Ostern 2017 wird hiermit abgesagt

Ostern 2017 wird hiermit abgesagt. Das Wetter ist indiskutabel, statt Osterbotschaften hagelt es Bekennerschreiben, zwei Irre, Trump und Erdogan, sind unbeirrt auf mörderischen Krawall gebürstet. Außedem schmeckt der Spargel noch nicht

Doch nun mal langsam. Am Dienstag explodierten drei nach Ermittlerangaben ziemlich professionell hergestellte Rohrbomben am Mannschaftsbus des Fußballklubs BVB Borussia Dortmund. Schnell tauchten zwei Bekennerschreiben auf, eines von „Islamisten“ ein weiteres von der „autonomen Antifa“. Beide sind anscheinend dermaßen schwachsinnig, dass das sogar die Ermittler bald checkten – was bekanntlich nicht immer der Fall ist. Inzwischen gibt es eine dritte Selbstbezichtigung, diesmal von „Rechtsradikalen“, die den Anschlag als „letzte Warnung“ bezeichneten (wovor auch immer) und Attacken auf eine Demonstration am kommenden Sonnabend in Köln ankündigten, die sich gegen den AfD-Bundesparteitag richten soll. („Buntes Blut wird fließen“)

Fehlt eigentlich nur noch ein Bekennerschreiben von Schalke-Ultras (die den BVB bekanntlich nicht sonerlich gut leiden können) Auch ein paar Geheimdienste sollten allmählich ins Spiel gebracht werden. Wenn jetzt nichts mehr kommt, muss ich wohl selber ein Bekennerschreiben verfassen.

Dass vergangene Nacht in Kremmen (Brandenburg) mal wieder Brandsätze auf eine Flüchtlingsunterkunft flogen , sorgt da kaum noch für Aufregung und gehört anscheinend eh zur regionaltypischen Folklore. Deutlich mehr Aufmerksamkeit erregt das Referendum in der Türkei, bei dem sich Erdogan seine Form des islamischen Fschismus vom Wähler legitimieren lassen will. Auch in Deutschland lebende Türken durften mitwählen. Rund 700.000, das entspricht knapp 50 Prozent, haben davon Gebrauch gemacht. Ein großer Teil, möglicherweise die Mehrheit, werden für Erdogan gestimmt haben. Es ist keine berückende Vorstellung, dass wahrscheinlich auch viele meiner türkischen Nachbarn in Berlin-Moabit mehr weniger glühende Anhänger eines islamischen Faschisten sind.

Nicht ganz so wichtig ist die Spargelfrage. Was derzeit in Berlin angeboten wird, ist ziemlich langweiliger, geschmacksneutraler Mist. Außerdem hat man den Eindruck, dass die märkische Gemeinde Beelitz, die fast immer als Herkunftsangabe auf den Schildern prangt, mittlerweile ganz Brandenburg umfasst.

Kleiner Trost an einem missratenen Osterwochenende. Zwar nicht das “Lamm Gottes” aber immerhin eine solide Keule.

Wenigstens der Silvaner schmeckt. Das tut er eigentlich immer, aber ich habe bei meinen Vorproben zur Spargel-Silvaner-Vergleichsverkostung den Eindruck, dass der 2016er Jahrgang für leichte, durchgegegorene Weine wesentlich förderlicher war als der Vorgänger.

Wie anfangs gesagt: Ostern 2017 ist hiermit offiziell abgesagt. Natürlich habe ich mir Karfreitag noch die ganz große antisemitische Dröhnung gegeben, die Johannes-Passion von J.S. Bach und die Brockes-Passion von G.P. Telemann. Vier Stunden fantastische Musik und geballter Judenhass, immer wieder ein verstörendes Erlebnis.

Auch heute gibt’s noch ein ganz klein bisschen Ostern in Form einer soliden Lammkeule, die bereits im Ofen bei Niedrigtemperatur gart. Dazu ein sensationeller Spätburgunder aus Franken, über den ihr in der nächsten Ausgabe des Mazins „Effilee“ lesen könnt. Aber dann ist endgültig Schluss mit Ostern

 

 

 

 

 

ProWein: Perlensuche im Geschwätzigkeitsmeer

Natürlich sind Messen wie die ProWein auch Jahrmärkte der Eitelkeiten. Herr und Frau Wichtig treffen Mister und Miss Busy, und im Halbstundentakt versuchen mehr oder weniger gut bekannte und bezahlte Stars und Sternchen der Weinszene auch noch müdeste und teilweise abstruse Getränke in den höchsten Tönen zu preisen.

Wohl auch deswegen reicht mir inzwischen ein Tagesaufenthalt auf der dreitägigen Düsseldorfer Messe. Wenn man einen großen Bogen um den trendigen Extra-Pavillon der „Organic World” macht und sich in die jungen, trockenen, leichten Silvaner aus Franken hinein verkostet. die in diesem Jahr den Spargel begleiten sollen, macht die Sache auch richtig Spaß. Und wenn man bei seinen vereinbarten Terminen dann noch Highlightst wie den Kellermeister der Kellerei Tramin,Willy Stürz, und ein paar Top-Winzer aus dem Carnuntum mit großartigem Zweigelt auf dem Programm hat, weiß man endgültig, dass man nicht umsonst in aller Herrgottsfrühe in den ICE von Berlin nach Düsseldorf gestiegen ist.

