Wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch ein bisschen mitmachen. Schließlich entscheidet sich die Weinqualität maßgeblich auf dem Berg. Also Wecker gestellt, zum Weingut gelatscht, hoch in die Hang kutschiert, Rebschere in die Hand genommen und los geht’s. Harald Steffens ermuntert ausdrücklich, bei der letzten Riesling-Vorlese nochmal kräftig auszusondern, um in ein paar Tagen, wenn die eigentliche Lese ansteht, nur noch gesunde Trauben an den Stöcken zu haben. Auch beim Weißburgunder war eher Krummsäbel als Florett gefordert. Vollkommen nachvollziehbar – schließlich mag auch ich Weine, die keine unangenehmen pilzigen Töne aufweisen, vor lauter Filtriererei nur noch leer schmecken oder als aufgeblasene, unreife Wässerchen daherkommen.
Wer den Vergleich zwischen den allgegenwärtigen Mosel-Mumpftropfen und den trockenen Spaß-Rieslingen von Steffens-Kess sozusagen vor der Haustür hat, weiß, wozu diese Plackerei gut ist. Vom Gutswein bis zur Auslese sind seine Weine kristallklar. Steffens ist zwar überzeugter Ökowinzer, setzt aber auf Reinzuchthefen, weil er den „Spontis“ in Bezug auf Reintönigkeit und vor allem auch Verträglichkeit nicht traut. Er bekäme davon Kopfschmerzen, sagt er. Ein trefflicher Grund, im eigenen Keller anders zu operieren. Ferner benutzt er auch bei seinen ausschließlich trockenen Abfüllungen die umstrittenen Prädikate und setzt sie konsequent als Bezeichnungen für eine bestimmte Reife, Dichte und Komplexität seiner Weine ein. Mein momentaner Liebling ist die 2011er Burger Hahnenschrittchen Riesling Spätlese trocken mit ihrer steinigen Mineralik, der prickelnden Säure und dem Gefühl, eine reife Ananas im Mund zu haben, der dann noch ein paar andere Früchte, vom Pfirsich bis zur Mango, folgen. Und das alles in einem geschliffenen, aber keineswegs glatten Stil.
Ein paar Hausnummern weiter hat an der Reiler Dorfstraße auch sein Freund und ECOVIN-Mitstreiter Thorsten Melsheimer sein Weingut. Der ist auf einem komplett anderen Trip. Alle seine Weine werden spontan vergoren – selbst der aktuell im Verkauf befindliche trockene Gutswein blubberte 1 ½ Jahre ohne Kühlung auf der Hefe, bzw. blubberte längere Zeit eben nicht. Für Melsheimer ist die Spontangärung unverzichtbar, um die Charakteristik eines Weines herauszuarbeiten und ihm eine lange Haltbarkeit zu verschaffen. Der Großteil seiner Weine wächst auf dem Reiler Mullay-Hofberg, einem teilweise terrassierten, beeindruckenden Steilhang direkt am Fluss.. Melsheimer bewirtschaftet einige Lagen, in denen es richtig weh tut. Aufgrund der unterschiedlichen Kleinklimata werden – je nach Jahrgang – bestimmte Weine parzellenrein gekeltert und ausgebaut. Prädikate verwendet Melsheimer ausschließlich für rest- und edelsüße Weine: Beschwingte, leichte Kabinette mit Fruchtsüße, tiefgründige Spätlesen aus hochreifem, aber gesunden Lesegut und Auslesen mit hohem Botrytisanteil. Seine Weine weisen -trocken bis edelsüß – den charakteristischen „Sponti-Schmelz“auf, geizen aber dennoch weder mit mineralischen, manchmal ausgesprochen erdigen Tönen und großartigen Süße-Säure-Spielen nebst exotischer Aromatik. Angetan hat es mir aktuell sein „Molun 1143“ Riesling trocken 2011. Intensiver Duft nach Äpfeln und Quitten. Zarter Pfirsichton, ein wenig Kräuter, eine Ahnung von Honig und straffe Mineralität. Großer Trinkspaß!
Zur Ehrenrettung der Reiler Gastronomie sei noch vermerkt, dass man in der „Villa Melsheimer“, die von einem Verwandten des Winzers geführt wird, richtig gut essen kann und natürlich auch anständige Weine serviert bekommt. Empfohlen wurde uns noch der „Reiler Hof“ (wird ausprobiert) Um die meisten anderen Gaststätten der Gegend kann man aber getrost einen Bogen machen, und der in vielen Straußwirtschaften ausgeschenkte Riesling macht schlicht Kopfschmerzen und schlechte Laune. Aber die kann man in Reil mit Weinen von Steffens-Kess, Melsheimer oder auch Arns effektiv bekämpfen.
Die Burger-Hahnenschrittchen-Riesling-Spaetlese-trocken 2011 vom Weingut Steffens-Kess gibt es für 10,30 Euro ab Hof
Den Molun 1143 Riesling trocken 2011 vom Weingut Melsheimer gibt es für 12 Euro ab Hof
Ja, ja, die “Spontis”. Ich hab da auch manchmal meine Probleme, gerade bei trockenen Weißweinen. Aber oft ist das eh nur ein Marketing-Gag: Da wird ein bisschen spontan vergoren und dann kommen die Reinzuchthefen hinterher.
Ansonsten: Wie wär’s denn mal mit einem anständigen Literwein von der Mittelmosel? Die in dem Artikel empfohlenen Tröpfchen mögen ja klasse sein, hauen aber finanziell doch recht kräftig ins Kontor. ( Was nicht heißen soll, dass sie ihr Geld nicht auch Wert sein können)