“Hallo Süße” oder: Mein Spamfilter hat glücklicherweise versagt

Mails mit der dem Betreff “Hallo Süße” werden in der Regel von meinem Spamfilter zuverlässig aussortiert. Doch diesmal hat das glücklicherweise nicht geklappt. Denn dahinter verbarg sich die Einladung zu einem Geschmacksworkshop, bei dem die sensorische Interaktion zwischen edelsüßen Weinen und diversen Speisen erkundet werden sollte. Bei Desserts und Käse ist diese Kombination mittlerweile allgemein anerkannt, und auch bei diversen Spielarten der asiatischen Küche sind süße Weine fast schon Mainstream. Und sonst? Spannende Frage.

Geladen wurde in die Cordobar in Berlin-Mitte, also jenen Ort, wo sich die Wein-Hipster treffen, um hinterher auf Facebook zu erzählen, was sie für geile Superweine gebechert haben und wie breit sie danach waren. Doch diesmal war zu früher Stunde in kleiner Runde seriöses Tasting angesagt. Es ging um die Winzerin Heidi Schröck aus Rust im Burgenland und ihre sensationelle Kollektion von edelfaulen Ausbruch-, Spätlese und Beerenausleseweinen, die sie seit über 25 Jahren auf vier Hektar kultiviert. Und es ging um ein paar geschmackliche Basics, die von der unglaublich charmanten Wiener Sensorikerin (diesen Beruf gibt es offenbar tatsächlich) Elisabeth Buchinger erklärt wurden. Wenn dann von “frontalnasalem” bzw. “retrotronasalem” Riechen die Rede ist, klingt das zunächst etwas abstrakt, aber wer sich die Nase zuhält, dann an einer süßen Kräuterpastille lutscht und schließlich die Nase wieder freigibt kapiert schnell, worum es geht. Auch die Zugabe von Salz zu einem bitteren, säuerlichen Grapefruitsaft macht einiges deutlich, denn dieser schmeckt dann kaum noch bitter und sauer, dafür umso süßer.

Heidi Schröck in ihrem Süßweinparadies

Dermaßen instruiert ging es an den praktischen Part, auf die Suche nach “süssophilen” und “süssophoben” Speisen, wie es die (ebenfalls unglaublich charmante) Veranstalterin Dorli Muhr von der Agentur Wine&Partners in ihrer Einladung formuliert hatte. Geboten wurden 15 Häppchen, von der Currywurst bis zum Apfelmus, vom Stilton-Käse bis zum Pastrami-Schinken,  auch ein Rote-Bete-Risotto, eine Gewürzgurke und eine geräucherte Hähnchenbrust durften nicht fehlen. Es wurde eine spannende Reise durch die Vielfalt edelsüßer Weine und ihrer Kombinationsmöglichkeiten. Denn Süßwein ist nicht gleich Süßwein, zwischen einer, jungen spritzigen Spätlese und einem fassgereiften Ausbruch Jahrgang 1989 liegen Welten. Mal hier ein Säurekick, mal da Karamell und Honig oder leichte Sherrynoten.

18 kommunikative Weinfreunde begaben sich auf diese Reise, darunter Gastronomen, Händler und Schreiber. Es gab Erweckungserlebnisse und Abstürze, verzückte “Ahhhs” und brummige “Hmmhs”. Meine persönlichen Favoriten waren der Ruster Ausbruch 2011 “Aus den Flügeln der Morgenröte” zum Gurkensalat und der Ruster Ausbruch 1994 zum Stilton und zum Rote-Bete-Risotto. Andere sahen das anders, aber das gehört dazu. Jedenfalls ein großartiger Nachmittag, der viel Stoff zum Nachdenken und zum experimentieren lieferte. Und die Weine von Heidi Schröck sind sicherlich eine sehr gute Adresse für den vertieften Einstieg in die Welt der Kombination von edelsüßen Weinen und Speisen. Dennoch: Zur Currywurst werde ich wohl auch künftig lieber ein anständiges Pils trinken.

 

 

 

 

 

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