Ein Mann und sein Werk: Willi Stürz mit seinem Gewürztraminer “Nussbaumer”

 

Die aktuelle Gewürztraminer-Kollektion der Südtiroler Kellerei sucht wohl ihresgleichen. Ein stahliger, klarer Gutswein, eine etwas fülligere Selektion, die trockene Aromabombe „Nussbaumer“ und gleich zwei edelsüße Weine im Stil deutscher Beeren- bzw. Trockenbeerenauslesen bieten einen umfassenden Einblick in das Potenzial dieser zickigen Sorte. Und was Franz und Christine Netzl aus Göttlesbrunn auf ihrer Spitzenlage Haidacker aus der eher übel beleumdeten Rebsorte Zweigelt herausholen, ist fast schon sensationell: Ein gleichermaßen eleganter wie konzentrierter Rotwein mit sanfter Kirsche und viel trockener Kräuterwürze.

Charmante Winzerin mit charmantem Wein. Christine Netzl mit dem “Haidacker”

Natürlich könnte ich jetzt noch schreiben, was der schrecklichste Wein meiner ProWein-Stippvisite war. Oder was für Geisterfahrten einige deutsche Winzer in Sachen weiße Cuvées unternehmen. Aber das lasse ich dann mal ausnahmsweise.

 

 

 

 

Wir brauchen mehr Rock’n'Roll!

Ja, ich gebe es zu, Als ich mit12,13 Jahren begann, auf der Gitarre herum zu dilettieren, ging es zunächst um „Blowin in the Wind“ und „La Poupée qui fait non“ (Michel Polnareff ). Andererseits war ich ja – in strikter Opposition zu meiner älteren Schwester,die auf Beatles und vor allemGeorge Harrison stand – Stones-Fan. Also wurde „Satisfaction“ in die Seiten gehackt. Von da aus war es nicht mehr weit zu Chuck Berry und „Johnny be good“, zumal die alliierten Besatzer-Sender AFN und BFBS quasi rund um die Uhr die Botschaft des Rock’n'Roll in Westberliner Kinder- und Jugendzimmer trugen.

Ja , dieses Intro hat mein Leben verändert, und nicht nur meins.Es war laut, dreckig und gemein, ein Schlag in die Fresse meiner Mathelehrerin, ein deutliches Signal an meine „spießigen“ Eltern, die vornehmlich Catharina Valente und Peter Alexander hörten (manchmal allerdings auch Glenn Miller und Ella Fitzgerald.

Natürlich war mit damals noch nicht bewusst, dass die Riffs von „Johnny be good“ und „Roll over Beethoven“ Initialzündung für eine ganze Epoche waren. Der Geist des Rock’n“Roll war aus der Flasche und beseelte nicht nur meine zunehmend souveräner agierenden Finger auf der Gitarre. Zwar machte ich noch einen mehrjährigen Umweg über Folk-Musik, doch dann begann eine längere Phase, in der mein Leben stark von einem Marshall-Röhrenverstärker, einer Gibson Marauder, einer Fender Telecaster, ganz viel Bier und (deutlich weniger) Haschisch geprägt wurde. Das ist vorbei, aber noch heute löst gute, harte Rockmusik bei mir mitunter recht merkwürdige Schwingungen aus.

Chuck Berry wurde 90 Jahre alt, was für einen Rock’n'Roller mit seiner Vita eine große Leistung ist. Er war und ist der Meister, alle anderen sind seine Jünger, egal ob sie Keith Richard, Eric Clapton. Jimi Hendrix , Neil Young oder Lou Reed heißen. Am Sonnabend wurde er tot in seinem Haus in Missouri gefunden. Das Leben geht weiter und Rock’n'Roll wird niemals sterben.

 

 

Danke Lidl

Wer’s hat, der kann sich für 50, 500 oder 5000 Euro einen Tokajer, eine angesagte deutsche Trockenbeerenauslese oder einen Chateau d’Yquem besorgen, wenn ihm der Sinn nach edelsüßen Weinen steht. Wer mit schmalerer Brieftasche unterwegs ist, kann zu Lidl gehen und im Moment einen Monbazillac für 4,49 Euro kaufen. Frisch und präsent, geröstetete Mandeln, Honig, getrocknetes Obst, ein wenig Orangenschale und feine Säure.

Ja, die erstgenannten mögen vielschichtiger und filiraner sein. Den Preisunterschied erklärt das allerdings nicht. Natürlich lassen sich derartige Qualitätsunterschiede nicht in Formeln ausdrücken. Ein Faktor zehn mag noch irgendwie nachvollziehbar sein, ein Faktor 100 oder gar 1000 keinesfalls. . Das erinnert dann eher an das Verhältnis zwischen dem Gehalt der Arbeiter bei VW und dem Salär (plus Rentenansprüchen) für Ex-VW-Chef Martin Winterkorn.

Und nein: Ich bin weder „Schnäppchenjäger“ noch „Geiz ist geil“ – Propagandist. Sondern einfach ein Weinfreund, der sich teure Tropfen selten bis nie leisten kann und dennoch genusstechnisch nicht zu kurz kommen will. Deswegen: Danke für dieses Angebot. Lidl.

Was für ein Scheiß-Staat

Auf die Parteien, die den Schlamassel angerichtet haben, ist man an diesem Sonnabend auf dem Heinrichplatz nicht sonderlich gut zu sprechen. „Rollt gefälligst eure Parteifahnen ein“, hieß es vom Lautsprecherwagen in Richtung einiger Anhänger der Bündnisgrünen und der LINKEN.

Die Demonstration bewegte sich dann gemächlich in Richtung Südosten, sozusagen ins Kerngebiet des alten „SO 36“ wie dieser Teil von Kreuzberg früher hieß. Waren es zunächst nur einige Hundert, so beteiligten sich später über 2000 Menschen an dem Protestmarsch gegen die rasante Vertreibung von kleinen Kiezläden durch Miethaie und Spekulanten

Im Mittelpunkt der Demonstration standen drei Geschäfte, die man getrost als „Kiez-Institutionen“ bezeichnen kann. Das Café Filou in der Reichenberger Straße gibt es seit 20 Jahren und ist nicht nur der einzige Bäcker in der Straße, sondern mit seinem preiswerten Imbissangebot ein beliebter Treffpunkt für die Nachbarschaft. Der neue britische Hausbesitzer hat den Betreibern des Cafés zum 31 Juli gekündigt, da es nicht zu seinen Vorstellungen zur Entwicklu8ng des Stadtteils passen würde, wie er Medien gegenüber erklärte.

