Borsigwalde ist einer jener Stadtteile, die für die Bewohner der Berliner Innenstadt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen. Ein bisschen Industrie, dichter Siedlungswohnbau, irgendwo im Norden der Stadt, im Bezirk Reinickendorf zwischen Tegel und Wittenau. Tegel kennt man, durch den Noch-Flughafen und das große Gefängnis, beides passiert man auf dem Weg von Berlin-Mitte dorthin. Aber Borsigwalde?
Mitten im Wohngebiet, an der Ernststraße, liegt eine in die Jahre gekommene Sportanlage, mit einem verwitterten Kunstrasenplatz, Vereinsheim und Nebengebäude. Hier hat der SC Borsigwalde 1910 sein Domizil, mit 450 Mitgliedern und 25 Teams im Spielbetrieb eine feste Größe im Berliner Amateurfußball. Die 1. Mannschaft spielt in der Landesliga, der 7.Spielklasse des offiziellen Spielbetriebes. Doch es gibt ja auch noch den Berliner Landespokal, der wie alle Pokalwettbewerbe mitunter „David gegen Goliath“ – Spiele zu bieten hat.
So auch am Sonntag, wo als Gast der BAK 07 erwartet wurde. Der spielt drei Klassen höher, in der Regionalliga Nordost unter professionellen Bedingungen und mit dem Anspruch, irgendwann in die 3.Bundesliga aufzusteigen. Basis dafür ist ein zwar launischer, aber äußerst potenter Mäzen.
Für Carsten Cappelle, den Trainer von Borsigwalde, ist das ein Festtag. „Der ganze Verein freut sich darauf. Die Stimmung ist hervorragend und nun hoffen wir auf viele Zuschauer und gutes Wetter“, sagt er am Tag vor dem Spiel. Über die Chancen seiner Mannschaft macht er sich wenig Illusionen. „Wir hoffen, dass wir das Match ein wenig offen gestalten und zeigen können, dass auch wir den Ball drei, vier Mal hochhalten können“. Für den Klassenunterschied der beiden Teams hat er ein griffiges Bild. „Für die Jungs ist es eine gute Möglichkeit aus nächster Nähe zu begutachten, warum der BAK am Wochenende im klimatisierten Mannschaftsbus nach Chemnitz fährt und wir im 133′er Bus der BVG in Richtung Spandau.” Und während der Marktwert des BAK-Kaders auf deutlich über eine Million Euro taxiert wird, ist der vom SC Borsigwalde faktisch nicht messbar.
Tatsächlich kommen am Sonntag rund 150 Zuschauer – Saisonrekord!. Sie verteilen sich locker um den Platz oder sitzen im Vorgarten des Vereinsheims bei Bier, Kaffee, Bratwurst und Bouletten – alles streng nach Corona-Reglement. Wie oft in derartigen Spielen legt der Underdog los wie die Feuerwehr, während die Moabiter Profis vom BAK eher fahrig und lustlos wirken. Doch die Unterschiede der individuellen Klasse sind von der 1. Minute an deutlich sichtbar. Lautstark angefeuert von Torwart Steven Schultz berennen die Amateure das gegnerische Tor und erarbeiten sich sogar ein paar Chancen. Der Dämpfer kommt in der 20. Minute, als der BAK eine Kette von Abwehrfehlern eiskalt für den Führungstreffer nutzt. Doch der Außenseiter gibt sich nicht geschlagen und spielt weiter mutig nach vorne, während Schultz, Sproß einer legendären Reinickendorfer Fußballfamilie, mit teilweise spektakulären Paraden weitere Treffer verhindert. Mit 0:1 geht es dann in die Pause.
Doch in der 2. Halbzeit ist die Luft dann bald raus, was man durchaus wörtlich nehmen kann. Der BAK nahm die überforderten Borsigwalder mit schnellem Aufbauspiel regelrecht auseinander, Neuzugang Marco Cirillo sorgte mit drei Treffern für die Vorentscheidung. Am Ende stand es 0:7. Doch der Frust hielt sich in Grenzen, und das Fußball-Leben geht weiter. Am nächsten Sonntag empfängt Borsigwalde in der Landesliga die 2. Mannschaft vom TSV Rudow, voraussichtlich mit deutlich weniger Zuschauern. Mit einem Sieg würde man sich in der Spitzengruppe festsetzen, und vom Aufstieg in die 6. Spielklasse, die Berlin-Liga, träumen hier einige durchaus. Der BAK empfängt am Sonnabend im Poststadion in der Regionalliga Optik Rathenow. Doch die Saison ist trotz hoher Investitionen in den Kader bereits weitgehend vergeigt, der ersehnte Aufstieg schon jetzt in unerreichbarer Ferne. Bleibt die Hoffnung auf den Gewinn des Berliner Landespokals, was dem BAK bislang nur 2012 gelang. Dann wäre man im DFB-Pokal und möglicherweise selber in der „David gegen Goliath“-Rolle, was bekanntlich manchmal erstaunliche Ergebnisse mit bringt. So fegte der BAK in der ersten Hauptrunde am 18.August 2012 den Bundesligisten TSG Hoffenheim mit 4:0 (sic!) aus dem Poststadion.
Doch was interessiert das den SC Borsigwalde, der als vor allem in der Jugendarbeit sehr engagierter Kiez-Verein schlicht und ergreifend eine der Säulen des Berliner Amateur-Fußballs ist….