Wenn die selbst ernannte Prätorieranergarde der SPD zu ihrem Sommerfest einlädt, ist die Promidichte garantiert. Und so waren am Donnerstag neben vielen Bundestagsabgeordneten und wichtigen Funktionsträger auch Vizekanzler Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann unter den 900 Gästen im normal Sterblichen nicht zugänglichen Garten der Parlamentarischen Gesellschaft am Reichstag.
„Seeheimer Kreis“ nennt sich dieses einflussreiche sozialdemokratische Netzwerk. Die Seeheimer (früher auch “Kanalarbeiter” genannt) standen und stehen für so ziemlich alles, was an der SPD besonders eklig ist: Agenda 2010, Hartz-IV, Atomkraft, Verschärfung des Asylrechts, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rente mit 67 usw. Doch man hat auch in diesen Kreisen ein gewisses Gefühl für Stimmungen, und so wurde die bundesweit bekannte Flüchtlingshilfe-Initiative „Moabit hilft“ eingeladen, auf dem Fest an einem Stand Spenden zu sammeln. Ohnehin passen Charity und Ehrenamt sehr gut zu einer politischen Strömung, die sich den teilweisen Rückzug des Staates aus möglichst vielen Bereichen der sozialen Daseinsvorsorge auf die Fahnen geschrieben hat.
Es war zunächst ein recht zähes Unterfangen, obwohl Seeheimer-Vormann Johannes Kahrs in seiner Begrüßung ausdrücklich zu Spenden für „Moabit hilft“ aufgerufen hatte. Das ansehnliche Catering und die opulente Versorgung mit alkoholischen Getränken absorbierten die Aufmerksamkeit der Gäste fast komplett. Obwohl hier die Gehaltsklasse 4000+ (netto) überdurchschnittlich vertreten war, tröpfelten in den ersten vier Stunden nur schlappe 350 Euro in die Box. Immerhin: Eine leitende Mitarbeiterin im Bundesumweltministerium versprach, in den kommenden Tagen eine „Kiste voller Geld“ zu überreichen, welches von Mitarbeitern gesammelt worden sei.
Für die beiden Sammler der Initiative bedeutete das viel Muße und Zeit für gastronomische Betrachtungen. Pluspunkte gab es für die deftige Abteilung (Rippchen mit Kraut etc) und den großartigen Pflaumenkuchen. Sterbenslangweilig dagegen die Garnelenspieße, unambitioniert mariniert, schlapp gegrillt. Interessant allerdings die Erkenntnis, dass sich auch in SPD-Kreisen mittlerweile eine gewisse Weinkultur etabliert hat. Es gab einen wunderbar stahlig-mineralischen 2014er Brauneberger Riesling von Fritz Haag (Mosel) und einen klassischen, fruchtbetonten Spätburgunder mit feinen Kirsch- und Beerennoten ohne aufdringlichen Holzgeschmack vom Deutzerhof an der Ahr.
Nichts gegen Rippchen, Pflaumenkuchen und guten Wein, doch eigentlich wollte „Moabit hilft“ bei der Seeheimer-Sause möglichst viel Kohle einsammeln, um Flüchtlingen vor allem in der vollkommen überlasteten Erstaufnahmestelle in Berlin Moabit weiterhin Fahrtkosten, Medikamente und andere Dinge bezahlen zu können. Schließlich erbarmte sich mit Helge David Gilberg eine gut vernetzte Lichtgestalt der Karnevals- und SPD-Schwulenszene des spärlich gefüllten Spendentopfes und startete zusammen mit einem der Moabiter Sammler die „Aktion mobiler Ablasshandel“. Wenn Menschen, die politisch eher für Sozialabbau stehen, eine fünfstellige Summe locker vertrinken und verspeisen, sollte doch wenigstens eine vierstellige Summe für die Flüchtlingshilfe drin sein. Erbarmungslos wurden die fröhlichen Gesprächsrunden auf dem Areal abgeklappert und von dem Jecken-Profi freundlich, aber bestimmt zum Spenden aufgefordert. Nur wenige trauten sich zu verweigern, auffällig oft hörte man allerdings, dass die Geldbörse leider an der Garderobe sei.
Doch immerhin: Nach dem Rundgang befanden sich satte 1168 Euro in der Spendenbox. Und dafür können zwei Sammler einer ehrenamtlichen Initiative schon mal ein paar Stunden bei den Seeheimern verbringen. Zumal der Wein wirklich hervorragend war.