Auf derartig klare Worte haben viele Linke lange gewartet. Die Wahlen hätten gezeigt “dass man keine Politik machen kann, gegen einen großen Teil der Menschen”. Man werde jetzt „Fundamentalopposition betreiben”, denn in dieser Rolle sei man „viel stärker, als wenn wir Juniorpartner in einer Koalition wären.” Schließlich wolle man letztendlich eine „andere Republik“.
Na endlich, möchte man meinen. Wir brauchen tatsächlich eine politische Kraft, die den neoliberalen Konsens der Austeritätspolitik frontal und ohne faule Kompromisse angreift. Und wir brauchen tatsächlich eine Art anderer Republik, in der die Sozialsysteme, die öffentliche Daseinsvorsorge und somit die gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums wieder in den Mittelpunkt rücken.
Allerdings stammen diese markigen Worte weder von Sarah Wagenknecht noch von Katja Kipping, noch nicht einmal von einem der weitgehend einflusslosen Exponenten des linken Flügels der LINKEN. Sondern von Alexander Gauland dem Vizevorsitzenden der AfD.
Es ist müßig darauf hinzuweisen, dass die AfD so ziemlich für das exakte Gegenteil einer sozial und gesellschaftlich emanzipatorischen Politik steht. Ihrer dürre und an vielen Stellen widersprüchliche Programmatik ist von der schwurbeligen Idee eine nationalen Volksgemeinschaft durchzogen, die es sowohl gegen Zuwanderer als auch gegen soziokulturelle „Entartungen“ zu verteidigen gilt. Die AfD ist weniger eine Programmpartei, als vielmehr eine Projektionsfläche für eine sehr breites Spektrum von Menschen, die sich subjektiv in einem antagonistischen Widerspruch zu den herrschenden Eliten wähnen.Und das sind eben nicht nur plumpe, völkische Rassisten nebst materiell und soziokulturell abgehängten Menschen. Zwar hat die AfD nicht nur in Meck-Pomm überdurchschnittliche Stimmenteile bei Erwerbslosen, niedrig qualifizierten Arbeitern und allgemein Männern mit geringer Schulbildung. Doch auch bei Bürgern mit Hochschul- oder Fachhochschulreife beträgt ihr Anteil 16 Prozent, und das Gros ihrer Wähler verfügt über einen mittleren Schulabschluss, eine qualifizierte Berufsausbildung und ein durchschnittliches bis überdurchschnittliches Einkommen. Es ist im Kern eine Partei des Mittelstands, mit dezidiert sozialdarwinistischen Positionen gegenüber dem viel beschworenen Prekariat, bei dem man aber mit Antielitarismus, Fremdenfeindlichkeit und dumpfer Antimoderne in vielen Fragen der Gesellschaftspolitik punkten kann.
Entsprechend obsolet ist die in linken Kreisen populäre Idee, dass man das Phänomen AfD mit einer durchgreifenden Struktur- und Sozialpolitik weitgehend austrocknen könnte. Einer der wenigen lesenswerten Kommentare nach der Meck-Pomm-Wahl brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Die Anhänger der AfD wollen schlicht nicht, dass Flüchtlinge ins Land kommen. Sie wollen ein Deutschland wie vor 50 Jahren als Männer noch Männer, Frauen noch Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund noch Gastarbeiter waren. AfD-Wähler fühlen sich nicht unbedingt wirtschaftlich abgehängt – sondern kulturell“, schieb Hannah Beitzer am Montag in der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung und weiter: „Es geht in der Auseinandersetzung mit der AfD in erster Linie nicht um einen Klassenkampf sondern um einen Kulturkampf. Und der ist ungleich schwerer zu führen, weil er mit ein bisschen mehr Geld für Bedürftige nicht zu lösen ist. Wer vor vielen Jahren eine der ersten Lesungen eines Thilo Sarrazin besucht hat, auf denen entfesselte Bildungsbürger über Kopftuchmädchen, Hartz-IV-Empfänger und Gender-Gaga schimpften, hat das ahnen können.“
Rührend, aber eben auch das Ziel verfehlend sind Versuche wie die des DGB (unter dessen Mitgliedern sich etliche AfD-Anhänger befinden), ihre Klientel über die antisozialen Positionen der AfD „aufklären“ zu wollen. Denn jenseits kruder, neoliberaler Konzepte zur Arbeitsmarkt-, Renten- oder auch Wohnungspolitik bleiben die Fremdenfeindlichkeit, die soziokulturelle Antimoderne und das (partiell durchaus nachvollziehbare) Gefühl, von den Eliten ausgegrenzt und verachtet zu werden, als Markenkern der AfD. Und genau deswegen wird sie gewählt.
Natürlich gilt es weiterhin, gegen jegliche Form von Rassismus aufzutreten und für einen sozialen Politikwechsel zu kämpfen – auch und aktuell besonders gegen die AfD. Linke sollten jedoch nicht den Fehler machen, die AfD ebenso als Projektionsfläche zu nutzen, wie ihre Anhänger.