Der DGB ist ein Keks

Eigentlich wollte ich mir am Dienstag nach dem ganzen GDL-Gewusel (diesmal für die taz) was richtig Nettes gönnen. Nein, noch immer nicht den frischen Traminer von Horst Hummel, sondern ein Konzert mit dem derzeit wohl kreativsten deutschen Jazzmusiker Michael Wollny nebst umfangreicher Begleitung in der Berliner Philharmonie. Eigentlich ein guter Plan, aber leider war ich exakt 24 Stunden zu früh da.

Dumm gelaufen, also Plan B. In meiner Jackentasche steckte schließlich noch die Einladung zum Mai-Empfang des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann im hippen “Radialsystem” an der Spree.

Nun bin ich auf Hoffmann und seine DGB-Führungsmannschaft nicht sonderlich gut zu sprechen, denn es gehört sich für einen Gewerkschaftsboss einfach nicht, die Regierung zur Einschränkung des Streikrechts zu ermuntern, wie es derzeit passiert. Aber man kann ja mal gucken.

Mein Ticket ebnete mir den Weg vorbei an etlichen vierschrötigen Schlagetots, die mit Knopf im Ohr und Kampfsportblick den Eingang bewachten. Die standen da nicht nur zur Dekoration, schließlich war hohe Promi-Dichte angesagt. Später sollte sich herausstellen, dass ein nd-Kollege, den ich dort eigentlich treffen wollte, diesen Anblick mental nicht verkraftete und er von dem Besuch bei DGBs Abstand nahm

Hier waren nicht die Reichen und Schönen á la Berlinale, sondern die mehr oder weniger Mächtigen aus Politik, Verbänden und Wirtschaft, und natürlich gehört es bei Gewerkschaften längst zum guten Ton, dass auch Offiziere “unserer” Kriegstruppe geladen werden. Es wimmelte jedenfalls nur so von Ministern, Staatssekretären, Abgeordneten, Gewerkschafts- und Wirtschaftsbossen, grauen Eminenzen, grauen Apparatschiks, Angekommenen, Karrieregeilen sowie gelifteten und gebotoxten Damen.

Andrea “Tarifeinheit” Nahles war natürlich Stargast beim DGB-Empfang

Genusskulturell hat der DGB allerdings Fortschritte gemacht. Die Location an der Spree ist großartig, es gab einen richtig guten trockenen fränkischen Silvaner von Horst Sauer: (reintönig, erdig, mineralisch), die Merguez waren amtlich gegrillt, auch das Ratatouille gab keinen Anlass zur Kritik. Die ebenfalls angebotene Rotwein-Cuvée “Vollmund” vom rheinhessischen Weingut Gehring erwies sich allerdings als holzig-süßliche Nullnummer. Und die zum Café gereichten Kekse mit DGB-Logo erinnerten dann doch stark an die alte Dumpfbackigkeit gewerkschaftlicher Repräsention.

Aber was soll man eigentlich hier? Nichts, deswegen beschränkte sich mein Aufenthalt auch auf eine anständige Portion Merguez und Ratatouille, vier Gläser Silvaner, ein paar Promi-Fotos und ein paar Rundgänge mit weit offenen Ohren zwecks Aufschnappen kompromittierender Äußerungen. War aber nicht besonders ergiebig. Also ab zur Garderobe. Dort konnte ich mir allerdings nicht verkneifen, die junge Frau an der Ausgabe zu fragen, ob sie hier beim DGB-Empfang denn wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn ohne Schmu und Schummel erhalten würde. Die Antwort war ein vielsagendes Lächeln und der Satz: “Darüber möchte ich jetzt lieber nicht sprechen”.

 Gerne wäre ich noch auf ein Bier ins nahe gelegene Streiklokal der GDL gegangen. Aber ich war einfach zu müde

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.