und ins rote Glas kommt der italienische Preisbrecher schlechthin, der Casa Conforto Chianti DOCG 2012 von der Fattoria La Vialla für unglaubliche 6,10 Euro. Dicht, rund, reife dunkle Beeren, etwas Kräuterwürze – großartig!
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Olympia in Berlin verhindert werden muss
Ach ja Fattoria La Vialla, hatte gerade eine äußerlich völlig vergammelten, festhalten 1994er im Glas. Habe den Weinkeller eines Nachbarn geerbt, der diesen nicht mit umziehen wollte, mit lauter gereiften Schätzen. Als nicht Weinsnob wird natürlich alles ausprobiert bevor zweifelhafte Preziosen im Ausguß landen. Und der La Vialla war wirklich erstaunlich, schönes ziegelrot, recht frisch, kaum Altersnoten und sehr weich und rund. Kleine Freuden des Alltags.
Viel schlimmer als die Masern – ohne die jetzt verharmlosen zu wollten, einer Impfpflicht stimme ich voll zu – finde ich diesen anscheinend hochinfektiösen Hirnschwamm des Typs ESO, dessen Auswirkungen sich bei der Party einer (ehemaligen?) hochlinken Groß-WG beobachten ließen. Impfungen dienten ja nur dem Profit der Pharmaindustrie. Und natürlich die Stärkung des Immunsystems durch die harmlose Kinderkrankheit, naja ich nehme an diejenigen, die die Masern nicht überstehen haben wohl im Genpool der Menschheit nichts zu suchen gehabt…
Dazu gabs Pseudoindisches Klimbim, samt wir singen alle sprituelle und volleuropäisierte “Welt”musik…
Bei denen, bei denen der Hirnschwamm Typ ESO voll zugeschlagen hat, kommt Politik fast nicht mehr vor, und wenn dann in Form modernrechter Pseudofriedensquerfront samt jeder solle seine letzten Kröten in Gold anlegen.
Von den verbliebenen Wackeren mit erstaunlicher Toleranz für die neurechten Tendenzen WG Genossinnen – die spielen ja nur, so schlimm kann Spirituaität doch nicht sein – gabs dann Syriza Kritik.
Zeit die Party zu wechseln zu meinen zwar auch recht unpolitischen Immigrantenfreunden, aber wenigsten funktioniert da noch die Genußkultur.
Beruhigend ist es nicht, dass ich offenbar nicht der Einzige bin, der derartige Erfahrungen macht. Ich habe auch auch eine einstmals recht fortschrittlich denkende ESO-Schwester, die mittlerweile meint, die Juden wären selbst Schuld am Antisemitismus.
Um das Erlebnis mit dem 1994er La Vialla beneide ich Dich! Ich finde es auch immer wieder faszinierend, wie auch “einfache” Weine in Würde altern können.