Ostbrandenburg!!

Als Buchautor freut man sich natürlich, wenn sein Werk auf positive Resonanz stößt. Und wenn dann ein Leser sogar auf die Idee kommt, eine Lesung zu organisieren und dafür ein Honorar zu bezahlen, freut man sich erst recht.

So führte mich mein Weg am Wochenende nach Neuzelle, eine im östlichen Brandenburg nahe Eisenhüttenstadt gelegene Ansammlung von Häusern  rund um eine imposante barocke Klosteranlage. Der Veranstalter entpuppte sich als IG-Metall-sozialisierter, mittlerweile pensionierter Arbeitsdirektor aus der Stahlbranche, der drohender Ruhestands-Langeweile  zusammen mit seiner Frau unter anderem mit dem Betrieb eines Weinladens und eines Kulturcafés in der Orangerie besagter Klosteranlage vorbeugt. Dort sollte auch die Lesung stattfinden, eingebettet in ein Drei-Gänge-Weinmenü.  So weit, so gut; doch der Trip an die polnische Grenze geriet leider zum veritablen Desaster…..

Auch so schöne Locations wie die Orangerie in der Klosteranlage Neuzelle garantieren nicht immer gelungene Veranstaltungen

Der Reihe nach: Die Fahrt im Regionalexpress von Berlin über Frankfurt/Oder nach Neuzelle verlief ohne besondere Vorkommnisse, wenn man mal von lokaler Folklore in Form von sehr kurzhaarigen, viel Bier trinkenden und stark transpirierenden  jungen Männern absieht, die  irgendwas von „Kanaken“ und „Schlampen“ blökten.

In Neuzelle angekommen, gelüstete es mich dann auch nach einem Bier, zumal die dortige Klosterbrauerei ziemlich bekannt ist und sei es auch nur aufgrund der langwierigen Prozesse  um die Einhaltung des deutschen Reinheitsgebotes. Dieses wird vom „Neuzeller Pilsener“ sicherlich erfüllt. Allerdings handelt es sich um ein sehr bitteres, leicht schal wirkendes  Getränk, welches schlicht und ergreifend nicht schmeckt. Es sollte nicht der einzige Genussabsturz der Tour bleiben.

Ein paar Meter  und eine steile Treppe weiter befindet sich die Orangerie, eine wirklich ausnehmend schöne Location für gepflegte kulturell-kulinarische Events. Dass dort aber am Vorabend meiner Lesung ein „professionelles Hunde-Fotoshooting“ stattfand, ließ in mir leise Zweifel aufkommen, ob ich hier im richtigen Film bin. Als mir dann die Gastgeberin nach ausnehmend freundlicher Begrüßung und meiner Bitte nach einem Glas trockenen Weißwein eine atemberaubend scheußliche französische Flüssigmüll-Cuvée kredenzte, verfestigten sich die Zweifel.  Der Blick auf die Speise- und Getränkekarte stimmte mich nicht optimistischer. Neben grammatikalischen Aussetzern  und semantischen Donnerschlägen („ …besitzt am Gaumen einen angenehm lang anhaltenden Geschmack“, „….beigelegt mit einer Spargelkomposition“)  auch wieder jenes alberne Wein-Gefasel, welches ich in meinen Büchern heftig auf’s Korn nehme („ …würziges Aroma von Bananen, Feigen, Wassermelone und einem Hauch Mandelblüte drängen (sic!) in die Nase“ ).

Vor und zwischen den Gängen sollte ich lesen.  Das Publikum – rund 40 meist mittelalte, DDR-sozialisierte Menschen – interessierte sich fast ausnahmslos nicht die Bohne für meine Thesen zu  demokratischer Genusskultur, trägen Verbrauchern, Geschmacksprimaten und Weingeschwätz. Vielleicht haben einige bei meinen Tiraden gegen Procecco, Federweißen, Glühwein und Beaujolais nouveau ja auch gemerkt, dass ich ihnen den Spiegel vorhalte. So verlief die Lesung in Form eines informellen Stillhalteabkommens. Ich hielt meine Beiträge recht kurz, dafür waren die Gäste in diesen für sie sicherlich nervigen Minuten wenigstens ruhig, und manchmal gab es sogar Höflichkeitsapplaus.

Das Essen war ganz passabel und erfreulicherweise um Regionalität bemüht. Unverständlich dagegen, dass es keinen einzigen deutschen Wein gab. Und warum als Aperitif ein Getränk serviert wurde, das penetrant nach Brausepulver schmeckte. Und warum es zur süßen Nachspeise einen trockenen Montepulciano gab. Und, und, und……

Natürlich verkaufte ich nach der Lesung kein einziges Buch. Es sprach mich auch niemand auf meine Texte an. Die sicherlich gut gemeinte Idee zu dieser Veranstaltung hatte sich als Missverständnis erwiesen. Das Event, das Publikum und der eingeladene Autor passten einfach nicht zusammen. Freundlich wurde ich von der Gastgeberin bezahlt und erhielt als  kleines Präsent sogar noch zwei gute Flaschen Riesling – deutlich besser als alles, was bei dem vorangegangenen Menü ausgeschenkt wurde.

Nach erholsam durchschlafener Nacht im Hotel hatte Ostbrandenburg am Morgen noch einen standesgemäßen Abschied bereit: Ein lausiges Frühstück mit bröseligem Rührei, Billigstwurst, Industriesalat und schrecklichem Filterkaffee aus der Thermoskanne. Eins weiß ich jedenfalls: Falls ich diese Gegend nochmals besuchen sollte, werde ich meinen kulinarischen Notfallkoffer nicht wie diesmal mit Büchern füllen, die dort ohnehin niemand haben will. Sondern mit Lebens- und Genussmitteln.

2 Gedanken zu “Ostbrandenburg!!

  1. Das haben wir gerne: Erst jahrelang für eine poststalinistische Ossi-Postille arbeiten und dann übles (Ost)Brandenburger-Bashing

  2. Ich habe schon in meiner “Junge Welt”-Zeit nie einen Hehl aus meinen Irritatationen in Bezug auf gewisse soziokulturelle Standards in bestimmten Teilen der Ex-DDR gemacht.