Schon 36 Jahre gibt es den Haushaltswarenladen Bantelmann in der Wrangelstraße, der bereits Ende März schließen soll. Auch hier haben die neuen Hausbesitzer, zwei Österreicher, bislang keinerlei Bereitschaft zu Gesprächen über einen neuen Mietvertrag zu vertretbaren Bedingungen gezeigt.

Mit einem ausgesprochen prominenten Hausbesitzer hat es der Buchladen „Kisch&Co“ in der Oranienstraße zu tun. Die von der Immobilienfirma des Multimilliadärs und „Kunstmäzens“ Nicolas Berggruen verlangte Mieterhöhung ist für die Betreiber untragbar, der Laden soll nun einer Filiale eines Brillenanbieters weichen.

In ihrem Umfeld erfahren die betroffenen Läden viel Solidarität. Dabei sei die Vernetzung der verschiedenen Kiezgruppen ein wichtiger Schritt gewesen, betonte eine Sprecherin der Gruppe „Bizim Kiez“. „Wir wollen ein vielfältiges, solidarisches Kreuzberg und keinen Tummelplatz für Spekulanten und reiche Zuzügler“ hieß es in ihrer Ansprache. Nur durch massiven öffentlichen Druck könnten die rasanten Vertreibungsprozesse wenigstens punktuell aufgehalten werden. Dass Kreuzberg nach wie vor ein Hot Spot der Gentrifizierung ist, zeigen auch geplante Großprojekte wie ein Luxushotel am Oranienplatz und der neue „Google-Campus“ für Start-Up-Unternehmen im alten Umspannwerk an der Ohlauer Straße.

Mut macht den Gruppen, dass nach monatelangen Protesten die Räumung des legendären »Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf“ in der Manteuffelstraße abgewendet werden konnte, Auch der Vermieter des Projekthauses in der Lausitzer Straße 10 hat sich mittlerweile auf Verhandlungen eingelassen.

Die Proteste werden weitergehen. Bis auf weiteres soll an jedem Samstag um 16 Uhr eine Kundgebung vor dem Laden Bantelmann in der Wrangelstraße stattfinden, für den 21.März ist eine große „Kiezversammlung“ geplant. Zudem sollen die betreffenden Hauseigentümer mit Protestpostkarten und Mails „geflutet“ und falls möglich auch „besucht“ werden

Die „offizielle“ Politik im Bezirk und auf Landesebene unterstützt zwar verbal die Bemühungen um den Erhalt der Kiezläden und will sich auch in mögliche Verhandlungen einschalten. Doch es gibt keine rechtliche Handhabe, um drastische Mietsteigerungen und die Kündigung von Gewerbemietern verhindern zu können. Man freue sich über jede Solidarität, so David Schuster vom „Bündnis Zwangsräumung verhindern“ Aber man sei davon überzeugt, „dass nur der unmittelbare, breite Widerstand im Kiez derartige Vertreibungen bis hin zu Zwangsräumungen verhindern kann“.

Die Demo war ein Erfolg, die Veranstalter hatten nicht mit so viel Zuspruch gerechnet. Aber es waren immer noch viel zu wenig. Wenn es in dieser Stadt nicht bald mächtigen Aufruhr gibt, geht das soziale Gefüge komplett vor die Hunde. Ich übertreibe? In Berlin lebt jeder dritte Minderjährige von Hartz IV. Von den vielen besonders alleinerziehenden Niedrigverdienern gar nicht zu reden. Derweil explodieren die Mieten und ärmere Menschen werden aus der Innenstadt vertrieben. Noch Fragen? Danke, setzen, bzw. was unternehmen.

Doch irgendwann ist jede Demo mal zu Ende. Und noch gibt es tolle Kiezläden, wie z.B. den Köpenicker Weinladen in der Köpenicker Straße am Schlesischen Tor, eine Art Geschäft gewordener Schlag in die Fresse all jener Händler und Weinschreiber, für die Weine unter zehn Euro nichtswürdige Proll-Plörre sind. Kompetente, freundliche Beratung und schließlich der Kauf von zwei mir bislang vollkommen unbekannten Weinen: Ein kräftiger, würziger Elbling (Albana) aus der Region Romagna und ein sehr feiner trockener Gelber Muskateller vom Öko-Weingut Dr. Scholl (Rheinhessen) Für 14 Euro. Beide Flaschen! Genuss ist schließlich Notwehr.

 

 

Ich war „beim Griechen“

Früher war die Welt in Westberlin für unsereins noch überschaubar. In den 70er und 80er Jahren ging der weltgewandte Linke nach einer der unzähligen Sitzungen, Veranstaltungen und Aktionen „zum Italiener“ oder „zum Griechen“ . Bei Ersterem gab’s in der Regel Pasta oder Pizza bestenfalls einigermaßen erträglicher Qualität. Berüchtigt vor allem das Kultgericht schlechthin; „Spaghetti carbonara“ mit eine Sahnesoße (sic!!), Begleitet wurde dies von schlechtem Wein und zum Abschluss „auf Kosten des Hauses“ eine petroleumartige Flüssigkeit, bei der es sich angeblich um Grappa handelte.

