Ich hatte stets ein flaues Gefühl, wenn ich mitbekam, dass es nordöstlich von Berlin schwere Unwetter gab. Das war am heutigen Morgen nicht anders. Der Weg vom Bahnhof zu meinem Landsitz wirkte angesichts der vielen wie Streichhölzer abgeknickten Bäume in den Waldstücken entlang der Straße auch nicht gerade beruhigend.
Bislang war immer alles gut gegangen. Doch diesmal nicht. Dort, wo gestern noch eine der alten, aber gesunden Birken auf dem Grundstück stand, ist jetzt ein großer Krater. Der Baum ist vom Sturm komplett entwurzelt worden und auf das benachbarte Feld gestürzt – natürlich nicht ohne einen Teil des Zaunes zu zerstören. Eine weitere Birke hat sich dermaßen stark aus dem Erdreich gelöst, dass sie möglichst schnell gefällt werden muss.
Das ist zweifellos eine Zäsur. Zwei meiner geliebten sattgrünen Schattenspender und Blickfänger sind unwiderruflich zerstört. Ihre Entsorgung wird mich ein ansehnliches Sümmchen kosten, von der vielen Arbeit und den Kosten für die Beseitigung der entstandenen Krater ganz zu schweigen.
Aber es hätte schlimmer kommen können. Wäre die Birke in eine andere Richtung gefallen, hätte ich jetzt vermutlich kein Haus mehr. Und auch meine in jahrelanger Arbeit dem märkischen Sand abgetrotzten Gemüse-, Salat- und Kräuterbeete blieben von dem Unwetter komplett verschont.
Es gibt keinen Schuldigen für das Desaster. Schäden durch Extremwetterereignisse mögen sich durch unverantwortliches Handeln der Menschheit in Bezug auf die Klimaentwicklung häufen, aber es hat sie immer gegeben und es wird sie immer geben. Die Natur lehrt einen in solchen Momenten eine gewisse Demut. Sie ist nicht komplett beherrschbar – und sie braucht uns nicht. Ab und zu zeigt sie uns den Stinkefinger, egal ob wir an Flüssen, Küsten, in Großstädten, auf dem flachen Land oder im Gebirge leben, oder auch nur eine Datsche im Berliner Umland nutzen. Manchmal kosten ihre Eskapaden zehntausenden von Menschen das Leben oder die materielle Existenzgrundlage und manchmal hat – vergleichsweise unbedeutend – ein Erholung suchender Großstädter weniger Schatten und zwei sehr große Löcher in seinem Garten.
Meinen ersten kleinen Schock und auch eine gewisse Trauer über die partiell zerstörte Idylle habe ich mittlerweile überwunden. Man muss nach vorne gucken. Schnell im Beet noch ein paar reife Tomaten gepflückt, beim Wandlitzer Fischer einen frisch geräucherten Saibling besorgt und ab geht es zurück nach Berlin. Dazu noch einen anständigen Wein entkorken, und die Welt wird wieder ein klein bisschen weniger doof wirken. Genuss ist bekanntlich Notwehr, und sei es auch nur gegen die Unbilden der Natur.
P.S. Eigentlich wollte ich heute über meine Wiederentdeckung des Wirsingkohls schreiben. Aber so cool bin ich dann auch wieder nicht