Lohn der Mühe

Der Sommer ist hoffentlich noch lange nicht vorbei. Wer wünscht sich nicht noch viele laue Sommerabende und die Möglichkeit, sich in luftiger Kleidung zu bewegen. Die Ernte ist allerdings bereits in vollem Gange. Und das betrifft nicht nur professionelle Obst-, Gemüse- und Getreideanbauer, sondern auch Hobbygärtner. Ich empfinde die Ernte Jahr für Jahr als Lohn für die Mühe. Natürlich reicht das, was ich dem Brandenburger Sandboden mit Hilfe von Gründüngung, Pferdemist, Kompost und vielen Stunden manueller Arbeit abringe, nicht im Geringsten aus, um mich zu ernähren.

Aus dem Garten schmeckts immer am Besten

Doch zum einen schmeckt es frisch aus dem eigenen Garten oder auch nur vom Balkon einfach besser (jedenfalls subjektiv) und außerdem bekommt man mit den Jahren immer stärker ein Gefühl für saisonale Nahrungsmittel. Zum Beispiel Erdbeeren: Einige reifen noch  bei mir, doch wenn die verspeist sind, kommen mit bis zum nächsten Mai keine auf den Teller. Oder Äpfel: Habe ich seit Monaten nicht mehr gegessen bzw. als frisch gepressten Saft getrunken, doch jetzt wird alles „nachgeholt“ und auch Kompott für den Winter eingemacht. Angesichts meiner diesjährigen „Rekordernte“ wandern auch ein paar – natürlich mit eigenen Kräutern verfeinerte- Tomatensoßen in die Speisekammer. 

  Es beginnt jetzt auch die Zeit für das Trocknen von Kräutern wie Estragon, Liebstöckel, Basilikumblüten, Bohnenkraut usw. Dagegen verbleiben das selbst angebauten Wurzelgemüse und  einige Blattkohlsorten noch im Boden.  

In etlichen Dörfern Brandenburgs blüht jetzt der Privathandel als Form ursprünglicher Akkumulation. Vor vielen Grundstücken stehen improvisierte Verkaufstische mit allem, was der Garten so her gibt und einer „Kasse des Vertrauens“, in die man seinen Obulus hineinwerfen soll. Für mehr oder weniger symbolische Preise erhält man dort alle erdenklichen Kräuter, Walnüsse, Rote Beeten, Möhren und bald auch Äpfel und Birnen. In kürze startet ferner die Pilzsaison – selbst in meinem Garten findet man mitunter einige Sandpilze und Ziegenlippen.

Mit Naturromantik hat das nichts zu tun. Vielmehr ist es eine Gelegenheit, den Wahnsinn der Produktion und des massenhaften Verzehrs vollkommen denaturierter „Lebensmittel“ mit teilweise absurden Transportbiografien mal wieder mit der gebotenen Skepsis zu betrachten. Natürlich hat niemand etwas dagegen, dass auch Südfrüchte verzehrt werden, die in unseren Breitengraden nicht wachsen. Aber müssen es denn Äpfel und Weintrauben aus Neuseeland oder Südafrika oder Erdbeeren, Salatgurken und Tomaten von den Kanaren sein?

Die in Berlin gefühlt an jeder Ecke aus dem Boden sprießenden Bio-Supermärkte mischen bei dieser Fehlentwicklung kräftig mit. Ohnehin ist eine Vollversorgung mit mehr oder weniger ökologisch produzierten Lebensmitteln für große Teile der Bevölkerung schlicht unerschwinglich. Auch ich bin nicht bereit, für ein Kilo Äpfel aus Brandenburg drei Euro zu zahlen.

Ferner kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass Bio-Produkte generell höherwertiger als konventionelle sind. Das gilt nicht nur, aber besonders für Wein. Geschmückt mit dem EU- oder gar dem „Bioland“-Label werden in einschlägigen Geschäften für ambitionierte Preise auch ziemlich üble Getränke angeboten: Plörrige Massenabfüllungen ohne Struktur und Charakter. Beispiel gefällig? Der neulich für 5,99 erworbene Grauburgunder „Villa Golsen“ von der „Bioland“-zertifizierten Kellerei Zellertal  (laut Eigenwerbung „dicht & harmonisch mit feinen Zitrusaromen“) war schlicht flach, pappig und leicht brandig. Aber das nur nebenbei, denn eigentlich will ich meine Berliner Leser ja zu einer kleinen Landpartie nach Brandenburg animieren, um dort saisonale Früchte, Knollen  und Kräuter zu erwerben. Nicht offiziell „bio“ – aber richtig gut             

  

3 Gedanken zu “Lohn der Mühe

  1. “Nicht offiziell Bio – aber richtig gut”

    Genau! Seit wir selbst ein Haus in Brandenburg (Oberhavel/ Schorfheide) haben, konnten wir die Versorgung auf Kirschen eigener Ernte, sowie Eier, Spargel, Äpfel, ein Haufen Gemüse, Fleisch und Wurst aus Hausschlachtung umstellen. Was die Nachbarn so alles produzieren. Keine Bauern übrigens.
    Pilze holt man dann im Wald, ist klar.
    Das sind so ziemlich die besten Lebensmittel, die ich seit der Jugend als Landei bekommen habe.
    Wein aus Brandenburg? Ja gut, man kann nicht alles haben.
    Sehr schöner Blog, weitermachen.
    Grüße
    Thomas

  2. Das Mise en Place auf dem Bild sieht ja recht gefällig aus;aber wie zum Teufel kommt das Zeug aus Area 51 in Ihren Garten?