Es lebe der Wirsingkohl

Der Frust über die Folgen des Unwetters auf meinem Grundstück sitzt nach wie vor tief. Am Montag kommt der „Birkinator“, wie es eine Bekannte auszudrücken pflegte, entsorgt die entwurzelte Birke, verfüllt den entstandenen Krater und fällt eine weitere, die umzustürzen droht. Kleine Freuden sind jetzt angesagt, z.B. über die Produkte meines – unversehrt gebliebenen – Gemüsebeetes.

In puncto Nahrungs- und Genussmitteln würde ich mich durchaus als neugierig und experimentierfreudig einstufen. Heuschrecken, Schlangen und Hundefleisch habe ich ebenso probiert, wie diverse Dinge in Asien und Afrika, von denen ich bis heute nicht weiß, worum es sich gehandelt hat. (Ist vielleicht auch besser so). Aber es gibt auch eine Art Schwarze Liste, und auf der rangierte bis vor wenigen Tagen der Wirsing ziemlich weit oben. Zu prägend waren die kindlichen Erlebnisse bei meiner aus Pommern stammenden Stiefgroßmutter, die des Öfteren Wirsingeintopf als zerkochte Pampe mit unangenehm säuerlich-bitteren Geschmack zubereitete. Sie kochte ohnehin – im Gegensatz zu meiner Mutter und meiner Oma väterlicherseits – ganz furchtbar.

 

Doch was kann dieses klassische Kohlgemüse dafür, wenn es nicht artgerecht behandelt wird?  Und so entschied ich mich bei der Frühjahrsbepflanzung meines Beetes in diesem Jahr erstmals, auch zwei Reihen Wirsing zu setzen. Mittlerweile sind die ersten Pflanzen erntereif.  Dank meiner schlauen Bücher sowie einigen Tipps von Bekannten habe ich inzwischen – jedenfalls theoretisch – auch ein ganzes Arsenal von Wirsingrezepten parat. Doch zunächst galt es das Eintopf-Trauma zu überwinden.

Niemand hat das Recht, Wirsingkohl zu Pampe zu verkochen
Quelle:Wikipedia

Eigentlich mache ich um Rindfleisch einen ziemlich großen Bogen. Die Fleischmafia hat es geschafft, dass ich beim Anblick der Rohware stets an Tiermehl, BSE und Hormonfutter denke. Viel mehr als ein Tafelspitz und 2-3 Steaks von französischen Weiderindern (Charolais) kommt da pro Jahr nicht auf den Teller. Aber wenn schon klassisch, dann richtig. Und so erstand ich beim Neuland-Fleischer eine schöne Beinscheibe, welche die Grundlage für mein Wirsingeintopf-Comeback bilden sollte. Die Scheibe wird zusammen mit Schalotten oder Frühlingszwiebeln ausgekocht, dann herausgenommen. Fleisch vom Knochen lösen, klein schneiden und beiseite stellen. Den Sud mit Salz, Pfeffer, Liebstöckel und Kümmel abschmecken und anschließend geschälte und fein gewürfelte mehlig kochende Kartoffeln darin köcheln lassen. Dann werden die geputzten, blanchierten und nicht allzu klein geschnittenen Wirsingblätter hinzugefügt. Jetzt muss man aufpassen und den Zeitpunkt erwischen, an dem der Wirsing gar, aber noch bissfest ist, die Parole lautete schließlich: „Nie wieder Pampe“.  Zum Schluss kommen noch die bereits fertigen Fleischwürfel zwecks Erwärmung in den Topf.

 Machen wir es kurz: Es hat großartig geschmeckt, und der Wirsing wird definitiv aus meiner schwarzen Liste (auf der sich unter anderem Fenchel und Auberginen befinden) gestrichen. Und jetzt geht’s erst richtig los! Auf dem Programm der kommenden Wochen und Monate stehen u.a. ein Wirsing-Lachs-Gratin,  ein Kartoffel-Wirsing-Curry sowie Wirsing-Rouladen, sowohl vegetarisch (mit Soja-Granulat) als auch mit Pferdehackfleisch.

Und im Winter kümmere ich mich dann mal um Kohl- und andere Steckrüben, denn die hat meine Stiefgroßmutter auch immer versaut.       

Ein Gedanke zu “Es lebe der Wirsingkohl