Nein, es gibt jetzt keine Abhandlung über die Politik der Kommunistischen Partei Chinas in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Doch der damals propagierte „Kampf zweier Linien“ zwischen Revolutionären und Opportunisten lässt sich durchaus auf die Beurteilung professioneller- und ambitionierter Hobbyköche übertragen.
Da gibt es auf der einen Seite die Guten. Das sind die Puristen, die Qualität und Eigengeschmack des Ausgangsproduktes in den Mittelpunkt stellen und durch Art der Zubereitung, Würzung sowie die gewählten Beigaben hervorheben. Zu denen gehöre ich.
Auf der anderen Seite sind die Bösen. Das sind jene Geschmacksglobalisierer und Cross-over-Fetischisten, die alles, aber wirklich alles „aufpeppen“ oder „verfeinern“ wollen. Sie verpampen Spargel mit Saucen, wälzen Miesmuscheln in Marinaden, wollen frische Sardinen unbedingt füllen (statt sie nur mit Zitrone und Meersalz gewürzt auf den Grill zu packen) oder zum Wildschwein eine Schokoladensoße reichen. Zu denen gehört mein alter Freund Schellenberg, der sowohl die Wendung vom Stalinisten zum Reformisten, als auch die berufliche Metamorphose vom Tankwart zum Behördenknecht geschafft hat, was wohl alles sagt und auch geschmackliche Irrwege erklärt.
Angesichts des recht simplen Koch- und Trinktipps den ich für heute anzubieten habe, ist das eine ziemlich ausschweifende Vorrede. Aber wie dem auch sei: Es ist Muschelzeit! Kaufen Sie Miesmuscheln (500 Gramm pro Person). Besorgen Sie sich – falls nicht vorhaden – einen Dämpfauf- oder -einsatz für einen ihrer größeren Töpfe. Kochen sie in dem Topf einen Sud auf, z.B. aus Wasser, Weißwein, Knoblauch, Frühlingszwiebeln und ein wenig Meersalz. Lassen Sie die Muscheln in dem Dampf des Suds garen, bis Sie sich geöffnet haben und beenden Sie den Vorgang, bevor sie schrumplig und zäh geworden sind. Öffnen sie einen guten, trockenen, mineralischen Riesling. Essen Sie die Muscheln (vielleicht Baguette dazu) , trinken Sie den Wein und alles wird Gut.
Ganz genau! Am besten kocht man entweder geradeaus mit frischen Zutaten oder gar nicht. Wenn man sich an diese Linie hält, darf man auch mal davon abweichen, denn Dogmatismus ist öde und führt zu geistiger, politischer und kulinarischer Stagnation. http://www.kochbar.de/rezept/446221/Muscheleintopf-mit-Dill-Tomate-und-Schmorgurken.html
Natürlich darf variiert werden. Und erneut helfen politische Leitsätze:. “Ist die Linie festgelegt, entscheiden die Kader alles”. Aber Muscheln mit Dill??
Muscheln und Dill – das erscheint mir nicht sehr exotisch. http://madameanneauxfourneaux.blogspot.com.es/2012/03/moules-la-creme-de-moutarde-et-laneth.html
Es spricht aber auch nichts dagegen, den Dill durch Estragon zu ersetzen. http://grelinettecassolettes.over-blog.com/article-moules-de-bouchot-tres-estragon-107644666.html
Ihr eintrag, Kampf zweier Linien | Genuss ist Notwehr, ist gut geschrieben und aufschlussreiche. Herzlichen Grüßen!
— Elijah