Cool Climate in Spanien

 

Heute wird ausnahmsweise mal niemand beschimpft oder verunglimpft. Es werden auch keine Rettungskampagnen für geschändete Lebens- und Genussmittel gestartet. Heute wird hier mal einfach guter und vor allem spannender Wein getrunken. Und zwar aus Spanien.

Spanien hat mehr zu bieten als Tempranillo

Wie bitte? Spanien?? Das sind doch diese Dumpftropfen. Schwer, wenig nuanciert, oftmals marmeladig und vollkommen überladen mit Holz- und Vanillenoten. Auch Weine der vermeintlich höchsten Qualitätsstufe (Gran Reserva) sind vielfach kein Deut besser, und werden für Minipreise in Supermärkten und Discountern verhökert. Spaß machen sie in der Regel nicht

Dabei braucht sich Spanien, was Vielfalt seiner Weinkultur betrifft, vor niemandem zu verstecken. Wer die mastigen Holz-Frucht-Bomben aus den Regionen Rioja, Navarra oder La Mancha nicht mehr sehen oder gar trinken mag, kann jede Menge elegante, „kühle“ und sehr komplexe Weine entdecken, egal ob weiß oder rot.

Noch ein Geheimtipp sind beispielsweise die kleinen Anbaugebiete in Nord- und Nordwestspanien, die stark vom atlantischen Klima beeinflusst sind, was unter anderem wesentlich mehr Regen als im Süden und ausgesprochen kalte Winter bedeutet. Hier findet man auch Restbestände autochthoner Rebsorten in teilweise uralten Weinbergen. Auch heutzutage archaisch anmutenden Vergärungsmethoden, wie beispielsweise im offenen Holzfass, werden dort teilweise noch gepflegt.

Dies gilt auch für die kleine Bodega Emilio Rojo im Anbaugebiet Ribeiro. Deren gleichnamige 2011er Weißwein-Cuvée (65% Treixaduro, 15% Loureiro Albarino, 10% Torrontés, 10% weitere Sorten) präsentiert sich als sternenklarer Tropfen voller reifer, aber nicht überreifer Früchte, mit schönen Zitrustönen und einer feinen Salznote als Krönung.  Der Ausbau im großen Fuderfass verleiht des Wein angemessenen Schmelz, ohne auch nur den Hauch einer Holzlastigkeit zu vermitteln.  Der hohe Anteil der in Spanien sehr seltenen Sorte  Treixaduro, die im benachbarten portugiesischen Anbaugebiet Minho unter dem dem Namen Trajadura auch für die Herstellung von Vinho Verde zugelassen ist, sorgt trotz aller Komplexität für Frische und Spritzigkeit.  Der bekannte „schmeckt so ähnlich wie….“-Reflex bleibt aus, da man es mit einem faszinierenden, unverwechselbaren Unikat zu tun hat. Der Wein ist nicht ganz billig und aufgrund der geringen Menge (maximal 15.000 Flaschen, jahrgangsbedingt oftmals auch weniger) auch schwer aufzutreiben.  Noch erhältlich ist er bei uvinum.

Begeistern kann ferner ein ebenfalls vollkommen „unspanischer“ Rotwein namens „Lacima“ der zu 100 Prozent aus der Rebsorte Mencia gekeltert wird.  Die Bodega Dominio do Bibei liegt in dem Anbaugebiet D.O. Ribeira Sacra, im äußersten Nordwesten Spaniens. Auf rekultivierten Terrassenlagen werden dort auf biodynamischer Grundlage ausschließlich heimische Sorten angebaut,  auch hier prägt das atlantische Klima den Vegetationsverlauf und ermöglicht die Herstellung „cooler“ Weine.

Der Lacima 2009 bereitet trotz der noch etwas ruppigen Tannine (der teilweisen Vergärung mit Rappen geschuldet) bereits jetzt sehr viel Freude. In der Nase dominieren zunächst reife Kirchen, am Gaumen entfalten sich starke Kräuternoten, besonders Thymian und Rosmarin. Der mit 13% Alkohol sehr schlanke Wein besticht ferner mit herrlicher Mineralität und enormer Dichte.  Vertrieben wird der Wein von Viniberica .

Das ist natürlich noch nicht einmal ein Ausschnitt der vielfätigen „Cool-Climate-Szene“ in Spanien. Wer selbst auf Entdeckungsreise gehen will, sollte sich einfach mal  nach Weinen aus Regionen wie Ribeiro, Rias Baixas oder Ribeira Sacar erkundigen. Es lohnt sich.

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