Tanzen, schlemmen und kämpfen

Ist es zynisch angesichts der Ereignisse im Mittelmeer genussvoll Spargel zu essen und dazu verschiedene Weine auszuprobieren? Nein, ist es nicht, denn keinem verzweifelten Kriegs-, Terror- oder Armutsflüchtling ist geholfen, wenn ich oder andere sich angesichts der unfassbaren Ereignisse die kleinen Freuden des Alltags versagen.

Viel kann ich zu den See-Massakern der „europäischen Wertegemeinschaft“ nicht mehr sagen. Es ist wohltuend, wenn ein profilierter Vertreter der viel geschmähten „Lügenpresse“ wie Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung und in einer Talkshow ohne Umschweife und ohne Relativierung von „Tötung durch Unterlassung“ seitens der Verantwortlichen einer „mörderischen Europäischen Union“ spricht. Befremdlich kühl, aber fast noch schärfer die Analyse im Leitartikel des neuen „Spiegel“.: „(Es) bleibt bei den Toten, die den Preis dafür zahlen, dass wir unsere Trauminsel nicht untergehen lassen wollen. (..) Wir haben uns nun einmal entschieden. Für uns. Alles andere ist Selbstbetrug“. Darüber sollte auch mal jeder von uns „Guten“ nachdenken.

Antirassistische Party am Sonnabend auf dem Oranienplatz. Für Widerstand braucht man unter anderem auch gute Laune

Es gibt viele Wege sich mit Flüchtlingsthema auseinanderzusetzen. Der Kulturjournalist und frühere Label- und Eventmanager Marcus Staiger organisierte am Sonnabend auf dem Oranienplatz in Kreuzberg eine „Beats against Racism“-Party. Skepsis gab es allerorten: Was soll das alles? Wo kommt das viele Geld her (Bühne und Anlage hatten absolutes Top-Level). Will da vielleicht einer sein kommerzielles Süppchen mit dem Widerstand gegen Rassismus und Asylrechtsterror kochen? Werden dafür gar Flüchtlinge als Staffage missbraucht?

Alles Quatsch: Es war eine gute stimmungsvolle Party, mit vielen Live-Acts, mit viel Wut und Empörung auf der Bühne und davor, mit bis zu zehntausend Besuchern – darunter viele Flüchtlinge – die sich nicht nur bespaßen lassen wollten, sondern wussten, worum es geht und es sich trotzdem nicht nehmen ließen, ganz gut zu trinken und zu kiffen. Mehr davon! Allerdings wäre die Party wohl weniger friedlich abgelaufen, wenn schon bekannt gewesen wäre, dass diesmal über 900 Flüchtlinge elendig ertrunken sind, weil ihr Boot vor der libyschen Küste kenterte,

Am Tag danach wird von den Herren der Finsternis wieder jede Menge Trauer geheuchelt und Aktivität simuliert. Das macht wütend und hilflos. Anders gesagt: Ich weiß nicht nicht, was ich tun kann.

Jetzt erst mal Spargel (nur mit Kartoffeln und Butter, ohne Soße) und dazu ein paar Silvaner probieren. Hab den richtigen aber noch nicht gefunden. Aber so richtig wichtig ist das derzeit nun wirklich nicht.

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