„Der Grieche“ (egal welcher) verdankte seine Beliebtheit der Tatsache, dass er alle Speisen, vom Salat über den Schafskäse bis zum Gyros, in unglaublichen Mengen Olivenöl ertränkte. Außerdem gab es eine Spezialität: Panierte, frittierte, unverdauerliche Gummiringe die als „Calamaris“ firmierten. Auch hier gab es dazu schlechten Wein, der , anders als beim Italiener, noch eine spezielle verfaulte Note aufwies („Retsina“) Der Schnaps „auf’s Haus“ schmeckte zwar auch nach Petroleum, hieß aber „Ouzo“. Dir Portionen waren meist riesig, die Preise ausgesprochen billig und gratis dazu gab es eindrucksvoll verqualmte Räumlichkeiten und einen hohen Geräuschpegel.

Warum viele dieser Etablissements bis zum heutigen Tag überlebt haben, ist mir ein Rätsel. Denn mittlerweile hat sich Westberlin gastronomisch durchaus diversifiziert, und die hippe, urbane Avantgarde wie auch das linke Jungvolk bevorzugt mittlerweile Falafel, Sushi und vor allem vegane Pampe aller Art.

Eines der Relikte der „guten alten Zeit“ ist die „Kreuzberger Weltlaterne“ in der Kohlfurter Straße. Die müsste zwar eigentlich „Taverna XY“ heißen, tut sie aber nicht. Als „Grieche“ wird diese Ur-Kreuzberger Stampe seit über 40 Jahren geführt. Mein letzter Besuch in diesem Laden dürfte immerhin rund 30 Jahre zurückliegen.

Einiges hat sich nicht verändert. Der Laden ist an diesem Sonnabend proppenvoll, mit Mühe bekommen wir einen kleinen Zweiertisch. Die Bedienung ist ist nahezu ansteckend freundlich und zumindest im Nebenraum ist die Atmosphäre ausgesprochen familiär. Das leigt wohl daran, dass da heute die sind, die schon vor 30-40 Jahren hier einkehrten, jetzt aber zusammen mit Kindern und Enkeln. Auf dem Tisch auch nicht mehr übervolle, qualmende Aschenbecher, sondern Tablets, Smartphnoes und pädagogisch wertvolles Spielzeug.

Voll Old School ist die Speisekarte: Tzaziki, Taramas, Souvlaki, Soutzukakia, Calamaris und all die anderen Merkwürdigkeiten, die man eigentlich nie wieder essen wollte, jedenfalls nicht so zubereitet, wie es über Jahrzehnte üblich war. Einzige Konzession an den Zeitgeist ist eine „vegane Moussaka“.

Wir beginnen mit einem kleinen Teller Calamaris. Die Panade der kleinen Ringe und Füße ist nicht mehr so eklig wie früher, doch gummiartige Konsistens und Geschmacksneutralität sind geblieben. Also reichlich Zitrone rauf und rein damit. Und natürlich was trinken: Auch der Retsina ist weniger aufdringlich als früher, aber so richtig anfreunden kann ich mich mit dem Harzgeschmack nicht. Dann noch ein überraschend trockener weißér griechischer Landwein. Aromatisch zwar eher neutral, aber mit gutem Säutebiss

Es folgte der Hauptgang, aber bitte nur die kleinen Portionen, denn das Normalformat ist genauso üppig wie früher. Wir wählten Gyros bzw. Soutzukakia mit Tzaziki,Salatbeilage und Oregano-Kartoffeln. Tzaziki und Salat ganz o.K., jedenfalls ohne Ölteppich, Kartoffeln aber etwas matschig. Gyros wie immer, aber die Soutzukakia eher merkwürdig. Auf dem Teller keine Hackfleischröllchen, sondern zwei verdächtig nach TK-Ware aussehende Burger—Patties mit leicht hellenisierter Würzmischung. Dann natürlich noch der obligatorishce Ouzo „auf’s Haus“, die schmale Rechnung, und wir beendeten unseren kleinen Ausflug in die eigene Vergangenheit. Und das zu einer Zeit, wo man früher erst anfing, richtig zu trinken. Das ist vermutlich das Alter.

Fazit: Der Laden ist irgendwie ausgesprochen angenehm. Aber was das Essen betrifft wird „der Grieche „ wohl immer „der Grieche“ bleiben.

 

 

 

Schluss mit dem Nachhaltigkeitsterror

Der folgende Text erschien heute in der Wochenendbeilage von “Neues Deutschland” und ist dort nur für Abonnenten abrufbar.

Das Leben in der liberalen Wohlstandsgesellschaft ist ziemlich kompliziert geworden. An jeder Ecke lauern unzählige Weggabelungen und Fallstricke, die den „bewusst lebenden“ Menschen vom Pfad der Tugend abzubringen drohen. Wer sich dem Diktat der Nachhaltigkeit widersetzt, wird bestenfalls nur belächelt oder schief angeguckt, oftmals aber regelrecht ausgegrenzt. Das informelle Regelwerk ist umfangreich, unübersichtlich und teilweise widersprüchlich. Es greift in alle Lebensbereiche ein und ist vielseitig auslegbar. So taugt Nachhaltigkeit auch hervorragend als neoliberaler Kampfbegriff, wenn es etwa um die Kürzung von Renten oder strikte Austeritätspolitik geht. Schließlich müsse man nachkommende Generationen vor hohen Staatsschulden bewahren. Auf der anderen Seite dient sie als Klammer für esoterischen Irrationalismus bis hin zur Verehrung von faschismusaffinen, rassistischen Naturphilosophen wie Rudolf Steiner, dem wir nicht nur die Waldorf-Schulen, sondern auch die biodynamische Landwirtschaft zu verdanken haben. In den urbanen Mittelschichten ist Nachhaltigkeit zum Distínktionsmerkmal geworden, in den Werbeagenturen und PR-Abteilungen zum zentralen Verbreitungs- und Vermarktungsargument für Ideologien, Produkte und Dienstleistungen.

