Bald ist es vorbei, Die Sackgesichter, die einem aus tausenden Plakaten angrinsen, werden samt ihrer dümmlichen Rarolen dorthin verschwinden, wo sie hingehören – in die Papiertonne.Einkaufen im Kiez ist dann auch kein Spießrutenlaufen zwischen eifrigen Zettelverteilern mehr. Schon heute war es deutlich ruhiger. Nur ein Gestörter belärmte meine ansonsten sehr ruhige Nebenstraße mit irgendwas mit „Berlin für Alle“. Für Alle? Nein, nicht für Alle, FÜR SPACKOS WIE DICH AUF KEINEN FALL!!!!!
Am Morgen durfte ich live im Inforadio des rbb als „besorgter Anwohner“ mit einem AfD-Kandidaten über Vertreibung aus dem Kiez durch explodierende Mieten und Möglichkeiten der Wohnungspolitik diskutieren. Die AfD hat eine verblüffend einfache Lösung. Wer Mietsteigerungen vermeiden will, sollte seine oder eine andere Wohnung einfach kaufen. Und das erzählt der tatsächlich live mitten in einem Stadtteil, in dem überdurchschnittlich viele Hartz IV-Empfänger, Geringverdiener und Grundsicherungsrentner leben. Strunzdumm erschien er mir nicht, eher zynisch und asozial. So ähnlich habe ich das dann auch im Radio gesagt.
Am Nachmittag produziert der Wahlkampf seine letzten postmortalen Ejakulationen. Die großen Parteien machen noch mal einen auf Großveranstaltung. Die SPD tritt mit ihren rhetorisch begnadeten Entertainern Müller und Steinmeier auf dem Winterfeldplatz an, es soll Gratis-Speed geben. Die Grünen radeln von einem Luxuswohnprojekt ihrer Kernklientel am Gleisdreieck zur Frankfurter Allee. Dort redet auch ihre Spitzenkandidatin Ramona Pop, und wer immer noch nach einen Grund sucht, die Grünen auf keinen Fall zu wählen, sollte sich eine Minute Ramona Pop anhören. Die LINKE ruft natürlich in den Osten, zum Alexanderplatz. Highlight soll die Rede eines jener tragischen älteren Männer sein, die ihren Verfallsprozess aufgrund übersteigerter Eitelkeit nicht in Würde gestalten können. Gregor Gysi hat nämlich beschlossen, vor dem letzten Gang nochmal schnell die Welt, bzw. Deutschland zu retten, indem er erneut für den Bundestag kandidiert und dann „rot-rot-grün“ in die Wege leitet. Was natürlich entweder nichts oder eine Katastrophe wird.
Die CDU hat ihr Berliner Wahlkämpfchen schon Mittwoch beendet. Angela Merkel ließ sich ordnungsgemäß von einer Horde AfD-Anhänger und Neonazis auspfeifen, und Spitzenkandidat Frank Henkel machte einen auf Durchhalteparolen, obwohl die Klatsche für die CDU so sicher ist, wie die nächste deutsche Meisterschaft von Bayern München. An selbigem Mittwoch hat das Landgericht dem scheidenden Innensenator noch ein schönes Abschiedsgeschenk überreicht. Es entschied bereits in 2. Instanz, dass der von ihm zu verantwortenden martialische Polizeieinsatz gegen ein linkes Hausprojekt komplett rechtswidrig war.
Wie bereits angedeutet: Der Wahlkampf war langweilig, weil das Ergebnis in groben Zügen schon seit Wochen faktisch feststeht. Es wird eine Koalition aus SPD,Grünen und LINKEN geben müssen, da es keine andere umsetzbare Regierungsmehrheit geben wird. In den Hinterzimmern wird schon längst am Koalitionsvertrag und an der Senatorenliste gebastelt, was eigentlich auch jeder weiß.
Zeit für eine kleine Prognose: Die SPD gewinnt mit 20-21,5 %. CDU und Grüne kämpfen um die Plätze 2 und 3, beide im Bereich zwischen 17-19 Prozent. Auch die Plätze 4 und 5 sind noch umkämpft, LINKE und die AfD werden zwischen 14 und 16 Prozent erhalten. Die FDP könnte es dank ihres redundanten Ein-Punkt-Wahlkampfs für die dauerhafte Offenhaltung des Flughafens Tegel mit 5 Prozent wieder in das Abgeordnetenhaus schaffen – ein beredtes Zeugnis der Blödheit vieler Berliner Wähler. Und was ist mit den Piraten? Die hatten bei der letzten Wahl immerhin 9,8 Prozent. Doch die haben sich längst komplett zerschossen und rangieren irgendwo unter „Sonstige“ mit vielleicht 2 Prozent.
Ich habe bereits vor ein paar Wochen gewählt. Natürlich die einzige Partei, die angesichts dieser wirren Spaßvögel, Trolle und Schwachmaten überhaupt wählbar ist, nämlich Die PARTEI. Aber ich fürchte, für deren überzeugendes, ja alternativloses Politikangebot („Inhalte überwinden“) sind die meisten Berliner noch nicht reif.
Bevor noch ein weiterer Trottel blökend durch Moabit zieht oder irgendwelche Zombies mich noch in letzter Sekunde auf der Straße überzeugen wollen, habe ich das Weite gesucht. Wandlitz ist derzeit wahlkampffreie Zone. Ich muss mich lediglich noch entscheiden, ob ich zu den Weinbergschnecken, die ich bald in den Ofen schiebe, den Silvaner von Rainer Sauer oder den Riesling vom Hessischen Staatsweingut öffne. Das ist viel komplizierter als die Berliner WahL