Nochmal richtig durchgepustet

Wenn schon Bebob, dann auch bitte1schwarz-weiß. Auch Till Brönner….

…und Greg Tardy mischten bei der Monk-Party kräftig mit

Der Arrangeur uns Komponist John Beasley rief, und alle kamen zur großen Party, die es am Sonntag zum Abschluss des Berliner Jazzfestes zu zelebrieren gabt. Schließlich galt es in diesem Jahr sowohl den 100. Geburtstag des Bebop-Pioniert Thelonious Monk als auch das Ende der dreijährigen Ära Richard Williams als Leiter des Festivals zu feiern, Beasley und sein MONK’estra erledigten diese Aufgabe locker, souverän und mit ungebremster Spielfreude. 12 Bläser plus Rhythmusgruppe bewiesen eindrücklich, dass diese „alte“ Jazzepoche mit ihrer komplexen Funktionsharmonik nebst ekstatischen Soli noch lange nicht vorbei ist. Und wohl auch nie vorbei sein wird. Vor allem, wenn man sie so pflegt, wie wie das Beasleys BigBand am Sonntag demonstrierte. Und auch der „Stargast“ Till Brönner an der Trompete bewies erneut, dass er eben nicht nur „Schmusejazz“ kann. Obwohl er das eigentlich schon lange niemandem mehr beweisen müsste. Mit durchgepustetem Kopf wurde man in das Berliner Schmuddelwetter entlassen. Was will man eigentlich mehr.

Am frühen Nachmittag hatte das Jazzfest an einem eher bedrückenden Ort Station gemacht. Denn vor gut einem Jahr war der Vorplatz Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Schauplatz eines montrösen Verbrechens. Ein Terrorist lenkte einen LKW auf hoher Geschwindigkeit auf den dortigen Weihnachtsmarkt, tötete 12 Menschen und verletzte viele weitere schwer. Nicht nur die anschließend um den Platz errichteten Betonsperren und die improvisierte Gedenkstätte machen jedem, der dieses Areal betritt, deutlich, dass sich in unserem Alltagsleben etwas geändert hat, auch wenn Politiker nicht müde werden, das Gegenteil zu behaupten. Bedrückend auch, weil die Hintergründe des Attentats und die Verwicklungen deutscher Geheimdienste in das Geschehen bis zum heutigen Tag nicht aufgeklärt wurden.

Es wurde ein ruhiges, fast besinnliches Konzert. Der britische Pianists und Organist Kit Downes bediente die fantastische Schuke-Orgel mit ihren 5000 Pfeifen und 256 Registern in der sakralen Akkustik behutsam und respektvoll mit einer Mischung aus weichen, offenen Harmoniefolgen und perlenden, freien Melodiebögen. Nur kurz konnte er der Versuchung nicht widerstehen, das „Presslufthammer-Register“ für die tiefsten Bässe zu ziehen.

Ihn folgten die „Trondheim Voices“ ein achtköpfiges Vokalistinnen-Ensembe aus Norwegen, dass durchgehend improvisiert und die menschliche Stimme als Impulsgeber für allerlei elektronische Verfremdungen nutzt, die auf die jeweilige Räumlichkeit abgestimmt werden. Die sphärischen Soundkollagen bewegten sich irgendwo zwischen Fantasy, Esoterik, Troll- und Elfengeschichten, was in diesem Fall keineswegs negativ oder abwertend gemeint ist. Den Besonderheiten des Ortes und seiner jüngeren Geschichte entsprach es jedenfalls voll und ganz.

Nun ist es also vorbei, das Berliner Jazzfest. Williams hat den notwendigen Spagat zwischen Traditionspflege und immer währender Suche nach neuen Formen erneut souverän gemeistert, Mit Haltung und ohne Anbiederung . Er hat das Fest auch weiter in Richtung Club- und Kammerkonzerte geöffnet. Sein – noch nicht bekannter -Nachfolger darf ein gut bestelltes Feld beackern und wird wissen, dass er in ziemlich große Fußstapfen tritt.

Zum Abschluss eine kleine Randbermerkung zum Thema GEZ und das ewige Gejammer über „Zwangsabgaben“ und „Staatsrundrunk“ Die ARD ist der wichtigster Kooperationspartner des Berliner Jazzfestes. Der Deutschlandfunk bzw. die Kulturwellen der Landesanstalten übertragen die Hauptkonzerte täglich live und erwerben zudem Senderechte für die meisten Mitschnitte, auch von den „Nebenkonzerten“ in Clubs. Dazu kommt die intensive journalistische Begleitung des Festivals. Ferner leisten sich noch vier Sender der ARD eigene BigBands, allesamt hervorragende Klangkörper mit internationaler Reputation, die auch regelmäßig Gäste des Jazzfestes sind.

Das alles kostet viel Geld und wäre aufgrund der relativ geringen Reichweite und Werbeaffinität von Jazzkonzerten wohl kaum ohne gebührenfinazierten Rundfunk zu realisieren.

Natürlich kommt jetzt der Einwand „Ich höre keinen Jazz, warum soll ich dafür zahlen?“ Doch zu soviel Dummheit und Kleingeistigkeit fällt mir nichts mehr ein.

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