Kein Grund zur Aufregung

Angesichts des beeindruckenden Unfugs, der jetzt über das Ergebnis der Berliner Wahlen verbreitet wird, ist es Zeit für die ultimative Analyse. Und sowas bleibt dann immer an mir hängen. Dazu einige Thesen:

1.) Sieger der Wahlen zum Abgeordnetenhaus ist die Berliner Sozialdemokratie mit rund 37 Prozent. Dass es dabei zu internen Verschiebungen zwischen SPD und LINKEN kam ist zweitrangig und höchstens mental und in Bezug auf die Postenverteilung von Interesse.

2.) Auch das konservativ-wirtschaftsliberale Lager hat nicht wirklich verloren und kam auf rund 24 Prozent. Der FDP ist gelungen mit ihrem bescheuerten „Tegel muss offenbleiben“- Wahlkampf der CDU einiges abzunehmen. In der abgeschmierten CDU wird jetzt allerdings ein fröhliches Hauen und Stechen losgehen, da Henkels Anbiederungskurs an die AfD-Klientel grandios gescheitert ist. Und dass dieser eklige Schmierlappen und Möchtegern-Rambo (Rigaer Straße!!) jetzt in der Versenkung verschwindet, ist ein Wert an sich.

3.) Die Grünen haben im Vergleich zur letzten Wahl Stimmen verloren, ihre Position als Interessenvertreter des „alternativen“ Bürgertums aber weitgehend behaupten können. Das zeigt auch ein Blick auf die Wahlkreise, wo sie besonders stark sind, nämlich in jenen innerstädtischen Quartieren, wo die Gentrifizierung bereits deutliche „Erfolge“ bei der Vertreibung der Alt-Anwohner gezeitigt hat.

4.) Der Erfolg der AfD war erwartbar und bemisst sich prozentual eher am unteren Rand des Potenzials. Auch hier ist keine Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse zu erkennen, da die von ihr repräsentierte Strömung einer dumpfen Ausländerfeindlichkeit nebst allgemeiner dumpfer Antimoderne zuvor im Umfeld anderer Parteien (besonders CDU und LINKE) sowie unter den Nichtwählern in der jetzt im Wahlergebnis sichtbaren Größenordnung manifest war.

5.) Die LINKE konnte ihre Verluste in diese Richtung mehr als kompensieren. Vor allem im Westen bediente sie sich erfolgreich aus der Konkursmasse der Piraten, die bei der letzten Wahl 9,8 Prozent erhalten hatten (im Westen sogar deutlich mehr). Ferner profitierte sie von der Amnesie vieler Wähler, die offenbar verdrängt haben, für welche Schweinereien diese Partei in „rot-roten“ Regierungszeiten mitverantwortlich war.

Neue Politiker braucht das Land.
Quelle: Die PARTEI Pankow

6.) Bereits Wochen vor der Wahl stand faktisch fest, dass es zu einer „rot-rot-grünen“ Koalition kommen wird. Längst kursieren Eckpunkte für einen Koalitionsvertrag und Postenlisten. Das Gedöns von SPD-Müller, dass man zunächst alle denkbaren Möglichkeiten , also auch „rot-schwarz-grün“ und „rot-schwarz-gelb“ (FDP) sondieren wolle, gehört in die Kategorie lächerliche, abtoßende Politikrituale.

7.) Interessante Verschiebungen gibt es allerdings in den Bezirksverordnetenversammlungen, in denen keine Koalitionen, sondern lediglich „Zählgemeinschaften“ möglich sind, die vor allem der Wahl des jeweiligen Bürgermeisters dienen. Die Bezirksämter selbst werden streng nach Ergebnisproporz besetzt. Die AfD wird nicht nur im tiefen Osten mehrere Stadtratsposten erhalten, sondern auch in Neukölln, Reinickendorf und Spandau. Die Wahlergebnisse haben dazu geführt, dass die meisten der bisherigen Zählgemeinschaften keine Mehrheiten mehr haben. Davon werden im Westen die Grünen und im Osten die LINKE profitieren, die zusammen 6-7 der 12 Bezirksbürgermeister stellen könnten, die CDU – wenn überhaupt- dagegen maximal 2. Zumindest in der Wohnungspolitik könnte das für einige positive Impulse sorgen (besonders mögliche Ausweitung und Ausgestaltung des Milieuschutzes.)

8.) Die neue Landesregierung wird sich relativ schnell auf einige Eckpunkte verständigen, besonders in den Bereichen Wohnungs-, Bildungs-, Verkehrs- und Integrationspolitik und für die Reorganisation der maroden Verwaltung. Es gibt wenig Grund zur Hoffnung, dass dies tatsächlich zu einem „Politikwechsel“ im Sinne einer sozialen Ausrichtung der Politik führen wird., zumal es keine starke außerparlamentarische Oppositionsbewegung dafür gibt. In ein paar Monaten wird man dazu mehr sagen können.

9.) Die viele beschworene „Signalwirkung“ von „rot-rot-grün“ für die Bundesebene dürfte sich in Grenzen halten. Zum einen ist eine Mehrheit für diese Konstellation bei den kommenden Bundestagswahlen ziemlich unwahrscheinlich. Für die LINKE wäre dieses Bündnis zudem damit verbunden, NATO-Kriegseinsätze , Waffenexporte, die aggressive Politik des deutschen Kapitals gegenüber anderen EU-Staaten, die „Partnerschaft“ mit der Türkei und anderen Terror-Regimes, die Hartz-IV-Gesetze u.v.a.m. weitgehend vorbehaltlos zu akzeptieren. Es gibt in der LINKEN starke Kräfte, die das auch wollen, um endlich mitregieren zu können. Was das bedeuten würde, sprengt meine Fantasie. Auf alle Fälle wäre es ein Desaster.

10.) Schluss jetzt! Denn ein Ergebnis der Berliner Wahlen ist nun wirklich ein Grund zum Feiern. Knapp 32.000 kluge Menschen haben die PARTEI gewählt, die damit ihr berlinweites Ergebnis auf zwei Prozent fast verdoppeln konnte. Hurra! In Kreuzberg-Friedrichshain zieht die PARTEI mit 4,6 Prozent sogar erstmals in eine Bezirksvertretung ein, gleich mit zwei Abgeordneten. Hurra, Hurra!

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