Lieber grillen als Wahlkampf

Die Rückkehr aus der beschaulich-meditativen Ruhe des Wandlitzer Landsitzes ins noch nicht komplett gentrifizierte Moabit war wieder mal ein Kulturschock. Nicht nur, dass die Temperaturen dank des dampfenden Asphalts deutlich höher sind; am Wochenende wurde offenbar auch begonnen, die Stadt flächendeckend mit Wahlplakaten zuzumüllen. Was für ein (teurer) Unfug! Es ist allgemein bekannt, dass sich fast niemand durch Plakate bei seiner Wahlentscheidung beeinflussen lässt. Dennoch muss man sich jetzt an jeder Ecke irgendwelche Rosstäuscher oder Hackfressen angucken und dümmliche Slogans lesen.

Ohnehin ist die kommende Bundestagswahl eine der langweiligsten, die ich je erlebt habe. Egal ob die miese Rolle der Regierung bei der Massenbespitzelung oder die knappe Milliarde, die ein Minister für eine –erfreulicherweise- untaugliche Mordwaffe versenkte, egal ob schwachsinnige Prämien für den Verzicht auf einen Kitaplatz: Mutti und ihr Wahlverein werden auch die nächste Regierung anführen. Es herrscht das diffuse Gefühl, dass “wir” die Euro-Krise ganz gut überstanden haben.Die Rechnung wird erst nach der Wahl präsentiert werden. Und es mangelt vor allem an einer glaubwürdigen Alternative. Steinbrück ist eine Pappnase, seine Partei ist im Zweifelsfall für alle Sauereien, von Angriffskriegen bis zum massiven Sozialabbau, zu haben. Für die Grünen gilt das ebenfalls. Und für jemanden der in Berlin und Brandenburg erlebt hat, wie DIE LINKE agiert, wenn sie bei Regierungen mitmachen darf, ist diese Partei unwählbar. Ich werde also demütig abwarten, bis die Briefwahlunterlagen im Kasten liegen und meine beiden Kreuze bei der PARTEI machen. Deren Hauptlosung („Inhalte überwinden“) charakterisiert das Wesen der diesjährigen Bundestagswahlen am besten. Politik bedeutet für mich in erster Linie Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse. Und die sind immer konkret, z.B. in Form von eplodierenden Mieten in meinem Kiez.  

Ansonsten bot das Wochenende wieder einiges an genusskulturellen Erlebnissen und Erkenntnissen:

1.)   Der Flussbarsch ist ein dramatisch unterschätzter, leckerer Speisefisch. Auf dem Grill zubereitet, dabei nur spärlich mit Salz, Pfeffer, Zitrone und ein paar Kräutern (Zwiebellauch, Estragon) gewürzt, entwickelt er einen sehr kräftigen, nussigen Geschmack. Wird leider nur selten angeboten, aber wenn, dann dank des Null-Images sehr preiswert. Z.B. beim Havelfischer in Berlin-Heiligensee.

2.)   Zander kann man eigentlich nicht grillen, weil er schnell zerfällt. Lässt man den Fisch aber ungeschuppt, wirkt die Haut wie eine Garhülle. Lecker!

Ein guter Gastgeber muss auch auf den Besuch von Geschmacksprimaten vorbereitet sein

3.)    Wenn man – wie am Freitag – außer Feinschmeckern auch einen Geschmacksprimaten aus Sachsen-Anhalt als Gast hat, muss man sich was einfallen lassen. Und siehe da: Man kann auch Fischstäbchen grillen und dem Kollegen dazu einen ihm gemäßen lieblichen Rosé aus dem Tetrapak servieren. Die anderen haben sich an dem nach vielen Testrunden zum Sommer-Rosé des Jahres gekürten “Adonis” von den Caves de Lumieres gelabt. Gibt’s bei pèbre d’ai in der Schöneberger Akazienstraße 12 für sechs Euro (ab drei Flaschen)

4.)   Die Merguez vom Eurogida in der Badstraße sind nach wie vor die Referenzklasse für diese Grillwurst.

5.)   Die leckeren Wildpflaumen sind jetzt reif! Sie wachsen in Brandenburg an vielen kleinen Alleen. (Meinen Ernteplatz verrate ich natürlich nicht). Aber Achtung: Sie müssen schnell verbraucht oder verarbeitet werden, sonst matschen sie.

Noch ein HInweis in eigener Sache: Hiermit rufe ich ausdrücklich NICHT dazu auf, besonders üble, oder auch nur hässliche und dämliche Wahlplakate umzugestalten oder gar zu entfernen.

    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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