Ja , ich werde morgen wieder ein Frühstücksei essen. Wie mir der örtliche Händler glaubwürdig versicherte, ist dieses nicht nur „bio“ sondern sogar „wirklich bio“. Mit den Begriffen ist das bei Lebensmitteln ja ohnehin so eine Sache. Fleisch holt man meistens aus dem „Frische-Regal“ bzw. der „Frische-Truhe“. Dort liegt es bereits seit einigen Tagen, wurde in Plastikfolie eingewickelt und mit einem Sauerstoff-Gas-Gemisch behandelt, damit es wenigstens äußerlich noch möglichst rot aussieht. Mit abgepacktem Käse- und Wurstaufschnitt wird ähnlich verfahren. Das gilt auch für die „knackigen“ verpackten Salate von der „Vitamin-Theke“. Das alles – gegen saftigen Aufpreis, versteht sich – auf Wunsch auch in „Bio-Qualität“. Alles frisch, oder wie?
Zurück zum Ei. Seit 1 ½ Jahren wird gegen über 100 Betriebe „ermittelt“, die offensichtlich falsch deklarierte Eier auf den Markt gebracht haben. Das kann mir kein Mensch erklären. Betriebsgrößen und für die Legehennenhaltung benutzte Flächen sind den Behörden bekannt, die Anzahl der Tiere und der produzierten Eier ebenfalls. Wenn diese deutlich über den Richtgrößen für Freiland- bzw. Bioeier liegen, müsste es doch ein Leichtes sein, Betrüger zu überführen.
Jeder Steuerermittler kann die Plausibilität der Steuererklärung eines Gastrononen anhand des verbrauchten Klopapiers überprüfen. Und in einem umfassend regulierten Bereich wie der Eierproduktion soll es unmöglich sein, Betrüger zu entlarven? Jedes Ei hat einen Aufdruck, aus dem unter anderem auch der Herstellungsbetrieb hervorgeht. Und da kommt niemand auf die Idee, mal nach zu rechnen, ob die vermarktete Menge an „Bio-Eiern“ mit den Betriebsdaten in Einklang zu bringen ist? Und warum dürfen Betriebe, die gefakete Bio- oder Freilandeier verkauft haben, nicht öffentlich genannt werden?
Das riecht nach systematischem Betrug, nach Kumpanei von Politikern, Aufsichtsbehörden und profitgierigen Kriminellen und nach einer vielleicht bemühten, aber offenbar zahnlosen Justiz. Es ist sicherlich kein Zufall, dass der neue Eier-Skandal sein Zentrum in Niedersachsen hat, denn dieses Bundesland ist seit Jahrzehnten für seinen „rücksichtsvollen“ Umgang mit der Lebensmittelmafia bekannt. Gerne empfehle ich den 2004 von der Verbraucherschutzorganisation foodwatch veröffentlichte „Tiermehl-Report“ über den illegalen Export von möglicherweise BSE auslösendem Tiermehl und die Rolle der Landesbehörden dabei. Seitdem hat sich anscheinend kaum etwas geändert.
Auch wenn ich mich damit in bestimmten Kreisen unbeliebt mache: Wer sich kein bisschen um Herkunft, Beschaffenheit und Produktionsweise der von ihm erworbenen Lebensmittel kümmert, ist nicht ganz unschuldig daran, wenn dieser millionenfache Betrug in immer neuen Varianten fortgesetzt wird. Das soll keinesfalls eine Beschönigung krimineller und korrupter Machenschaften sein. Sondern eher ein Appell an Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein eines jeden Verbrauchers. Natürlich sind wir Opfer des Agrobusiness, aber das Suhlen in der Opferrolle reicht nicht. Es beraubt uns unserer Würde und spricht uns jede Fähigkeit zur bewussten Auseinandersetzung mit den Zuständen und zum Widerstand ab – im Kleinen wie im Großen. Und gerade in Niedersachsen wäre es jedenfalls höchste Zeit, dass nicht nur Atommülltransporte blockiert und attackiert werden, sondern auch die Lebensmittelmafia.
Alles ist irgendwie politisch.
Selbst das verdammte Frühstücksei!