Der Preis des billigen Weines

Der folgende Artikel erschien am Freitag in „Neues Deutschland“ und ist online nur für Abonnenten verfügbar

Wein aus Südafrika erfreut sich in Deutschland seit vielen Jahren wachsender Beliebtheit. Die Importmenge hat sich seit dem Jahr 2000 verfünffacht. Die vor allem aus den weltweit beliebten Rebsorten Cabernet Sauvignon und Chardonnay sowie der einheimischen Kreuzung Pinotage gewonnenen Rot- und Weißweine weisen ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auf und werden daher von allen großen Discounter- und Supermarktketten angeboten. Also jenen Einkaufsstätten, in denen über 75 Prozent aller Weine in Deutschland angeboten werden. Die Preise liegen in der Regel zwischen 1,59 und 2,79 Euro pro Flasche, in dem mit Abstand größten Preissegment im deutschen Weinhandel. Die Konkurrenz ist hart, denn in diesem Segment tummeln sich besonders bei Rotweinen auch Großproduzentenaus Frankreich, Spanien, Italien und fernen Anbaugebieten wie Chile, Australien und Kalifornien, die aufgrund eines hohen Mechanisierungsgrades sehr günstig produzieren können. Höhere Preise sind daher von den Produzenten nicht durchzusetzen, da die großen Kellereien und Handelsketten als wichtigste Marktakteure jederzeit auf Alternativen zurückgreifen können. Denn weltweit werden pro Jahr im Durchschnitt30 Millionen Hektoliter mehr Weinproduziert als verkauft.Was die Handelskonzerne und die Verbraucher freut, bedeutet für die Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Südafrika extreme Ausbeutung bis hin zu Formen der modernen Sklaverei.

Trotz internationaler Unterstützung durch entwicklungspolitische, kirchliche und gewerkschaftliche Organisationen, ist es bislang nur punktuell gelungen, den menschenunwürdigen Zuständen auf den riesigen Weinplantagen Einhalt zu gebieten. Auf einer unter anderem von Oxfam organisierten Rundreise durch mehrere deutsche Städte berichteten Betroffene eindringlich über ihre Erfahrungen.»Wir sind vollkommen rechtlos. Oftmals bekommen wir nicht mal den gesetzlichen Mindestlohn.Wenn wir krank sind, bekommen wir überhaupt kein Geld«, schilderte die Landarbeiterin Marai Balie die Lage bei einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung inBerlin. Auf vielen Plantagen gebe es kaum oder gar keine sanitären Einrichtungen, auch die medizinische Versorgung sei vollkommen unzureichend. Die Arbeitstage dauerten oftmals 12 Stunden und mehr, und dies unter katastrophalen Bedingungen. So würden regelmäßig gesundheitsgefährdende Pestizide eingesetzt, ohne dass die Arbeiter Schutzkleidung erhielten. »Und wer dagegen protestiert, muss damit rechnen, einfach entlassen zu werden«, so Balie weiter. Die Plantagenbosse verwiesen dann auf unzählige bitterarme Zuwanderer, vor allem aus Lesotho, die den Job jederzeit machen würden, ohne sich zu beschweren.

Zwar gibt es in Südafrika seit 2006 die unabhängige Landarbeitergewerkschaft CSAAWU, aber »wir sind nach wie vor viel zu schwach, um dieser extremen Ausbeutung flächendeckend etwas entgegenstellen zu können , so ihr Vertreter Karel Swart. Die alten Machtverhältnisse zwischen weißen Bossen und schwarzen Arbeitern, aber auch zwischen Männern und Frauen seien »noch immer tief in den Köpfen der Menschen verankert«. Da auf den Plantagen hauptsächlich saisonal beschäftigte Wanderarbeiter tätig sind, sei die Organisierung »extrem schwierig«.Dennoch sei es vor allem nach punktuellen Landarbeiterstreiks in den Jahren 2012 und 2013 gelungen, die Vernetzung voranzutreiben und Kontakte in allen Landesteilen aufzubauen. Aber dies sei nach wie vor sehr gefährlich, denn die Bosse würden rigoros gegen die Gewerkschaft vorgehen,»und von der Regierung können wir auch keine Hilfe erwarten«, so Karel Swart. Denn die sorgt sich vor allem um den boomenden Agrarexport, bei dem Wein eine wichtige Rolle spielt. Sonderlich profitabel ist dieser Sektor trotz extremer Ausbeutung allerdings nicht, die meisten Farmen werfen nurwenig Gewinn ab.

Das liegt vor allem an der Wertschöpfungskette, die von den Abnehmern dominiert wird. 14 Cent erhalten die Farmer im Schnitt für ein Kilo Trauben, das in Südafrika gekeltert und vinifiziert wird. Über 80 Prozent dieser Weine gehen dann als Tankware in großen Containern in den Export, davon 15 Prozent nach Deutschland. Die hiesigen Großkellereien zahlen für füllfertige, qualitativ einwandfreie Weine je nach aktueller Marktlage zwischen 40 und 80 Cent pro Liter, die Preise sind binnen zehn Jahren um fast 50 Prozent gefallen. Die Kellereien verschneiden die einzelnen Partien anhand der von den Ketten vorgegebenen Geschmacksprofile, füllen sie ab und etikettieren sie, oftmals in Chargen von mehreren Millionen Litern. Würden die Flaschen in Südafrika abgefüllt werden, verbliebe ein deutlich höherer Anteil des Endverbraucherpreises im Land und auch bei den Plantagenbesitzern. Für Trauben,die für den Flaschenexport vorgesehen sind, erhalten sie in der Regel 30 Cent pro Kilo, also doppelt so viel wie für die Tankware.

Doch extreme Ausbeutung auf Wein- und anderen Obstplantagen ist auch in Europa weiterhin auf dem Vormarsch. Ivan Ivanov vom Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen (EMWU) verweist auf Millionen syrische und andere Flüchtlinge und Wanderarbeiter in der Türkei und in südeuropäischen Regionen wie Apulien. Durch ihren Einsatz würden »alle bislang erreichten Standards kaputt gemacht« und zudem Ressentiments gegen Flüchtlinge geschürt. Ivanov fordert daher die Kopplung sämtlicher Agrarsubventionen in Europa und Hilfsgelder für andere Staaten an die Einhaltung von verbindlichen Mindeststandards für Landarbeiter.

Die in dieser Frage engagierten Organisationen sehen zwei Handlungsstränge. Zum einen müsse die internationale Solidarität mit den vor Ort gegen die Missstände kämpfenden Gewerkschaften intensiviert werden, so Simone Knapp von der kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA). Oxfam will indes vor allem Druck auf die großen Kellereien und Handelsketten ausüben, endlich Verantwortung für die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auf den Weinplantagen zu übernehmen. Dabei sei auch die Bundesregierung in der Pflicht. Diese müsse Importeure und Handelsketten auf gesetzlichem Wege verpflichten, »dafür zu sorgen, dass Menschenrechte in deren Lieferketten geachtet werden«, heißt es in einem Thesenpapier zur Rundreise der südafrikanischen Plantagenarbeiter. Diese Sorgfaltspflicht umfasse auch »die Zahlung fairer Preise und das Einhalten fairer Handelspraktiken«.Denn auf den an Billigweine aus Südafrika gewöhnten deutschen Verbraucher setzt man wohl wenig Hoffnungen

 

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