Ohne politisches Statement geht heute kaum noch was. Und so widmete Richard Williams, der künstlerische Leiter der Berliner Jazzfestes, die diesjährige Ausgabe auch der Refletion einer „Welt, in der tagtäglich Mauern errichtet und Grenzen befestigt werden“ statt „im Geiste von Offenheit und Inklusion zusammenzunarbeitern“. Na denn….
Zwei Klubkonzerte in der gut eingeführten Kreuzberger Party-Location Lido eröffneten diesmal das Festival. Doch für die meisten Besucher war das erste Konzert auf der Hauptbühne im Haus der Berliner Festspiele der „eigentliche“ Beginn. Hier sitzen dann die, die immer hier sind, und dabei natürlich auch immer älter werden. Doch auf die Bedürfnisse eines Seniorentreffens war das Programm nicht unbedingt zugeschnitten.
Was nicht heißt, dass das Tysham Sorey Trio zu avantgardistisch daherkam. Im Gegenteil; die drei erkennbar mit ihren Instrumenten (Piano, Bass, Drums nebst allerlei Schlagwerk) bestens vertrauten Herren zelebrierten wenig mehr, als das mittlerweile reichlich angestaubte Avantgarde-Spektakel: Peng, Zirp, Schab, Fiep, Crash, Donner, KlängKläng. Was im Programm als „radikal“ oder „Suche nach neuen Wegen“ bzw. „Klangräumen“ angepriesen wurde, war schon in den 1980er Jahren in einer bestimmten New Yorker Club-Szene fast Mainstream. Ja, man kann dabei auch Strukturen erkennen oder wenigstens erahnen. Doch irgendwie ist das mehr Klangerzeugung als Musik. Dass es auf dem Berliner Seniorentreffen nicht sonderlich gut ankam, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Anschließend führte der norwegische Komponist, Arrangeur und Dirigent Geir Lysne mit der von ihm geleiteten NDR-Bigband seine Suite „Abstracts from Norway“ auf, eine Art Hommage an das reichhaltige Schaffen norwegischer Jazzmusiker in den vergangenen Jahrzehnten. Eine äußerst gut gelaunte und ausgesprochen rockige norwegische Rhythmusgruppe trieb die gewohnt präzisen Bkäser der Bigband durch ein gefällig-gefühliges Programm zwischen Balladen und Midtempo-Jazz-Rock-Stücken. Nur der Gitarrist Eivind Aarset beschäftigte sich allzu intensiv mit seinen Soundeffekten, statt mal richtig loszuknacken. Gepflegte, nein, seeehr gepflegte Abendunterhaltung mit einem Bandleader Lysne, der sich zwar bisweilen wie ein bekiffter Solotänzer in einer psychedelischen Diskothek in den 1970er Jahren bewegte, aber musikalisch eigentlich wesentlich mehr im Köcher hat, als diese Suite. Was nicht heißen soll, dass es nicht doch irgendwie sehr angenehm und schön war.