Eigentlich kümmere ich mich schon lange nicht mehr um das ätzende Party- und Staatsbesuchsgedöns in der Berliner Innenstadt. Doch als ich nach einem anstrengenden Arbeitstag am Dienstagabend auf meinem kräuter- und gemüseumrankten Balkon von dumpfen Donnerschlägen aus meiner Feierabendidylle (vor mir stand ein Glas Michelbacher Steinberg St. Laurent 2012 und ein Teller mit Oliven, Schafskäse und Wildschweinleberpastete) gerissen wurde, war ich wieder mittendrin. Denn es waren die Salutschüsse, mit denen die britische Königin auf dem Flughafen Tegel begrüßt wurde. Auch das ein gelungener Ausdruck deutschen Kulturverständnisses. Warum wird ein hochgestellter Gast in der deutschen Hauptstadt eigentlich mit Kanonen begrüßt, statt mit dem 1. Satz aus dem 3. Brandenburgischen Konzertvon Johann Sebastian Bach?
Queen in Berlin bedeutet Ausnahmezustand. Tausende verblödete Rentner und verblödete Touristen drängeln sich entlang ihrer Ausflugsrouten oder vor dem Hotel Adlon, um einen Blick auf dieses alberne Relikt des Feudalismus zu erhaschen. Dazu noch ein debil winkender Bundespräsident Gauck an der Seite der Königin auf Spree-Bootstour, devot schleimende Honoratioren auf allen Kanälen und Verkehrschaos im gesamten Zentrum . Besonders beliebt sind in den örtlichen Zeitungen und Radiosendern derzeit Benimmtipps, falls die Queen einen ansprechen sollte. Ich wüsste jedenfalls was ich ihr sagen würde: “Mach dich vom Acker, Elli. Du und deine Monarchie sind ungefähr so nützlich wie Fußpilz”.
Während die millionenschwere alte Dame in Berlin ihre Kostümshow abzieht, sitzen die Mächtigen Europas in Brüssel und überlegen, wie sie der SYRIZA-Regierung in Griechenland endgültig den Hals zudrehen können. Aber was soll’s: The Show must go on. Auch in Berlin gibt es ein paar Menschen, die andere Sorgen als die Wahl des passenden Hutes haben An der Uniklinik Charité streiken die Pflegekräfte, und zwar nicht für höhere Löhne, sondern für mehr Personal. Vorbildlich! Ohnehin gab und gibt es derzeit in Deutschland interessante Tarifkämpfe inklusive Streiks. Bei der Bahn geht es um das Recht einer Gewerkschaft auf einen Tarifvertrag, bei der Lufthansa um die Altersversorgung und bei der Post um die Ausgliederung von Betriebsteilen in Billiglohnfirmen. Nachahmung erwünscht.
Den Spaß an dem oben erwähnten Rotwein lass ich mir aber auch von der Queen nicht verderben. Intensiver Duft nach Weichselkirschen. Am Gaumen dann eingelegte Sauerkirschen, Brombeeren und Kräuter, vor allem Thymian. Dazu ein wenig Bitterschokalade. Natürlich schmeckt man den Ausbau im Barriquefass (Vanille). Aber stets bleibt die Holznote der Frucht des Weines untergeordnet. Süße? Fehlanzeige, liegt bei nahe null Gramm. Auf der anderen Seite satte fünf Promille Säure, was ziemlich schräg klingt – aber bei diesem Wein bestens funktioniert. Denn die pralle Kirschfrucht spielt unseren Geschmacksnerven einen Streich und gaukelt Süße vor.Und jetzt nochmal: F*** the Queen.
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