Reingefallen! Ich habe natürlich nicht die geringste Ahnung, ob Horst Seehofer jemals Lemberger getrunken hat, oder auch nur weiß, worum es sich dabei handelt. Aber seitdem der große deutsche Wortsetzer Eckhard Henscheid den dritten Band seiner grandiosen “Trilogie des laufenden Schwachsinns” mit „Die Maitresse des Bischofs“ betitelte, obwohl dort weder eine Maitresse noch ein Bischof erwähnt werden, erscheint mir dieses Mittel der Leserköderung durchaus probierenswert.
Zu Seehofer ist ohnehin nicht viel zu sagen. Die von ihm geführte CSU hat in Bayern die Mehrheit der Parlamentssitze gewonnen, was angesichts der Tatsache, dass laut Umfragen 84 Prozent aller Bayern mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden sind, nicht verwundert. Die doofe FDP und die doofen Grünen haben kräftig abgelosed, und von daher hatte diese Wahl doch noch was Erfreuliches.
Wenden wir uns anderen wichtigen Dingen zu. Lemberger gehört in Deutschland noch immer zu den unterschätzten Rotweinsorten, obwohl er in der Vergangenheit einiges an Renomée gewonnen hat.
Aus dem schwäbischen Ergänzungstrunk zum meist unsäglichen Trollinger ist so etwas wie das Flagschiff des württembergischen Qualitätsweinbaus geworden. Doch auch hier gilt: Wenig Licht und jede Menge Schatten. Viele Lemberger werden auf hohe Alkoholwerte ausgeblasen und mit arg viel Holz malträtiert. So verlieren sie ihre klare Frucht und den erdig-mineralischen Geschmack. Alkoholwahn und Holzeritis haben dabei längst auch das untere Preissegment erreicht – wo sie angesichts der bescheidenen Substanz besonders peinlich und deplatziert wirken. Mit einer gewissen Wehmut erinnere ich mich an den Lemberger „Ilsfelder Rappen“ 2006 vom Weingut Golter. Herrlich altmodisches, gradliniges Zeug. Komplett im Stahltank ausgebaut, schlanke 12 Prozent Alkohol. Kein „großer Wein“, aber angenehme Präsenz von Sauerkirsche, ein wenig Paprika und einer Prise Pfeffer. Kostete schlappe fünf Euro. Doch derartige Weine habe ich seitdem kaum noch gefunden.
Natürlich gibt es große Lemberger, wie z.B. von Graf Adelmann oder vom Weingut Knauß. Da ist man allerdings auch mit 29 bzw 22 Euro pro Flasche dabei. In dieser Liga möchte auch eine der besten deutschen Genossenschaften mitmischen, die ihren Sitz in Cleebronn-Güglingen hat. Bei der Produktlinie „Emotion CG“ (ja, das tut schon ein bisschen weh…) geht es um Spitzenweine, die keine Konkurrenz mit den noblen Adressen des VDP fürchten müssen, sagen die Genossen mit gesundem Selbstbewusstsein. Nun ja, das sagen viele. Doch in diesem Fall mit Recht! Der 20011er Cleebronner Michaelsberg ist kein „lauter“ Wein. Er protzt nicht mit holzbasierten Röst- und Vanilletönen und vordergründigen Fruchtattacken, sondern besticht mit feinen Kirsch- und Waldbeeraromen, ein wenig Schattenmorelle am Gaumen, dezenten Kräuternoten und einem ausgesprochen saftigen Mundgefühl. Das Holz unterstützt die Substanz und bändigt die Tannine, auch die durchaus prägnante Säure ist keineswegs schrill. Freunde mineralischer Geschmackseindrücke werden ob der steinigen Noten ebenfalls anerkennend bis begeistert aufjuchzen. Vor allem wirkt dieser Wein nicht „gemacht“, sondern im Weinberg gut gereift und anschließend dezent und respektvoll vom Kellermeister begleitet. Dass man sich ein bisschen an den Stil der burgenländischen DAC Eisenberg erinnert fühlt, ist nun wahrlich kein Makel. Und wer die Herbstsaison dazu nutzt, diesen Wein zu einem Steinpilzgericht oder einer Wildschweinkeule auf den Tisch zu stellen, wird noch ganz andere Jubelarien anstimmen.
Natürlich hat soviel ungetrübte Weinfreude auch ihren Preis. In diesem Fall sind es 19,90 Euro pro Flasche. Das ist nicht wenig, aber vergleichsweise auch nicht sonderlich viel. Die Suche nach überzeugendem Lemberger im unteren Preissegment kann dieser Wein natürlich nicht ersetzen. Ich werde sie also unverdrossen fortsetzen.
Der 20011er Cleebronner Michaelsberg ist im Internet-Shop der Genossenschaft noch nicht gelistet. Man kann ihn dennoch hier bestellen
Foto Seehofer: Ralf Roletschek/ Wikipedia