Fröhliche Weihnachten mit Erdogan

Natürlich ist es absurd, dass in einer staatlich anerkannten deutschen Schule in Istanbul keine Weihnachtslieder gesungen und Adventskalender mehr gebastelt werden dürfen. Und es ist auch vollkommen richtig, sich darüber aufzuregen.

Aber es ist auch eine willkommene Ablenkung von den eigentlich wichtigen Geschehnissen. In der Türkei herrschen in trauter Eintracht staatliche Willkür und islamistischer Mob, man kann ohne Übertreibung von faschistischem Terror sprechen. Fast alle gewählten Bürgermeister der demokratischen Oppositionspartei HDP sowie deren Führungsspitze und diverse Parlamentsabgeordnete sitzen im Gefängnis. Ein Schicksal, das sie mit tausenden Journalisten und Lehrern teilen. Überall im Land werden die Büros der HDP angezündet, besonders im kurdischen Teil der Türkei sind Lynchmorde an der Tagesordnung.

In Deutschland lebende Türken werden offiziell aufgefordert, Oppositionelle zu denunzieren , die staatliche Religionsbehörde, als deren verlängerter Arm in Deutschland DITIB agiert, schickt sich an, hiesige Moscheevorstände zu säubern. Auch hier häufen sich gewalttätige Übergriffe auf Vereine und Einzelpersonen, die vom AKP-Regime als „Terroristen“ angesehen werden, wobei dies mittlerweile ein Sammelbegriff für alles und alle ist, die den Kurs von Erdogan nicht unterstützen.

Die Bundesregierung und die Behörden quittieren das mehr oder weniger mit einem Achselzucken. Man stützt und bezahlt das Erdogan-Regime, damit es uns die Flüchtlinge vom Hals hält. Man schickt auch weiterhin Waffen in Türkei, die u.a. gegen die kurdische Zivilbevölkerung oder die – offiziell eigentlich unterstützten – kurdischen Milizen in Syrien eingesetzt werden.

Hat das alles was mit dem Islam zu tun? Ja und nein, aber das will ich hier nicht weiter vertiefen. Offensichtlich ist allerdings, dass der sunnitische Islam offensichtlich die Grundlage für diktatorische und eliminatorische Strömungen bildet, sei es in Form des IS, sei es in Form des türkischen (und auch saudischen) Staatsterrorismus. Solche Ausprägungen gibt es allerdings auch unter schiitischer Flagge, wie die jüngere Geschichte des Iran veranschaulicht.

Religion ist nach unserem Staatsverständnis Privatsache. In diesem Sinne ist die Religionsfreiheit ein hohes Gut, das niemand in Frage stellen sollte. Dazu gehört auch der Bau von Moscheen. Das heißt aber auch, dass jeglicher normative Anspruch von Religionen auf die Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen und säkularen Grundprinzipien strikt unterbunden werden muss. Das spezielle Arbeitsrecht der christlichen Kirchen gehört daher ebenso auf den Müllhaufen, wie das Recht der türkischen Religionsbehörde, in deutschen Moscheen nach eigenem Gutdünken zu agieren. Und es geht auch um die „weltliche“ Ebene. Natürlich gibt es viele gute Gründe und Notwendigkeiten, faschistische Organisationen wie die NPD oder „Freie Kameradschaften“ zu verbieten. Doch es darf auch keine Toleranz für die faschistische Propaganda von Erdogan-Anhängern geben. Im Gegenteil: Der deutsche Staat muss hier lebende, oppositionelle Türken und Kurden mit allen Mitteln davor schützen.

Tut er aber nicht. Weil Erdogan ein „wichtiger Verbündeter“ ist. Na dann: Frohe Weihnachten.

 

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