Wer sich in diesem Sinne gründlich daneben benehmen will, hat viele Möglichkeiten. Man kann beispielsweise den Kauf von Bio-Lebensmitteln verweigern, das „Fairtrade“-Siegel konsequent ignorieren, Pauschalreisen buchen, regelmäßig Fleischprodukte zu sich nehmen, die häusliche Stromversorgung nicht aus 100% erneuerbaren Energien bestreiten, sein so genanntes Übergewicht gleichmütig zur Kenntnis nehmen und bei der Behandlung von Krankheiten auf die „Schulmedizin“ vertrauen.. Dann ist man schon ein ziemlich schlechter, nicht bewusst lebender Mensch, der sowohl an seinem eigenen Verfall, als auch am drohenden Untergang der menschlichen Zivilisation ein gerütteltes Maß Schuld trägt. Dabei sind die Verdikte zunehmend aggressiver agierender Sektenpropheten, wie z.B. Veganern und anderen Selbst- und Weltoptimierern, noch gar nicht berücksichtigt, denn da hängt die Latte noch wesentlich höher.

Die informellen Diktate der Nachhaltigkeitsideologie haben einiges gemeinsam. Sie enthalten stets ein paar Körnchen Wahrheit, aber auch jede Menge Lügen. Sie sind über kurz oder lang stets marktkompatibel und politisch in viele Richtungen instrumentalisierbar. Beginnen wir mit „bio“, sozusagen der Basisversion der bewussten Lebensführung. Die in Deutschland stetig wachsende Nachfrage nach ökologisch angebauten Lebensmitteln führt in vielen Anbauländern längst zu jenen desaströsen Monokulturen, Umwelt- und Naturzerstörungen, die durch diese Art der Landwirtschaft eigentlich überwunden werden sollten. Besonders augenfällig ist das in einigen spanischen Provinzen, wo vor allem Tomaten, Paprika, Gurken und Erdbeeren zunehmend „ökologisch“ für den deutschen Markt angebaut werden. Dieser Boom bringt den örtlichen Großbauern und den hiesigen Groß- und Einzelhändlern zwar satte Profite, aber die Böden in großen Teilen Andalusiens sind längst ausgelaugt, die Grundwasserknappheit ist dramatisch, der Blick streift nicht über Gemüsefelder, sondern über ein schier endlosen Meer von Plastikplanen. Längst kämpfen Umweltschützer gegen die neuen Megafarmen „die im Namen von bio die Natur zerstören“, wie es Marcos Diéguez von der Gruppe Ecologistas en Acción im November im „stern“ formulierte. Doch davon will der deutsche Bio-Kunde ebensowenig wissen, wie von den Arbeitsbedingungen der meist nord- und schwarzafrikanischen Saisonarbeiter, die dort für unseren „nachhaltigen Konsum“ tätig sind. Und das gilt auch für die Massentierhaltung, die in der deutschen Biobranche vor allem für die Eier- und Milchproduktion längst Standard ist.

Quelle: www.emailleschilder.com (CC BY 1.0) )

Doch man zahlt gerne einen Aufpreis für ein gutes Gefühl, denn auch in Bezug auf Qualität und Verträglichkeit lebt die Bio-Branche in erster Linie von liebevoll gepflegten Mythen. So sehen das auch ausgewiesene Kritiker der konventionellen, industrialisierten Landwirtschaft wie die Stiftung Warentest oder die Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Es gebe „keine belastbaren Beweise, dass Bionahrung per se vorteilhafter für die Gesundheit ist”, sagte deren stellvertretender Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt in einen Interview. Auch Geschmackstests lassen in der Breite keine Vorteile für Standardprodukte aus ökologischer Erzeugung erkennen. Natürlich gibt es Tomaten, Gurken, Kartoffeln, Möhren, Äpfel und Birnen oder auch Eier, Milchprodukte und Weine, die eindeutig besser schmecken als andere. Aber das Ökosiegel ist dafür alles andere als ein verlässlicher Indikator.

Daher hat sich in der Biobranche mittlerweile ein Edelsegment etabliert. Produkte von Verbänden wie Demeter und Bioland werden nach deutlich strengeren Kriterien zertifiziert. Sie machen aber nur einen Bruchteil des Angebots aus und sind zudem nochmals deutlich teurer. Also setzt die Branche noch einen drauf, gemäß dem Motto: „Regional ist das neue bio“. Lebensmittel aus dem Umland, mit kurzen Transportwegen und Lagerzeiten? Auch das ist wenig mehr als gefühliger Schwindel, wenn man mal von kleinen Direktvermarktern und Produkten mit offiziell zertifizierter geschützter geografischer Herkunftsangabe absieht. Der Begriff regional ist gesetzlich nicht definiert. Bei verarbeiteten „regionalen“ Produkten können die Rohstoffe von sonstwoher kommen, und auch die Milch von der „regionalen“ Molkerei hat oft sehr weite Wege hinter sich. Bei Obst und Gemüse ist es auch mit dem oft zitierten „ökologischen Fußabdruck“ nicht so gut bestellt, wie es der „bewusste“ Käufer gerne hätte. Der monatelang im Kühlhaus gelagerte Apfel von nebenan hat auf seinen Lebensweg zum Käufer im Frühjahr jedenfalls deutlich mehr Energie verbraucht als ein saisonal geernteter Importapfel aus anderen Teilen der Welt.

