Bach kommt heim

Leipzig ist in Partylaune. Auf dem Feierkalender stehen 2015 unter anderem das Stadtjubiläum (1000 Jahren), die Messe und die Nikolaikirche (jeweils 850 Jahre). Da liegt es nahe, dass auch das Bachfest in die Jubelarien einstimmt, und sich in diesem Jahr das einer 1723 entstandenen Ratswahlkantate entlehnte Motto „“So herrlich stehst Du, liebe Stadt“ verpasst hat.

Besagte Kantate war auch Bestandteil des Eröffnungskonzertes am Freitag in der Nikolaikirche, spielte dort aber nur eine Nebenrolle. Denn im Mittelpunkt des Abends stand ein nicht tönender Zeuge der Leipziger Geschichte. Nach einer längeren Weltreise, die unter anderem nach Berlin, Hamburg, Breslau, Dorset (England) und Princeton (USA) führte, kehrte das 1748 vom Stadtmaler Elias Gottlob Hausmann angefertigte, weltweit berühmte Portrait von Johann Sebastian Bach an seinen Ursprungsort zurück.

 

Da isser ja. Sir John Eliot Gardiner am Freitag in der Nikolaikriche bei seiner Laudatio auf das schmerzlich vermisste Bach-Portrait von E.G Haußmann.

Die Geschichte des Bildes hat Züge einer Soup Opera, die langatmige Inszenierung seiner Rückkehr beim Eröffnungs“konzert“ hatte es leider auch. Und selbst ein strahlend-dynamischer Thomanerchor konnte eine -gelinde gesagt- weitere Merkwürdigkeit bei der Programmgestaltung nicht übertönen. Angekündigt war die Uraufführung einer Choralkantate des 1936 geborenen Leipziger Komponisten Günter Neubert, die aber nur beträchtlich gekürzt dargeboten wurde. Zweifellos eine schallende Ohrfeige für den Komponisten, wenn ein in sich geschlossenes Werk ausgerechnet bei seiner Premiere anscheinend aus Zeitgründen verstümmelt wird. Und eine Peinlichkeit für die Musikmetropole Leipzig.

Dabei ist Neuberts Werk durchaus hörenswert. Die Kantate gruppiert sich um behutsame Erweiterungen und Synkopierungen des Chorals „Ein feste Burg ist unser Gott“. Zwischen den Strophen gibt es liedhafte Rezitative aus dem Buch Hiob, die stark an die Klangsprache deutscher Neutöner wie Hanns Eisler und Paul Dessau, aber auch an Kurt Weill erinnern. Altes Testament meets Kuhle Wampe, warum eigentlich nicht. Beim Publikum stieß dies allerdings nur auf mäßige Resonanz, ganz anders als die abschließend dargebotene opulente Psalmvertonung „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy, die mit stehenden Ovationen gewürdigt wurde.

Neuberts Choralkantate wird in der kompletten Fassung wahrscheinlich in Dresden uraufgeführt. Vielleicht findet man dereinst in seinem Nachlass Aufzeichnungen, die Parallelen zu Bach aufweisen. Der hatte sich 1730 in einem Brief an seinen Schulfreund Georg Erdmann bitter darüber beklagt, dass Leipzig „eine wunderliche und der Musik wenig ergebene Obrigkeit“ habe.

Doch auch derartige Irritationen, die ja für Leipzig nichts Ungewöhnliches sind, können einem die Bachfest-Stimmung kaum ernstlich verderben. Denn wenn man den lauen Sommerabend auf dem Marktplatz mit einigen Werken für Trompete und Orchester ausklingen lassen kann, weiß man, dass man gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Auch wenn der Gästezelt ausgeschenkte „Fleur de d’Artagnan“ aus der Gascogne gute Chancen hat, in meiner Hitliste der schlechtesten Weißweine des Jahres ganz weit vorne zu landen. Aber das ist nun wirklich Nebensache

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