So ein Wahlabend will gut vorbereitet sein. Zwar stand bereits seit Monaten fest, dass das Merkel Kanzler bleibt, doch ein paar Unwägbarkeiten gab es durchaus.
Für ein Scheitern der FDP und der AFD an der Fünf-Prozent-Hürde hatte ich eine Piccolo Moet & Chandon Brut Imperial in den Kühlschrank gestellt. Auch für den traurigen Fall, dass eine oder gar beide in den Bundestag einziehen, war vorgesorgt. Als Selbstkasteiung hatte ich mir eine Flasche Sternburg Export verordnet, eines der ekligsten Getränke, das in Deutschland legal verkauft werden darf.
Für ein von mir ersehntes Ergebnis der Grünen unterhalb von zehn Prozent stand ein – natürlich mit Ökosiegel versehener – Riesling bereit, der 2011er Hallgarten Hendelberg von Jakob Kühn . Und der SPD wollte ich für jeden Prozentpunkt, den sie gegenüber der letzten Wahl verliert (da waren es 23,3 Prozent) mit einem Glas Grauburgunder von Stefan Steinmetz gratulieren, also jener Rebsorte, für die der Spitzenkandidat Peer Steinbrück (zu Recht) nicht weniger als fünf Euro ausgeben will.
Auch für die LINKE war vorgesorgt – natürlich mit einem Rotwein (2009er Brüssele`r Spitze Kleinbottwarer Samtrot QbA trocken von Graf Adelmann. Obwohl ich diese Partei aus verschiedenen Gründen nicht gewählt habe, hoffte ich dennoch, dass sie mit einem soliden Ergebnis als Oppositionspartei im nächsten Bundestag vertreten sein wird. Eine einigermaßen belastbare Hochrechnung von 10 Prozent plus x hätte zum unweigerlichen Entkorken der Flasche geführt.
Tatsächlich musste ich am Sonntag nicht so viel durcheinander trinken. So blieb mir z.B. das „Sterni“ erspart, da mir sowohl FDP als auch AfD den Gefallen taten, den Einzug in den Bundestag zu verpassen. Dafür Champagner: Der Moet bietet eine blumige Nase und einen weicher Antrunk mit ein wenig Kandis und Brioche. Dazu kommt ein leicht rauchiges Gefühl am Gaumen. Überraschend frisch (Zitrusnoten) dagegen der Abgang. Kann man sich dran gewöhnen (an „Sterni“ dagegen nicht).
Leicht angebrezelt war der Rest des Abends jedenfalls besser zu überstehen. Denn jetzt begannen die ganzen Politpappnasen im Minutentakt ihr „zunächst einmal möchte ich unseren Wählerinnen und Wähler und natürlich auch allen, die uns im Wahlkampf unterstützt haben, meinen Dank aussprechen“-Mantra abzusondern. Statt endlich mal lauthals und ehrlich zu schimpfen: „Warum habt ihr Dumpfbacken diesen ganzen Trotteln und nicht uns die Stimme gegeben“.
Egal. Den Grauburgunder konnte ich wieder zurück ins Regal stellen, da die SPD zwar gefühlte Lichtjahre vom Erfolg entfernt war, aber ihr Absturz-Ergebnis von 2009 nicht unterbot. Auch der Samtrot vom Grafen darf noch ein paar Tage oder Wochen reifen, da die LINKE einstellig blieb. Dafür wurde nach der 2. Hochrechnung der Riesling aufgeschraubt, denn die Grünen pendelten sich bei 8 plus x Prozent ein. Der spontanvergorene Riesling von Kühn schmeichelt sich sofort mit reifer Birne ein und liefert bald satten Weinbergspfirsich nach. Und wer schon immer wissen wollte, wie Pfirsich mit frischer Minze schmeckt, ist mit dem Hendelberg bestens bedient. Das alles mit einer Prise Salz und ausgesprochen schmelzig. Kühn arbeitet biodynamisch. Davon muss man nichts halten, aber geschadet hat diesem Wein definitiv nicht.
Das Ergebnis der Wahl ist also durchaus befriedigend. Schließlich zeigte sich erneut, dass der Jahrgang 2011 hervorragenden Riesling ermöglichte. Dass Mutti Kanzlerin bleibt, ist da fast schon zu verschmerzen.
Selbstverständlich habe auch ich gewählt, und zwar nicht nur Schampus und Riesling. Was genau und warum habe ich bereits im Mai verkündet und zwar hier
Nichts gegen den Riesling von Kühn. Aber ich finde gas Ganze doch arg nihilistisch. Soll man sich mit den Verhältnissen denn einfach so abfinden und nur noch saufen?
Natürlich nicht! Aber diesen Wahlzirkus kann ich nun wirklich nicht mehr Ernst nehmen