Auf der Suche nach dem “spirit”

Zweimal im Jahr verlasse ich für mehrere Tage meine Politik- und Weinsphären, um in die Welt der Musik einzutauchen. Sowohl das Leipziger Bachfest als auch das Berliner Jazzfest sind für mich nicht nur Tage der Erbauung, sondern der Seelenreinigung.
Jetzt ist es wieder soweit. Um 19 Uhr wird als Opener im Haus der Berliner Festspiele das  „Splitter Orchester“ sein Statement zur möglichen Synthese freier und komponierter Musik abgeben. Das wird laut, das wird vielleicht auch ein bisschen anstrengend, aber es wird den Kopf freiblasen für die vielen weiteren Botschafter des deutschen und globalen Jazz, die sich bis zum Sonntag in Berlin tummeln.
Diesmal bin ich überhaupt nicht vorbereitet, habe mir im Vorfeld fast nichts von den angekündigten Bands und Solisten angehört, da ich noch bis gestern abend mit meinem 200.000 -Zeichen-Manuskript für ein Buch zur Flüchtlingskrise beschäftigt war. Das kann ein Vorteil sein: Keine Erwartungen, keine Vorbehalte, einfach nur eintauchen und treiben lassen. Und genau das ist das Wesen des Jazz: Kein definierter Musikstil sondern ein „spirit“.

Wenn er nicht den “spitit hat”, wer denn dann? Charles Lloyd spielt m Sonnabend mit seinem “Wild man dance project”

Im Magazin „Hintergrund“ schrieb ich dazu vor ein paar Wochen: “Was haben der Blues aus dem Mississippi-Delta, polyrhythmische Klangkaskaden aus Downtown Manhattan und akribisch durchkomponierte kammermusikalische Suiten  europäischer Avantgardisten miteinander zu tun?  Natür lich gibt es afro-amerikanische Traditionslinien des Jazz, die unter anderem Worksongs, Blues,  Gospel, Spirituals, Dixieland, Swing, Bebop,  Hardbop und Cool umfasst. Doch Mischungen dieser Ausdrucksformen und Adaptionen wie Latin-Jazz, Rhythm and Blues, Jazzrock und Folkjazz, vielfältige Zitate in der  „neuen Musik“, im Rock und beim Hip-Hop  sowie die musiktheoretische Durchdringung  der Jazzgeschichte bis hin zu einer quasi  wissenschaftlichen Jazz-Harmonielehre haben zu einer Vielfalt geführt, die sich einer Kategorisierung weitgehend entzieht – und  Musikern in der ganzen Welt ganz neue Freiräume eröffnet“.

Ob das Jazzfest 2015 „nur“ eine Aneinanderreihung von interessanten Konzerten war, oder in seiner Gesamtheit und seiner Atmosphäre besagten spirit hatte, weiß man erst nach dem letzten Ton am Sonntagabend. Ich warte gespannt auf die Handschrift des neuen musikalischen Leiters Richard Wiliams.
Den Eröffnungstag des Jazzfests habe ich jedenfalls angemessen begonnen. Zum Frühstück gab’s nicht nur Milchkaffee und frisch gepressten Saft (Rote Bete, Möhren, Apfel – lecker!!), sondern auch Miles Davis („Human nature) und Michael Wollny („be free, a way“). Alles wird gut, das „Splitter Orchester“ kann kommen

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