Natürlich will fast niemand auf Produkte aus fernen Ländern vollständig verzichten. Ein Asketismus, der den Verzicht auf Kaffee, Tee, Bananen, Mangos, Pfeffer, Reis u.v.a.m. beinhaltet, ist selbst unter ausgewiesenen Freunden von „Nachhaltigkeit“ und „Regionalität“ nur eine marginale Randerscheinung. Für den perfekten Selbstbetrug gibt es in diesen Fällen das „Fairtrade“-Label. Dies suggeriert eine hohen moralischen Anspruch. „Faire“ Preise für die Erzeuger, die damit die Lebensbedingungen der Arbeiter vor Ort verbessern, beispielsweise durch höhere Löhne, den Bau von Wohnungen Schulen und die Gewährleistung medizinischer Versorgung. Auch hier gilt: Man zahlt seinen Ablass für ein gutes Gewissen und guckt lieber nicht etwas genauer hin. Dokumentiert sind etliche Fälle in Lateinamerika und Afrika, wo selbstversorgende Kleinstbauern vertrieben wurden, um Platz für lukrative, exportträchtige „Fairtrade“ -Monokulturen zu schaffen. Auf den Bildern von glücklichen Kindern, die jetzt dank „fairtrade“ eine Lehmhütte als Schulgebäude haben, ist davon leider nichts zu sehen. Auch ist es den Betrieben erlaubt, nur einen Teil ihrer Produktion zu zertifizieren bzw. bei verarbeiteten Produkten muss für das begehrte Siegel nur ein bestimmter Teil der verwendeten Rohstoffe aus „fairer“ Herstellung kommen. Ein schönes Beispiel für diesen Etikettenschwindel schilderte vor zwei Jahren die Verbraucherzentrale Hamburg. Ein Eiskaffeehersteller schraubte seinen Anteil an fair gehandelter Ware von sechs auf 60 Prozent hoch, indem er bei den Zutaten das Wasser und den Wasseranteil der Milch heraus rechnete. Ohnehin kommt von dem beträchtlichen Aufpreis, der hier für „Fairtrade“-Produkte gezahlt wird, nur ein Bruchteil bei den Produzenten an, der Rest landet bei Zertifizierungsstellen und in Form von Extraprofiten bei Groß- und Einzelhändlern.

Allerdings geht der Nachhaltigkeitsschwindel nicht nur durch den Magen. Individualreisende und Ökotouristen in fernen Gefilden sorgen in ihrer Gesamtheit zumindest mittelfristig für ähnliche soziale und ökologischer Verwerfungen wie die Nutzer von Bettenburgen auf Malle und den Malediven. Die Sinnlosigkeit des Bezugs von teurem Ökostrom sollte angesichts der Ausweitung der Kohleverstromung in Deutschland eigentlich auf der Hand liegen, vom europäischen Stromverbund ganz zu schweigen.

All dieser und vergleichbarer Humbug wäre vernachlässigenswert – wenn er nicht mit dem Impetus der moralischen Überlegenheit zelebriert würde. Oder gar mit der Überzeugung, dass man schließlich „etwas tut“ für die soziale und ökologische Zukunft der Menschheit. Dabei müssten wir tatsächlich „etwas tun“, nämlich gesellschaftliche Rahmenbedingungen für nachhaltige Entwicklung im umfassenden Sinne zu schaffen. Mit dem Kassenzettel vom Biomarkt als Ablassquittung und der Fairtrade-Banane auf dem Obstteller kommt man in dieser Hinsicht jedenfalls keinen Schritt weiter. Also lasst uns gefälligst unbehelligt essen und trinken, was uns schmeckt und preislich angemessen erscheint, Geld bei der Wahl des Stromanbieters sparen, den Urlaub verbringen, wie wir es mögen und dabei auch ganz viel Unvernünftiges tun.

DunkelPankow

Es ist immer wieder ein Erlebnis. Wer sich in Berlin aus der Innenstadt in Richtung Nordosten oder Osten bewegt, taucht schon nach wenigen Kilometern in eine merkwürdige und äußerst unwirtlich erscheinende Welt ein. Und das nicht nur, wenn man sich an die Orte grotesker stadtplanerischer Verbrechen wie Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen begibt. Auch der Großbezirk Pankow, zu dem ja immerhin die einst ultrahippe Schwabenkolonie Prenzlauer Berg gehört, hat finstere Ecken zu bieten, die den urbanen Citoyen erschauern lassen.

Meine berufliche Tätigkeit beinhaltet auch Einsätze als rasender Reporter, und so führte mich der Weg am Mittwoch abend in das Herz von Pankow-Heinersdorf. Dort befindet sich eine Kirche, in der der Berliner Senat den örtlichen besorgten Bürgern die Pläne für ein neues Stadtquartier mit 6.000 Wohnungen vorstellen wollte. Doch dazu später.

Normalerweise erledige ich solche Wege (von meiner Wohnung aus werden es ca 7-8 Kilometer sein ) mit dem Fahrrad. Doch die fiese Kälte (natürlich ein Hochdruckgebiet aus dem Osten – Danke Putin!) und der schneidende Wind ließen mich davon Abstand nehmen. Also Bus und Straßenbahn. Hurtig brettert die M2 vom Alexanderplatz schnurgrade über die Prenzlauer Chausse Richtung DunkelPankow. Kurz nach dem S-Bahn-Ring heißt diese Magistrale – Erich Honeckers alte Protokollstrecke nach Wandlitz – dann Prenzlauer Promenade. Was irgendwie lustig ist, denn zum Promenieren lädt diese Ansammlung hässlicher Wohn- und Gewerbebauten links und rechts der Straße nun wirklich nicht ein. Doch wenigstens ist es hier noch hell. Das ändert sich schlagartig, wenn die M2 nach rechts abbiegt. Man durchquert ein Reich der Finsternis, mit trüben Straßenfunzeln und auf Kopfsteinpflaster daher rumpelnden Autos.

