Die Beusselstraße in Berlin-Moabit gilt eher als sozialer Brennpunkt und Kriminalitätsschwerpunkt, denn als Paradies für Weinliebhaber. Doch neben Spielhallen, obskuren Imbissen und zwielichtigen Dienstleistern befindet sich dort auch die Filiale eines bekannten Berliner Getränkegroß- und Einzelhändlers mit dem markanten Werbeslogan „Ick koof bei Lehmann“. Auch das nicht unbedingt eine Empfehlung: Ist der Laden doch eher für sein großes und günstiges Angebot an Bier und Spirituosen als für edle Weine bekannt.
Obwohl in der Nähe wohnend , suche ich die Beusselstraße selten auf, denn sie ist einfach abgrundtief nervig und hässlich. Doch gestern landete ich dort, und mein Faible für lebenskulturelle Feldforschung ließ mich den örtlichen „Lehmann“ aufsuchen.
Wie nicht anders zu erwarten eine komplett verrumpelte Einkaufstätte mit allerlei eher unübersichtlichen Regalen und gestapelten Kisten. Wenig erwartungsvoll inspizierte ich das unsortierte Weinregel – und kam aus dem Staunen kaum noch heraus. Zwischen „Liebfrauenmilch“, „Blanchet“, Billig-Soave und ähnlich Ungenießbarem versteckten sich feinste deutsche Weine – zu erstaunlichen Preisen. Unter anderem Guts- und Lagenweine von Spiess, Knebel, Franz Keller, Robert Weil, Balthasar Ress, Diehl, Becker-Landgraf, Bürklin-Wolf und, und und ….
Ich entschied mich für den 2014er Gutsriesling von Knebel für 6,50. Der Verkäuferin beichtete ich mein Erstaunen über diese Schätzchen, verbunden mit milder Kritik an der Unübersichtlichkeit. Konnte sie nachvollziehen, aber sie habe die Filiale gerade erst neu eröffnet und werde zeitnah für ein bisschen Ordnung sorgen.
Wie dem auch sei: Wer sich vom Ambiente des Ladens und der schrecklichen Beusselstraße nicht abschrecken lässt, kann hier richtig gute Weine für kleines Geld finden, sofern er sich ein bisschen auskennt.