Kein Bachfest ohne Hipnessfaktor

Der Hype um das nach Leipzig zurück gekehrte Bach-Portrait von E.G. Haußmann nimmt skurrile Züge an. Am Freitag besangen vier vom Interims-Thomaskantor Gotthold Schwarz dirigierte Thomaner das auf 2,5 Millionen Euro taxierte Werk vor einigen Journalisten in seinem neuen Domizil, der „Schatzkammer“ des Bachmuseums. Am Sonnabend folgt der nächste Akt, diesmal mit einige Mitgliedern des legendären Monteverdi Choirs, höchstpersönlich geleitet vom Stardirigenten und Präsidenten des Bach-Archivs, Sir John Eliot Gardiner. Und die ersten Provinzjournalisten hyperventilieren bereits von „Leipzigs Mona Lisa“.

Doch es gibt auch noch ein Bachfest ohne das Bild. Vier Bach-Kantaten aus seiner Leipziger Zeit standen am Abend in der Thomaskirche auf dem Programm. Der mit 13 Sängernnen und Sängernn sehr schlank besetzte Kölner Kammerchor und das ebenfalls in Köln ansässige Collegium Cartusianum sorgten für eine sehr transparente, fast schon luftige Interpretation der vor musikalischer Inspiration nur so sprühenden Werke. Herausragend ferner die Sopranistin Hanna Zumsande mit betörenden Arien.

Tine Thing Helseth schafft spielend den Spagat zwischen verschiedenen musikalischen Galaxien

 

Der späte Abend gehörte dann auf dem Marktplatz dem genreübergreifenden Hipnessfaktor des diesjährigen Bachfestes. Die junge und sehr blonde norwegische Trompeterin Tine Thing Helseth bewegt sich seit einigen Jahren äußerst erfolgreich sowohl in den oberen gefilden der alten Musik, als auch in jazzverwandten Bereichen. Und so folgte ihrem gelungenen Barockabend am Freitag mit dem Mendelssohn Kammerorchester dann der Auftritt mit ihrem eigenen Quintett am Folgetag. Geboten wurde ein kleiner Rundumschlag zwischen Folklore, Tango, Pop und Jazz, beim zuweilen richtig die Post abging, was aber vor allem dem Gitarristen Jarle G. Storlokken zu verdanken war. Aber der flexible Ton der Norwegerin ist ebenfalls beeindruckend. Es gibt wohl wenig Trompetenvirtuosen, die sich ähnlich souverän in derartig verschiedenen Genres bewegen.

Fast vergisst man bei diesem hochkarätigen Festival, dass es sich dennoch um eine kulturelle Randerscheinung handelt. Als Tine Thing Helseth auf dem Marktplatz vor vielleicht 1000 Zuschauern ihre ersten Jazzgrooves in den verhangenen Himmel blies, goutierten nicht allzuweit entfernt rund 45.000 Zuschauern in der restlos ausverkauften Red Bull-Arena den Knödel-Barden Herbert Gröhlemeier.

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