Der Adel gehört abgeschafft! Was die Besitztümer der „blaublütigen“ Damen und Herren betrifft, wäre dies eine Frage von Erbschafts- und Vermögenssteuern. Aber auch das Führen von Titeln wie „Prinz“, „Graf“, „Baron“ , „Prinzessin“ oder „Freifrau“ ist nicht nur ein lächerlicher Anachronismus, sondern ein Schlag ins Gesicht eines jeden Demokraten, selbst wenn die Titel nur noch als Namenszusatz geführt werden dürfen oder angeheiratet ergattert wurden.
Das musste mal gesagt werden. Aber sie sind nun mal da, und nicht alle scharwenzeln hauptberuflich durch die Regenbogenpresse oder benehmen so richtig asozial daneben. Wie z.B. der Prügel- und Pinkelprinz Ernst August von Hannover. Manche machen sich auf ihre Art und Weise aber richtig nützlich, wie z.B. Graf Adelmann.
Dessen Familie besitzt seit 1914 die Schlossburg Schaubeck und das dazugehörige Weingut, das auf eine mehr 700 Jahre Tradition zurückblicken kann. Dort werden schlicht ganz tolle Weine gemacht. Und daran hat Michael Graf Adelmann, der die Leitung des Gutes 1979 übernahm, nicht geringen Anteil. Er war einer der großen Innovatoren und Qualitätspioniere des württembergischen Weinbaus und setzte Standards in Bezug auf den sensiblen Umgang mit Barriquefässern, Ertragsreduzierung durch Traubenausdünnung, Ganztraubenpressung und vieles mehr. Besonders die Ertragsreduzierung stieß im Schwabenland allgemein auf Kopfschütteln: Denn wie kann man nur auf die Idee kommen, auf die mögliche Vermarktung großer Weinmengen zu verzichten?
Natürlich hatte der Graf schon damals Recht: Ohne konsequente Qualitätsorientierung hat Weinbau vor allem in Familienbetrieben keine Zukunft. Mittlerweile hat der Graf das Gut seinem Sohn übergeben, allerdings ohne sich selber auf’s Altenteil zurückzuziehen und nur noch seine Oldtimer-Sammlung zu putzen. Beide leben und wirken „als WG“, wie es der Graf formuliert, in dem prächtigen, aber nicht protzigen Schloss mit seinem fantastischen Innenhof. Sie ergänzen sich prächtig: Der Junior gibt die rockmusik-gestählte Vermarktungs-Rampensau, der Senior den nonchanlanten oder neudeutsch „coolen“, aufgeklärten Aristokraten und charmanten Gastgeber. Es trifft ihn nur wenig, dass seine schlanken, eigenwilligen Weine in Zeiten konzentrierter Fruchtbomben und Holzmonster hier und da als „unmodern“ gelten. Und so manch schwäbischer Winzer-Jungspund hält das Gut kaum noch für würdig, dem noblen Verband Deutscher Prädikatsweinwinzer (VDP) anzugehören.
Lassen wir das und reden lieber über Wein. Ausnahmsweise nicht in erster Linie über die Basisabfüllungen, die sind – soweit verkostet – durch die Bank gut bis außergewöhnlich. Dazu gehört u.a. ein Trollinger „Brüssele G“, im großen Holzfass gereift und mit feiner Kirschfrucht und dezenter Würze ausgestattet (6,30 Euro). Oder sein rosenduftiger Muskattrollinger mit dem dezenten Kardamon-Ton (9,50 Euro). Auch Traminer oder die Riesling-Kollektion, alles elegant und reintönig. Doch mir hat es eines seiner „großen Gewächse“ angetan, der „Schwarze Löwe“, ein 2009er Lemberger aus der Spitzenlage Kleinbottwarer Süßmund. Es ist einer jener Weine, die ich mir kistenweise zusammen mit ein paar CD’s von J.S. Bach, Miles Davis und Jimi Hendrix auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde. Kirschen, rote Beeren und Pfeffer in der Nase, am Gaumen dann Sauerkirsche, getrocknete Kräuter. Später gesellen sich etwas Bitterschokolade und eine Spur (Zedern?)Holz dazu. Das war es auch schon mit dem Holz, denn das bleibt ein offensichtlich angemessener, aber vollkommen unaufdringlicher Begleiter des Weines. Mit 13% Alkohol ungewohnt schlank für diese Kategorie, entsprechend „drinkable“ und animierend, auch wegen der feinen, perfekt eingebundenen Säure. Nach der großen Länge im Abgang bleibt nur noch der Wunsch nach dem nächsten Glas. Und die Erkenntnis, dass in Deutschlang nicht nur Spätburgunder, sondern auch Lemberg das Potenzial für ganz große Rotweine hat.
Kann ja sein, dass solche Weine „unmodern“ sind. Dann bin ich eben auch unmodern. Darauf noch einen „Schwarzen Löwen“ Ja, der kostet stolze 29 Euro ab Hof. Ist aber jeden einzelnen Cent wert. Genuss ist eben nicht nur Notwehr, sondern manchmal auch etwas teurer.