Mit Monteverdi im Kino

Alles beginnt mit einer Idee. Die hatte in diesem Fall Siggi Loch, Impressario des verdienstvollen Jazz-Labels ACT: Warum nicht für die von ihm kuratierte Reihe “Jazz in der (Berliner) Philharmonie” ein Konzert konzipieren, das als roten Faden eine Verbindung zwischen der formalen Strenge des italienischen Frühbarockmeisters Claudio Monteverdi und der bildhaften Tonsprache des großen Filmkomponisten Ennio Morricone herstellt. Über Künstler, die eine derartig anspruchsvolle Aufgabe bewältigen können, verfügt das ACT-Label schließlich im Überfluss.

Gab vor rund 400 Jahren den Ton an: Claudio Monteverdi

Da wäre zum einen Michael Wollny, Shooting-Star der deutschen Jazzszene, der sein feines Gespür für die Strukturen und Schwingungen vollkommen unterschiedlicher Musikgenres des Öfteren bewiesen hat, zuletzt mit dem sensationellen Album “Weltentraum”. Mit der israelischen Cembalistin Tamar Halperin wurde eine ausgewiesene Spezialistin für Alte Musik dazu geholt, die ebenfalls ganz weit offene Ohren hat. Gar keinem Genre zuzuordnen ist der Trompeter Markus Stockhausen, etwas flapsig könnte man sagen, der Mann hat einfach einen unvergleichlich reinen und klaren Ton. Fehlt noch der Klangkörper, der die dicht verwobenen orchestralen Tonmalereien eines Ennio Morricone gleichermaßen filigran wir kraftvoll ausbreiten kann, ohne in Filmkitsch zu verfallen: Zweifellos eine Aufgabe für die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker. Und da man diese musikalischen Edelsteinsammlung auch irgendwie zum gemeinsamen Funkeln bringen muss, braucht es einen erfahrenen Arrangeur und Leiter, der mit dem Norweger Geir Lysne ebenfalls im ACT-Umfeld zu finden ist.

So sah das also aus, als sich die Projektgruppe “Monteverdi meets Morricone” am Mittwoch im ausverkauften großen Saal der Berliner Philharmonie anschickte, ihre Zuhörer auf eine phänomenale Klangreise voller Überraschungen und voll schlichter Schönheit zu schicken. Lysne hatte aus verschiedenen Werken der beiden Meister eine Art Suite gestaltet, mit Halperins strengen frühbarocken Intros, durchkomponierten Sätzen für die Cellisten und reichlich Freiraum für Wollny und Stockhausen.

Es gibt wahrlichüberambitionierte Crossover-Projekte. die an ihrem Anspruch scheitern, die keine Synthese aus den Grundstoffen entwickeln. Doch die Frühbarock-Filmmusik-Idee funktioniert mit spielerischer Leichtigkeit irgendwo zwischen Generalbass und Lonesome Cowboy. Lysne ist es tatsächlich gelungen, eine spezielle, schlüssige Handschrift für diese eigenartige Melange zu entwickeln. Die Cellisten sind präzise und flexibel, können harte Grooves schlagen und wenig später in schwelgendem Schmelz aufgehen. Bei Stockhausens Einsätzen mag man die Augen schließen und sich von diesem Ton davontragen lassen, obwohl der Mann auch richtig krachend zupacken kann. Wollny, den ich übrigens noch nie so rockig erlebt habe, hat inzwischen ein Stadium des Klavierspiels erreicht, das man nur noch als schwerelos bezeichnen kann. Nur Tamar Halperin kam abgesehen von den barocken Intros ein bisschen zu kurz: Zum einen ist das Cembalo das mit Abstand unflexibelste Instrument in dieser Konstellation, aber vor allem war es bei den gemeinsamen Parts kaum zu hören.

Jedenfalls ein fulminantes Konzert abseits ausgetretener Pfade mit großartigen Musikern, sprühender Spielfreude und einer gesunden Mischung aus Spaß und Tiefgang. Bleibt verhaltene Wehmut, weil es wohl nicht auf CD erscheinen und wahrscheinlich auch keine Wiederholung erleben wird. Falls doch, melde ich mich.

Plattentipp: Michael Wollny: „Weltentraum“ (hier mit Hörproben)

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