Ich liebe Abwechslung. Gestern abend habe ich noch in Moabit eine recht spannende Podiumsdiskussion über Flüchtlinge und Wohnungsbau moderiert und heute in Wandlitz Rasen gemäht und Beete gesäubert. Dann war natürlich ein kleiner Vorabend-Snack fällig. Gemäß dem Motto des prominentesten Ex-Wandlitzers, Erich Honecker: „Wer feste arbeitet soll auch feste feiern“.
Ein paar Austern, ein paar gegrillte Sardinen und der neue Elbling von Stephan Steinmetz erschienen mir angemessen. Sein 2015er hat – fast untypisch – viel Schmelz, wirkt eine Spur süßer als im Vorjahr, beschert aber dennoch den angemessenen Säurekick. Wer noch immer meint, Elbling wäre eine irgendwie doofe Rebsorte, sollte die Gelegenheit nutzen, die Ergebnisse des hervorragenden Jahrgangs 2015 zu probieren.
Zu Sardinen trinke ich eigentlich vorzugsweise Rosé oder ähnliches, doch das ging diesmal wirklich nicht. Der „Spätburgunder Weißherbst feinherb 2014“von Goswin Kranz aus Brauneberg (Mosel) ist – freundlich formuliert – eine Nullnummer. Keine Säurespiel, keine Spannung, nur ein wenig süßliche Frucht und ein merkwürdiger Mumpf im Abgang. Soll sich dennoch laut der Weinhändlerin, die ihn mir zum Verkosten gab, verkaufen „wie geschnitten Brot“. Kann durchaus sein, vor allem bei einer meist weiblichen, Prosecco-sozialisierten Klientel.
Dennoch alles ganz entspannt hier, doch mir liegt noch was schwer im Magen. Vor ein paar Tagen habe ich erfahren, dass eine musikbetonte Berliner Grundschule mit sehr hohem Anteil von Kindern aus muslimischen Familien ihre Teilnahme an der jährlichen Aufführung dieser Schulen in der Berliner Philharmonie absagen musste – weil die Aufführung in den Ramadan fällt, und die Kinder nach Meinung vieler Eltern in dieser Zeit nicht an derartigen Aktivitäten teilnehmen dürfen.
Ich weiß nicht, ob sich so ein Bullshit aus dem Koran ableiten lässt. Es ist mir auch herzlich egal. Die betreffende Schule wird seit langer Zeit als Leuchtturm integrativer musischer Bildung gerade für Kinder aus so genannten bildungsfernen Schichten abgefeiert, der Auftritt in der Philharmonie ist seit Jahren ein Highlight – und dafür gibt’s jetzt mal eben einen Tritt von Teilen der muslimischen Elternschaft. Nach besagter Podiumsdiskussion erzählte ich die Geschichte zwei Teilnehmerinnen, einer grünen Abgeordnete und einer sozial engagierten. Architektin. Reaktion: Man müsse halt auf die religiösen Gefühle der Eltern Rücksicht nehmen.
Hallo? Da läuft was gewaltig schief, und wenn wir das Thema Islam und Integration nicht der AfD überlassen wollen, müssen wir und was einfallen lassen.
So, der Frust ist fast verraucht, ich gönne mir noch eine 2. Ladung Sardinen und den Rest vom Elbling. Genuss ist schließlich Notwehr.