Erst Bücher, dann Riesling

 Größer könnte der Kontrast kaum sein. Erst zwei Tage im Gewusel der Selbstdarsteller und Koofmichs auf der Frankfurter Buchmesse und dann in der beschaulichen Ruhe eines Mosel-Weindorfs.

 Aber der Reihe nach: Das neue Weinbuch ist noch nicht fertig, die Auslieferung ist auf Ende November verschoben, warum und wieso weiß ich nicht. Trotzdem war der Empfang des Verlages recht nett. Und die berühmte Halle 3.1 ist ohnehin immer wieder einen Besuch wert. Hier versammeln sich neben allerlei explizit rechten und linken Verlagen auch alle irren Esoteriker und Weltverschwörungstheoretiker, wobei das keineswegs ein Widerspruch sein muss. Im hinteren Teil der Messehalle dann die „Gourmetgalerie“ mit den entsprechenden Verlagen und dem lärmenden Stand eines Hausgeräteherstellers mit regelmäßigen Kochshows.

 

Gerhard Eichelmann, der Verleger meiner ersten beiden Bücher, trägt es mit Fassung und Stil. Er begrüßte mich mit einem sehr schönen Gutedel vom Weingut Frick; klar, gradlinig, durchgegoren, leicht, ganz dezent nussig. Kurzum: „Unmoderner“ Wein, wie ich ihn mag. Und als an dem Stand das tolle neue Elsass-Buch des Autorenkollegen Wolfgang Faßbender vorgestellt wurde, gab es ordnungsgemäß neben Spitzenweinen der Region (über die ich mich bei Gelegenheit ausführlicher äußern werde) natürlich Gänsestopfleber. Vorbildlich!

 

Der “Reiler Goldlay”: Sieht nach viel Arbeit aus-und nach gutem Riesling

 Jetzt also Urlaub in Reil, einem entzückenden Moseldorf zwischen Cochem (die Hölle!) und Traben-Trarbach. An diesem Teil der Mosel wachsen auf Steil- und Steilstlagen Rieslinge der absoluten Weltspitze, was nicht ausschließt, dass in erster Linie belangloses, aufgeblasenes Zeug auf die Flasche gefüllt wird.

 Für die Winzer ist es im Moment stressig. Der „goldene Oktober“ macht gerade Pause, die Säurewerte in den Trauben sind noch sehr hoch. Viele wollen den Riesling noch ein wenig hängen lassen, aber durch die feuchte Witterung nimmt die Fäule allmählich zu. Von Tag zu Tag wird neu entschieden, ob und was gelesen wird.

 Viele Ökowinzer auch aus benachbarten Gemeinden haben Parzellen in den Reiler Lagen. Es sind Überzeugungstäter, die sich als respektvolle Partner ihrer Böden und Reben und der übrigen Flora und Fauna verstehen. Sie streben danach, Weine zu machen, bei denen man die jeweilige Lage und die Jahrgangstypizität schmecken kann. Hier geht es um sehr viel Handarbeit auf dem Berg und um den Verzicht auf schweres Gerät und Chemiebaukästen, die die Produktion effektiver machen und die Weine langweiliger. Das hat seinen Preis, und den wollen die meisten Kunden nicht bezahlen, solange es obskure „Spätlesen“ von der Mosel für 2,99 beim Discounter gibt. Die Folge ist, dass viele Spitzenlagen brach liegen, weil sich die Bearbeitung nicht lohnt. Man kann sie „Für’n Appel und’n Ei“ kaufen, während anspruchslose Flachlagen, die maschinell zu bearbeiten sind, das Doppelte kosten.

 Schon an meinem ersten Tag an der Mosel habe ich bei zwei Winzern tolle Weine probiert, darunter einen wirklich sensationellen Müller-Thurgau. Mein Gastgeber Richard Arns vom gleichnamigen Familienweingut keltert aus der zu Recht vielgeschmähten Massenrebe einen herrlich klaren Wein mit dem Duft nach sommerlichen, satten Wiesen , zarten Anklängen an Pfirsich und exotische Früchten sowie einem leichten Muskatton. Großartig! Nennt sich mit elegentem Understatement “Gutsabfüllung” und kostet 5,20 Euro Und auch seine Ferienwohnung ist ein (bezahlbarer) Traum

Thorsten Melsheimers „Sponti“-Rieslinge sind ohnehin eine Klasse für sich, vom schmelzigen Gutswein bis zu den edelsüßen Auslesen mit jenem unnachahmlichen Süße-Säure-Spiel, das aussschließlich Riesling entfalten kann. Beide Winzer und ihre Weine werde ich in den kommenden Tagen auf diesem Blog noch ausführlicher beschreiben

Wo viel Licht, da auch viel Schatten. Die erste kulinarische Exkursion in die Reiler Gastronomie war jedenfalls niederschmetternd, was mich angesichts früherer Erfahrungen an der Mosel aber nicht überrascht. Der Zander lag auf Bandnudeln mit einer schleimigen Pampe, die schlicht ungenießbar war. Dazu gab’s einen sinnlos zusammengewürfelten Salat mit einem schrecklichen Dressing, alles begleitet von einem furchtbar langweiligen Riesling. Aua!

Doch das macht nichts. Wenn ich nicht gerade durch die Gassen des wirklich schönen Ortes wandele, sitze ich auf meiner Terrasse, schaue auf die Mosel und die Steillage „Reiler Goldlay“ und trinke ein Gläschen Öko-Traubensaft, der erst vor einigen Tagen gepresst wurde. Es könnte einem auch schlechter gehen.

 

4 Gedanken zu “Erst Bücher, dann Riesling

  1. aha, hat das familienweingut drei kisten müller-thurgau nach berlin versandt, dass hier so ein loblied gesungen wird? sind demnächst auch arien auf den dornfelder zu erwarten? wer hat eigentlich die reise an die schöne mosel spendiert? ausgesuchte winzer oder weinbauernverband? ich erwarte aufklärung, genosse balcerowiak!
    p.s. reiler goldlay ist wirklich empfehlenswert. bitte ein kiste an die parteiorganisation schicken!

    • 1.) Es handelt sich um eine selbstverständlich rein privat finanzierte Urlaubsreise.
      2.) Den Müller-Thurgau habe ich hier vor Ort auf Empfehlung von Harald Steffens probiert. Dort kannst du auch eine Kiste Reiler Goldlay bestellen.
      3.) Dornfelder ist in der Tat großartig – als Traubensaft. Ich trinke derzeit eine halbe Flassche täglich von dem göttlichen Stoff. Echter Bio-Traubensaft – von meinem Vermieter. Wein macht er darauss nicht – und weiß auch sehr genau warum.

      Gruß von der Mosel

      • hm, hat der lotse etwa schon eine rechtschreibschwäche von zuviel dornfelder?

        • Wer alles klein schreibt, sollte nicht mit Rechtschreibschwäche-Steinen werfen!! Außerdem trinke ich Dornfelder ausschließlich unvergoren