Es ist eine bedrückende Woche. Ohnmächtig muss man mitansehen, wie ein „europäisches Partnerland“ von einer bürgerlichen Demokratie in eine Art Protektorat transformiert wird. Die Regierung Griechenlands darf nur noch beschließen, was die Troika vorher diktiert hat, der staatliche Besitz wird konfisziert. Mit Entsetzen muss man konstatieren, dass jene deutschen Politiker, die maßgeblich an der Erpressung und Demütigung Griechenlands beteiligt sind, breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben, besonders Schäubles Popularitätswerte befinden sich auf einem Allzeithoch. In seinem großen Interview nach seinem Rücktritt schildert Yanis Varoufakis eindrucksvoll, wie diese Zombies ticken.
Auch im Alltag begegnet einem auf Schritt und Tritt Ignoranz und Desinteresse. Als ich in einem großen Facebook-Wein-Forum anregte, mal 24 Stunden auf Lifestyle-Geplapper zu verzichten, um sich Zeit zu nehmen, über die Vorgänge in und um Griechenland nachzudenken, brach ein regelrechter Shit-Storm über mich herein. Selbst in meiner örtlichen Mietergruppe gibt es Stimmen, die meinen “die Griechen“ hätten sich das schließlich selbst eingebrockt und müssten jetzt natürlich „unser Geld“ zurückzahlen.
Das alles macht mich wütend, aber auch empfindlicher für den allgegenwärtigen Wahnsinn. Auf meinem regelmäßigen Weg mit dem Fahrrad entlang der Spree zur Bundespressekonferenz fallen mir plötzlich die größer werdenden Schlafsacklager und provisorischen Zelte auf, in denen Obdachlose campieren, nur einige hundert Meter vom Kanzleramt und vom Innenministerium entfernt. Da passt es, wenn auf einer Pressekonferenz Vertreter der Immobilienwirtschaft fordern, man solle in Berlin gefälligst mehr auf Eigentumsbildung statt auf Wohnraum für Arme setzen (Steht morgen im nd)
Auch den 14.Juli, den französischen Nationalfeiertag, mochte ich nicht wie so oft mit ein paar Austern, einem anständigen Rohmilchkäse und passendem Wein feiern. Ich war seit meiner Jugend des öfteren in Frankreich und habe das Land stets als Gegenentwurf zur piefig-preußisch-protestantischen deutschen Leitkultur empfunden und das nicht nur wegen seiner Genusskultur. Das alles ist nicht verschwunden, aber jetzt haben wir eine „Grande Nation“, die vor Deutschland kuscht und auf dem Weg ist, Marine Le Pen in den Elysée-Palast zu spülen.
Bleiben die kleinen Freuden. Wie z.B. das gestrige Feierabendbier an einem lauen Sommerabend im Vorgarten meiner Moabiter Kiezkneipe. Viele Leute, gelöste Stimmung, sogar gegrillt wurde ausnahmsweise. Aber nach ihrer Meinung zu Griechenland habe ich die dort zahlreich anwesenden flüchtigen Bekannten lieber nicht gefragt.