Die „Wild Romance“ glimmt nur noch

Früher war alles besser. In jedem Dezember kamen einige wahnsinnige Holländer nach Berlin, um den altehrwürdigen Jazzclub „Quasimodoi“ für fünf Tage in eine dampfende Rock’n'Roll-Hölle zu verwandeln. Vollgeknallt mit Drogen verschiedener Art spielten und sangen die Jungs und Mädels buchstäblich um ihre Leben und versetzten ihre Jünger in rauschhafte Zustände. So manch einer, der sich das mal alle fünf Tage hintereinander reingezogen hat, war hinterher ein anderer Mensch, und für die protestantische Logik des „Standorts Deutschlands“ nur noch eingeschränkt zu gebrauchen.

„Herman Brood&His Wild Romance“ nannte sich dieser Musik gewordene Irrsinn. Dass das nicht ewig so weitergehen wird, dass jeder Rock’n'Roll-Vulkan irgendwann verglüht, hat jeder geahnt, doch so gut wie möglich verdrängt. Nach gut drei Jahrzehnten des permanenten Exzesses dämmerte dem bekennenden Junkie Herman Brood, dass die Power aufgebraucht ist. Die Drogen drohten ihn umzubringen, aber ohne Drogen ging das alles überhaupt nicht mehr. Also bestieg er am 11.Juli 2001 auf das Dach des Hilton Hotels in Amsterdam und machte den Abflug. Schon mehr als 20 Jahre zuvor hieß es in einem seiner bekanntesten Songs („Rock:n:Roll Junkie“) :“When I do my suicide for you/ I hope you miss me too“.

Natürlich haben wir ihn vermisst, und vermissen ihn noch heute. Doch die „Wild Romance“ ist offenbar nicht totzukriegen. Und so haben sich die beiden Gitarreros, die Herman auf seinem langen Weg durch die Rock’n'Roll-Hölle begleitet haben, aufgemacht, sein Vermächtnis zu pflegen und alte und neue Jünger auf den richtigen Pfad der Erkenntnis zu führen.

Auch Dany Lademacher (der eigentlich Belgier ist) und David Hollestelle sind vollkommen wahnsinnig, aber sie haben überlebt. Beide sind mittlerweile jenseits der 60, und alleine das ist eine große Leistung.

Das „Quasimodo“ ist inzwischen schicker, und wird von einem großen Veranstaltungskonzern bespielt. Und natürlich darf man drinnen mittlerweile nicht mehr rauchen, geschweige denn kiffen. Außerdem blieb vor dem Besuch des „Wild Romance“-Konzerts am Freitag die bange Frage, ob es sich nur um ein albernes, abgefucktes Revival oder um einen würdigen Exzess im Geiste Hermans handelt.

Herman Brood ist seit über 16 Jahren tot. Aber seine Musik lebt – ein bisschen

Das Interesse an dieser Frage hält sich offenbar in engen Grenzen. Nicht einmal hundert Fans fanden den Weg in den aufgehübschten Kellerklub. Was sie erlebten, war eine ziemlich gute, aber nicht besonders originelle Rockband mit satten Gitarrensounds, einem straighten Bassisten ,einem leider etwas schläfrigen Drummer, einem lustigen Keyboarder und einem Leadsängerm, der dankenswerterweise gar nicht erst versuchte, wie Hermann zu klingen. Edgar Koelemeijer machte seine Sache recht gut, aber der nackte Wahnsinn, das Getriebene und die Morbidität eines Hermann Brood ist weder zu kopieren, noch zu ersetzen. Natürlich gab es ein paar Highlights, besonders wenn Lademacher und Hollestelle mal so richtig in die Seiten griffen. Das hat dann Spaß gemacht, zumal wir genremäßig angemessen unseren THC- und Alkoholspiegel stetig auf einem gewissen Niveau einpegelten.

Ziemlich abgezockt spielten „Wild Romance“ ihre zwei recht kurzen Sets herunter und man erinnerte sich etwas wehmütig an magische Quasimodo-Nächte in den 80er und 90er Jahren, als diese wahnsinnigen Holländer und allen voran Herman einem drei Stunden oder länger das Hirn leerpusteten

Und so bleiben folgende Erkennisse: 1.) Alles hat seine Zeit, ist irgendwann vorbei und nicht umfassend reproduzierbar. 2.) „Wild Romance“ ohne Herman sind letztendlich eine Coverband ihrer selbst , aber 3.) „Wild Romace“ ist eine gute Rockband , und das ist heute schon Einiges wert. Bleibt noch 4.) Ordentlich kiffen ist manchmal gar nicht so schlecht.

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