So ungefähr sieht es in Pankow-Heinersdorf aus

Spätestens ab der Haltestelle „Am Steinberg“ beginnt dann eine neue Stufe der zivilisatorischen Regression. Die Straßenbahn fährt nur noch eingleisig und hält von nun an mitten auf der Straße. Wer beim Aussteigen lebend den rettenden Bürgersteig erreichen will, ist auf das Wohlwollen der meist mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Finsternis fahrenden Autos angewiesen, beim Einsteigen ist es ähnlich.

Der kurze Fußweg auf schadhaften Gehwegen zum Veranstaltungsort trägt auch nicht zur Stimmungsaufhellung bei. Man kann erahnen, dass sich in den stockdunklen Häusern ein paar Geschäfte befinden, doch es ist kurz vor 19 Uhr, und alles ist hier geschlossen. Bis auf ein paar obskure Gaststätten, die sich mit ihrer schmutzig in die Nacht schimmernden Funzelbeleuchtung dem Gesamtensemble anpassen.

In der Kirche drängen sich rund 400 besorgte Bürger, die dem Neubauprojekt mit einiger Skepsis begegnen. Hier und da ein paar nachvollziehbare Argumente, vor allem die Verkehrsanbindung Nord-Pankows betreffend. Aber natürlich auch die obligatorischen „Kaltluftschneisen“, der „Erholungswert“, die „gewachsenen Strukturen“, die man bewahren will. Sie werden von den Profis der Kommunikationsagentur, die der Senat engagiert hat, mit „Dialogangeboten“ zugeschüttet und die offiziellen Vertreter singen nahezu schleimig das Lied von der großen Wertschätzuing der „engagierten Bürger“. Es ist eine elende Scharade, denn in Wirklichkeit will auf der einen Seite der Senat (vollkommen zu Recht) sein Neubau- und Infrastrukturprojekt durchziehen und auf der anderen Seite wollen viele Anrainer schlicht, dass alles so bleibt wie es ist. Immerhin: Kein rechtpopulistisches Gedöns, nur ein Diskutant mümmelte weitgehend unbeachtet irgendwas von Flüchtlingsunterkünften, die hier ja auch gebaut werden. Alles recht friedlich, doch die eigentlich Bauplanungen beginnen ja erst in einem Jahr.

Zurück in die Finsternis. Die Straßenbahn verlasse ich diesmal bereits am S-Bahnhof Prenzlauer Allee, da ich das dringende Bedürfnis verspürte, im dortigen Späti ein Bier zu erstehen. Denn DunkelPankow schlägt echt aufs Gemüt

Andrej Holm als Lehrstück: Vergesst endlich „rot-rot-grün“

Das unwürdige Trauerspiel hat ein Ende. Andrej Holm ist von seinem Amt als Bau- Staatsekretär zurückgetreten und damit seinem bereits beschlossenen Rauswurf zuvorgekommen. Mit Holm hatte die LINKE einen profilierten Stadtsoziologen und Gentrifizierungskritiker in den Senat geholt, der sich nie zu schade war, aus dem universitären Elfenbeinturm zu den stadtpolitischen Initiativen und Kiez-Mietergruppen „herab zu steigen“ – und dort auch kräftig mit anzupacken, wie ich es konkret in Moabit erlebt habe.

Für die LINKE war die Berufung von Holm – der zu den schärfsten Kritikern der „rot-roten“ Wohnungspolitik in der Hauptstadt von 2002-2011 gehörte – natürlich auch der Versuch, neuen Kredit bei Mietergruppen und anderen außerparlamentarischen Sozialbewegungen zu erhalten. Der ist mit seinem schnellen Rauswurf bereits wieder komplett verspielt.

wieder zurück auf die Straße. Andrej Holm auf einer Kreuzberger Kiezdemo
Quelle: Bizim Kiez

Als Vorwand für seine schnelle Demontage, die von einer Medienkampagne wie zu besten Zeiten des Kalten Kriegs begleitet wurde, diente ein Personalfragebogen der Humboldt-Universität aus dem Jahr 2005, in dem Holm eine hauptamtliche Tätigkeit für das Ministerium für Staatsicherheit der DDR – kurz „Stasi“ – verneint hatte. Es gibt die Auffassung, dass es sich bei seiner 1989 begonnenen Ausbildung als Offiziersschüler (die nach fünf Monaten mit dem Ende der DDR ebenfalls endete), um eine hauptamtliche Stasi-Tätigkeit gehandelt hat, während Holm sich darauf beruft, dies eben als Ausbildung im Rahmen seines Wehrdienstes angesehen zu haben. Die arbeitsrechtliche Bewertung dieser „Falschangabe“ steht noch aus, von einer konsistenten historischen Bewertung ganz zu schweigen. Daraus, dass er sich bereits als 14jähriger für eine spätere Laufbahn beim MfS verpflichtet hatte, machte Holm nie einen Hehl, unter anderem 2007 in einem großen Interview in der taz, wo er seine Beweggründe dafür schildert und sich auch eindeutig von diesem System distanziert.

Doch darum geht es nicht. Vielmehr wollten SPD und Grüne dem Koalitionspartner LINKE ganz schnell zeigen, wo der Hammer hängt. Und für den alten Westberliner Wohnungsbaufilz war Holm als Staatssekretär ohnehin der Leibhaftige.

Natürlich ist die LINKE eingeknickt, anstatt klipp und klar zu sagen: „Holm bleibt oder wir gehen“. Regierungsbeteiligung ist für die beiden „Clans“, die die Berliner LINKE als Familienbetrieb führen, schon lange ein Wert an sich.

