Früher war alles ganz einfach in den Westberliner Altstadtquartieren. Wenn man nicht gerade „zum Italiener“ ging, dann war es eben „der Grieche“ oder „der Jugo“. „Jugos“ gibt’s nicht mehr, da die NATO und die EU den Vielvölkerstaat Jugoslawien bekanntlich komplett zerlegt haben. Doch die Gaststätten sind geblieben und hören immer noch auf Namen wie „Split-Grill“, „Restaurant Croatia“ oder „Dubrovnik Stuben“.
Beim „Jugo“ gab’s in der Regel unglaubliche Mengen Hack- und anderes Fleisch mit Pommes oder Djuvec-Reis und overdressten Salat. Das schmeckte zwar nicht sonderlich, machte aber pappsatt und war lächerlich billig. Und viel mehr wollten wir ja damals auch nicht.
Bei den klassischen „Jugos“ ist das heute nicht anders. Das legt zumindest ein Blick auf die manchmal auch bebilderten Speisekarten nahe. Daher ist es natürlich interessant, wenn ein Gastronom das Thema Balkan-Küche mal etwas ambitionierter angeht.
Das vor kurzem eröffnete „Sljiva“ in der halbgentrifizierten Moabiter Markthalle wirkt ein bisschen in die hinterste Ecke gedrückt und wird von einem preislich recht ambitionierten Österreicher („Habe die Ehre“), einem auf Peru getrimmten Ceviche-Laden („Naninka“) und einer eher zweifelhaften Pommes-mit-Soße-Bude („Poutine Kitchen“) eingerahmt. Geboten wird nach eigenem Angaben „Der Geschmack der Balkan-Tradition“
Die Karte macht schon mal neugierig, denn außer einigen klassischen „Jugo-Knallern“ gibt es allerlei Unbekanntes und Unerwartetes. So kann man sich als Vorspeise an einem Rote-Beete-Carpaccio erfreuen: Gekochte Rote Bete mit Knoblauch, Ziegenkäse und Walnüssen, auf Rauke serviert. Sehr gelungen und inspirierend zum Nachmachen,
Als Hauptgang sollte man dann vielleicht einen bewährten Kracher bestellen. Doch mit den nervigen, absurd gewürzten und in der Fritteuse halb verbrannten Hackröllchen, die man in der Regel bekommt, haben die Cevapcici im Sljiva nichts zu tun. Gebraten werden sie hier in würzigem Lammfett, auch die kross-saftigen Bratkartoffeln werden frisch zubereitet und verdienen -was selten vorkommt – ihren Namen. Dazu ein paar klassische Zutaten wie marinierte Zwiebeln. Ajvar ( Paprika-Würzpaste ) und Kajmak (Creme aus Milchrahm).
Das macht Spaß und lässt einen traumatische Jugo-Erlebnisse schnell vergessen. Nur das mit dem Salz in den Cevapcici müssen sie hier noch ein bisschen üben, es war schlicht etwas zu viel.
Ergänzt wird dies alles mit einem kleinen Angebot von Weinen aus den Balkan-Ländern und einigen äußerst gepflegten Fassbieren. Darunter ein würzig-fruchtig-süffiges „Grimbergen Blanche Witbier“ aus Belgien, das sowohl zu den Roten Beten als auch zu den Cevapcici hervorragend passte.
Der Service war freundlich und kompetent, ohne auch nur eine Spur schleimig oder unangemessen jovial zu wirken. Auch das muss (leider) erwähnt werden. Wer dann irgendwann mal wieder in den Abfütterungsstationen in den kroatischen Touristenhochburgen strandet, wird sich mit Sicherheit wehmütig an das Sljiva in der Moabiter Markthalle erinnern.