Der traditionelle Kampftag des Spargelschälers wurde am 1.Mai wie immer würdevoll und erfüllt von revolutionärer Stimmung in Wandlitz zelebriert. Hochkarätige Medienvertreter, darunter ein Mitarbeiter der Satirezeitung „Junge Welt“, ein bürgerlich-liberaler Journalist, ein publizistischer Gewerkschaftsknecht, sowie ein trotzkistischer Bürokrat und eine ostdeutsche Hebamme erörterten unter Schmährufen auf den DGB und Jubelgesängen auf die GDL alle wesentlichen Fragen der nationalen und internationalen Klassenkämpfe. Es gab wie üblich frischen Brandenburger Spargel mit „Linda“-Kartoffeln und gebräunter Butter sowie anschließend Merguez und Salat. Die Lammwürstchen stammten diesmal nicht von einem türkischen sondern von einem iranischen Fleischer in der Huttenstraße, womit der Gastgeber auch ein politisches Zeichen gegen die skandalöse Übernutzung von Bürgersteigen durch viele türkische Supermärkte setzen wollte. Doch politisch motivierter Genussboykott ist ein untaugliches Instrument, wie ich bereits in meinem 2010 erschienenen „demokratischen Weinbuch“ dargelegt hatte. Die Merguez waren gut – aber die vom Türken am Gesundbrunnen sind besser!
Natürlich wurde auch Wein getrunken und zwar in erheblichen Mengen. Die diversen trockenen Silvaner-Abfüllungen wussten (bis auf einen leicht nach Gummibärchen schmeckenden Wein) durchweg zu gefallen. Den Titel des Spargelkönigs 2015 teilen sich drei frische Weine aus dem Jahrgang 2014: Der „Buntsandstein“ vom Weingut Bickel-Stumpf, der „Iphöfer“ vom Weingut Juliusspital (beides VDP-Betriebe) sowie der „Rödelseer Küchenmeister Kabinett trocken“ vom Weingut Brennfleck. Dazu gibt es in einigen Tagen noch eine „seriöse“ Besprechung.
Beim Rotwein – dessen Bereitstellung den Gästen oblag – gab es wieder Licht und Schatten. Leider fast erwartbar war der erneute Ausrutscher des trotzkistischen Bürokraten, der diesmal zwar keinen vollkommen unsinnigen Spätburgunder aus Portugal beisteuerte, dafür aber einen anderen zweifelhaften portugiesischen Wein, der seine mangelnde Frucht und das fehlende Gerüst mit unangemessenem Holzeinsatz zu überdecken versuchte. Ohne Fehl und Tadel dagegen ein Grenache-dominierter Südfranzöse des bürgerlich-liberalen Kollegen und der Portugieser vom Weingut Hummel, den der Gewerkschaftsknecht beisteuerte
Über den „Freixenet“-Weißwein des ostdeutschen Satireredakteurs betten wir den Mantel des Schweigens, möglicherweise taugt er als Rosendünger. Aber anders als der Trotzkist kann der Ossi mildernde Umstände geltend machen: 40 Jahre „Lindenblättriger“ und „Stierblut“ sind eben nicht so leicht abzuschütteln
Zwischenfälle gab es kaum, lediglich eine Gartenbank aus DDR-Beständen gab relativ spektakulär ihren Geist auf. Nicht erst zum nächsten Kampftag des Spargelschälers am 1.Mai 2016 in Wandlitz wird Ersatz bereit stehen