Die „rot-rot-grüne“ Koalition wird jetzt natürlich weitermachen. Wer mit dieser Konstellation noch immer die Hoffnung auf einen Politikwechsel verbindet, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Für alle anderen heißt es: Ärmel aufkrempeln und gemeinsam mit Holm außerparlamentarisch für eine soziale Wohnungspolitik, gegen Verdrängung und Spekulation zu kämpfen.

Denn Holm hat sich mit seinem erzwungenen Rücktritt nicht heimlich durch die Hintertür davon geschlichen, sondern gleich am Montag eine knallharte Erklärung zu den Vorgängen abgegeben und für den Abend zu einem ersten Treffen eingeladen. Bleibt zu hoffen, dass es gelingt, diesem verfilzten Senat und dieser verrotteten LINKEN in der Stadt, etwas entgegen zusetzen. Es ist höchste Zeit.

 


Ein Sauvignon Blanc aus Franken: Leider geil.

Eigentlich bin ich ja kein sonderlich geeigneter Sauvignon-Blanc-Tester. Ich kann mit dieser Rebsorte in der Regel wenig anfangen. Abgesehen von ein paar ausgeprägt „steinigen“ Knallern von der Loire und aus der Steiermark ging der Daumen meistens runter. Vor allem die nervige Stachelbeer- Holunder-Grapefruit-Katzenpisse-Primärfrucht empfinde ich als nahezu obszön, und wenn das alles dann noch mit reichlich Holz verquirlt wird, beginnt schon fast der Magen zu rebellieren.

Natürlich hat auch diese Weltweinseuche keinen Bogen um Deutschland gemacht. Im Gegenteil: Sauvignon Blanc gehört zu den Shootingstars in der Rebsortenstatistik. Die Leute verlangen das und man müsse halt mit der Zeit bzw. dem Markt gehen, hört man von vielen Winzern zur Begründung. Ein Önologe aus einer Lehr- und Forschungsanstalt hat mir mal erzählt, die Winzer kämen mit einem SB aus Neuseeland an und dem Wunsch: „So einen will ich auch machen“. Und das geht auch.

Dennoch steht jetzt ein Sauvignon Blanc aus Franken auf dem Tisch, sozusagen ein geschenkter Gaul, dem ich in Abwandlung des alten Sprichworts unbedingt ins Maul schauen will. Sei es auch nur, um alle meine Vorurteile bestätigt zu finden.

Dieser Wein braucht nicht nur Zeit….

Da mich bei Wein hauptsächlich das Zusammenspiel mit Speisen interessiert, fragte ich die Gemeinde, was man denn da so brutzeln könnte. Einleuchtend erschien mir die Idee mit den Pulpos, die ich mit Limettenzesten, Chili, Knoblauch und Meersalz marinierte. Dazu Kapernreis.

Zurück zum Wein. Der Flasche entströmt zunächst eine mächtige Holzwolke. Nach 20 Minuten der erste schüchterne Probeschluck. Es ist das befürchtete Desaster. Holz, Vanille und ein aufdringlicher, undifferenzierter Aromencocktail, ziemlich grün, ein bisschen Zitrusfrucht und eine Überdosis Nelke.

Schönen Dank auch! Also erst mal schnell die Welt retten (Treffen mit meiner Moabiter Mietergruppe) und dann weiter sehen. Natürlich habe ich vorsichtshalber eine „Notflasche“ im Kühlschrank deponiert, einen soliden Weißburgunder. Aber noch wollte ich den 2014er Großlangheimer Kiliansberg, Sauvignon Blanc trocken „Brodacker“ vom Patrizierhof nicht wegschütten.

Und das war auch gut so, denn im Glas war jetzt ein völlig anderer Wein. Das zunächst dumpfe Holz ging jetzt in die feine-nussige Richtung, aus den grünen Noten wurden dezente Gemüsearomen, die knackige Säure spielte mit den Zitrusfrüchten und einer Spur (nicht süßer) Papaya, alles unterlegt mit ein wenig Rauch, Erde und Salz. Am Gaumen liegt er dann ausgesprochen dicht und schmelzig, die schlanken 13% Alkohol stehen dem Brodacker dabei ausgesprochen gut.

…sondern auch einen kongenialen Partner

Ab in die Küche, denn mittlerweile war klar, dass die Sache mit den marinierten Tintenfischen und diesem Wein das Zeug für eine große Genussgeschichte hatte. So war es dann auch, und in der Kombination mit Salz, den Limettenzesten und ein wenig Schärfe wurde der Brodacker immer besser.

Meine generelle Skepsis gegenüber den Sauvignon-Blanc-Boom in Deutschland ist damit keineswegs weggeblasen. Doch das ist ein richtig guter, fast schon großer Wein. Kein SB-Opportunist, sondern ein gelungenes , individuelles fränkisches Statement zu diesem Thema.

Kommen wir zum Preis. 28 Euro sind – sagen wir mal – ambitioniert. Es ist eine Kategorie, in der es nicht mehr um „Wert“ oder „Qualität“ geht,, sondern um Marketing und Imagetransfer. Im Preisgefüge des Patrizierhofs ist der Brodacker (abgesehen von einer Beerenauslese) der deutliche Ausreißer. Wenn der Winzer diesen Preis am Markt durchsetzen kann, sei es ihm herzlich gegönnt. Wer es sich leisten kann, erhält jedenfalls einen recht spannenden Tropfen, der nicht nur großen Genuss, sondern auch ein wenig Horizonterweiterung zum Thema Sauvignon Blanc bietet.

Den 2014er Großlangheimer Kiliansberg, Sauvignon Blanc trocken „Brodacker“ gibt es für 28 Euro ab Hof