Viele werden das Gefühl kennen: Man hat Lust auf was richtig Leckeres, doch das persönliche Budget gibt es einfach nicht her. So schreien die vielleicht letzten Sommerabende nahezu nach einem tollen Riesling auf der Terrasse, dem Balkon oder auf der Parkbank. So einen wie den 2011er Burger Hahnenschrittchen Riesling Spätlese trocken vom Öko-Weingut Steffens-Kess aus Reil an der Mosel. Feiner Schiefer trifft im Mund auf Mango und Papaya, alles bereits in sich ruhend und mit straffer, lebendiger Säure austariert; Riesling vom Feinsten. Weder ein dürres Moselchen noch ein im „burgundischen Stil“ aufgeblasener Mumpf-Riesling. Sondern klar, wahr und reintönig – ein Spaßwein der subtilen Sorte.
Kostet allerdings (für diese Qualität vollkommen angemessene) 10,30 Euro pro Flasche. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Doch unsere parlamentarische Demokratie hat just in diesen Wochen eine temporäre Lösung für Hartz-IV-Empfänger, Armutsrentner, Niedriglöhner oder anderweitig prekär Beschäftigte anzubieten: Den Stimmenverkauf.
Schließlich gibt keinen vernünftigen Grund, dass die totale Ökonomisierung der Gesellschaft vor den „freien und geheimen“ Wahlen Halt macht. Wählerstimmen sind für Parteien, und ihre Repräsentanten blankes Kapital. Und besonders für Menschen, die den Glauben an politische Gestaltungsmöglichkeiten durch Wahlen verloren haben und/oder auf Grund ihrer prekären Einkommensverhältnisse ein kleines Zubrot gut gebrauchen können – und sei es auch nur für den Kauf einer guten Flasche Riesling - ist dies eine interessante Möglichkeit, ihre Stimme eben nicht zu verschenken.
Der Verkauf einer Wahlstimme ist ziemlich einfach. Man beantragt – wie mittlerweile über 20 Prozent aller Wahlberechtigten – Briefwahlunterlagen und bietet diese blanko Interessenten zum Kauf an. Von Anzeigen oder Aushängen („ Erst- und Zweitstimme im Wahlkreis x meistbietend zu verkaufen“) ist allerdings dringend abzuraten. Zwar dürfen sich Abgeordnete in Deutschland nach wie vor vollkommen legal bestechen lassen, aber beim An- und Verkauf von Wählerstimmen fährt der Gesetzgeber scharfe Geschütze auf. Im § 108b des Strafgesetzbuches heißt es dazu:
(1) Wer einem anderen dafür, dass er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer dafür, daß er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.“
Wer seine Stimmen verscherbeln will, sollte dies also diskret tun, sich aber keinesfalls über den Tisch ziehen lassen. Bei der FDP, die um den erneuten Einzug in den Bundestag zittern muss, oder bei der AfD, die auf den letzten Metern doch noch die 5-Prozent-Hürde nehmen will, sollte schon ein mittlerer zweistelliger Betrag drin sein. Auch beim Verkauf kann Stimmensplitting sinnvoll sein. Warum nicht die Zweitstimme einer der o.g. Organisationen vermachen und die Erststimme einem zwar aussichtsreichen, aber nicht auf der Landesliste abgesichertem Kandidaten einer großen Partei offerieren? Immerhin geht es für den um eine knappe halbe Million, denn soviel kassiert man als Bundestagsabgeordneter mindestens in einer Legislaturperiode. Bestechungsgelder sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Da fällt ein kleiner Obolus für ein paar möglicherweise entscheidende Stimmen doch gar nicht ins Gewicht. Ohnehin handelt es sich um eine klassische win-win-Konstellation. Eine Partei oder ein einzelner Kandidat sichern sich mittels Stimmenkauf ihre Pfründe, und der Verkäufer macht sich ein paar schöne Abende mit gutem Riesling und tröstet sich damit darüber hinweg, dass auch die nächste Bundesregierung von Angela Merkel geführt werden wird.
P.S. Liebe Ermittlungsbehörden: Dies ist kein Aufruf zu Straftaten sondern SATIRE, falls Sie wissen, was das ist.
Dieser Artikel erschien am Sonnabend auch bei Captain Cork, der ultimativen Internet-Weinzeitung.