Wer schon immer mal wissen wollte, wie es an der Eingangstür zur Hölle klingt, der war beim Eröffnungskonzert des Leipziger Bachfestes am Freitag in der Thomaskirche vollkommen richtig. Max Regers im Herbst/Winter 2014 entstandenes Requiem-Fragment widmete sich dem Grauen der ersten großen Gemetzel des 1.Weltkriegs. Aus dem sehr dichten, düsteren, ja nahezu apokalyptischen Klanggerüst des Chores und des Orchesters brechen sich immer wieder Furcht, Entsetzen, flehende Klagen und Schreie der Angst ihre Bahn – und werden stets wieder eingefangen. Und wenn die Programmgestalter nicht auf die gute Idee gekommen wären, diesen Horror am Ende übergangslos mit einem tröstlichen Bach-Choral („Es ist genug,Herr, wenn es dir gefällt“) aufzufangen, wären schlaflose Nächte oder Albträume bei vielen Konzertbesuchern kaum zu vermeiden gewesen.
Ein fesselndes Werk, das so gar nicht zum kriegsbegeisterten Hurra-Patriotismus der ersten beiden Jahre des 1.Weltkriegs passen wollte. Und wohl von Reger auch deswegen nie fertiggestellt, geschweige denn aufgeführt wurde. Ein unglaubliche Leistung der Solisten, der beteiligten drei Chöre und vor allem des Dirigenten Gotthold Schwarz, der nach 17 Monaten als „Interimus“ am Donnerstag offiziell zum Thomaskantor ernannt wurde, als 17. Nachfolger von Johann Sebastian Bach. Wer so ein Werk so transpariert und detailversessen zum Klingen bringen kann ist definitiv keine Fehlbesetzung für diese große Aufgabe.
Schön, dass man es beim Bachfest stets auch etwas lockerer ausklingen lassen kann. Auf dem Marktplatz wurden von der deutsch-französischen Jugendakedemie einige kirchenmusikalische Werke der verdaulicheren Art dargeboten, es folgte ein ebenfalls gut anzuhörendes Crossover-Vocalquartett. Dazu ein gutes sächsisches Pils in der lauen Sommerluft, und die Reger’sche Apokalypse verliert ihren (heilsamen) Schrecken. Vergessen werde ich diese Aufführung allerdings nicht so schnell. Und das ist auch gut so