Weine genießen statt Punkte trinken

Der US-Amerikaner  Robert M. Parker ist sicherlich der einflussreichste Weinkritiker der Welt. Das von ihm etablierte Bewertungssystem dominiert besonders im oberen Segment die Preisbildung auf dem Weinmarkt. Ein paar Parker-Pünktchen mehr oder weniger können Existenzen vernichten oder auch Newcomer zu Millionären machen. Die Spitzengastronomie schmückt sich auf ihren Karten ebenso mit Weinen, die 92 oder mehr Punkte von Parker erhalten haben, wie neu- und altreiche Sammler.Alles unter 80 gilt als uninteressant, bis 90 reicht die Kategorie „überdurchschnittlich bis sehr gut“. Bis 95 Punkte ist von „hervorragenden“ und darüber von „außerordentlichen“ Weinen die Rede. Längst findet man in jedem besseren Supermarkt entsprechend beworbene “Parker-Schnäppchen”.

Robert M.Parker: Der Herr der Punkte
Quelle:winestem

Kaum jemand kann sich diesem System noch entziehen, wenn er nicht als „unprofessionell“ gelten soll. Auch die schrägsten Blogs und obskursten Postillen  krönen ihre Weinexpertisen mittlerweile mit Punktebewertungen.

Ich nicht! Denn das System ist weitgehend unsinnig. Zum einen räumt selbst Parker ein, dass seine Bewertungen vollkommen subjektiv sind. Ohnehin kann ein „sehr guter“,  „hervorragender“ oder gar „außerordentlicher“ Wein eine entsprechende Bewertung (wenn überhaupt) nur im Kontext seines Genusses rechtfertigen. Ein spritziger, mineralischer, säurebetonter Elbling kann an einem lauen Sommerabend auf der Terrasse oder als Begleiter für Austern voll in den 90igern punkten – während er für sich genossen vielleicht nur schlaffe 82 wert ist. Umgekehrt sind hoch bewertete edelsüße Trockenbeerenauslesen nur für die wenigstens Gelegenheiten als geeignet oder gar herausragend anzusehen. Für Rotweine gilt ähnliches, besonders weil Parker und seine Epigonen in der Regel extraktreiche Fruchtbomben zum Maß aller Dinge erheben. Für die großen Genusserlebnisse, beispielsweise in Kombination mit Wild- oder Lammgerichten, sind derartige “Spitzenweine” in der Regel vollkommen ungeeignet.

Vergesst die Punkte! Trinkt euch lieber selber durch Regionen, Rebsorten, Stile und natürlich auch Jahrgänge um die optimalen Weine für verschiedene Gelegenheiten zu finden. Das spart nicht nur unglaublich viel Geld, sondern macht auch so richtig Spaß

Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Es ist nicht Ehrenrühriges, wenn sich Zeitungen angesichts sinkender Erlöse im Kerngeschäft um zusätzliche Einnahmen  bemühen. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, wenn dies in Form von „Weinclubs“ geschieht. Der Kunde wird dort zu einem Festpreis regelmäßig mit gemischten Weinkisten beliefert.

Es ist schon erstaunlich, was einfachen Weinen von PR-Profis so alles an edler Herkunft angedichtet wird

Mit Speck fängt man Mäuse, und daher muss man den eigenen Laden hin und wieder mit Lockangeboten in Schwung bringen. Und so bietet der „Welt am Sonntag Wein Club“ als Einführungsangebot für Neukunden derzeit eine Kiste mit 5×3 „exklusiven Rotweinen“ nebst dem recht nützlichen „Handbuch Wein“ aus dem renommierten Hallwag Verlag für 59 Euro (+Versandkosten) an. Ein oberflächlicher Blick auf die offerierten Tropfen macht jedem einigermaßen Weinkundigen deutlich, dass man bei diesem Schnäppchen nicht allzu viel falsch machen kann, und man erhält für durchschnittlich vier Euro pro Flasche tatsächlich zumindest unfallfrei und teilweise sogar mit Genuss trinkbare Rotweine aus Portugal, Spanien und Frankreich. Weiterlesen

Cool Climate in Spanien

 

Heute wird ausnahmsweise mal niemand beschimpft oder verunglimpft. Es werden auch keine Rettungskampagnen für geschändete Lebens- und Genussmittel gestartet. Heute wird hier mal einfach guter und vor allem spannender Wein getrunken. Und zwar aus Spanien.

Spanien hat mehr zu bieten als Tempranillo

Wie bitte? Spanien?? Das sind doch diese Dumpftropfen. Schwer, wenig nuanciert, oftmals marmeladig und vollkommen überladen mit Holz- und Vanillenoten. Auch Weine der vermeintlich höchsten Qualitätsstufe (Gran Reserva) sind vielfach kein Deut besser, und werden für Minipreise in Supermärkten und Discountern verhökert. Spaß machen sie in der Regel nicht

Dabei braucht sich Spanien, was Vielfalt seiner Weinkultur betrifft, vor niemandem zu verstecken. Weiterlesen

Kampf zweier Linien

Was haben Miesmuscheln mit der Kommunistischen Partei Chinas zu tun? Die Antwort findet sich in den folgenden Zeilen

Nein, es gibt jetzt keine Abhandlung über die Politik der Kommunistischen Partei Chinas in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Doch der damals propagierte „Kampf zweier Linien“ zwischen Revolutionären und Opportunisten lässt sich durchaus auf die Beurteilung  professioneller- und ambitionierter Hobbyköche übertragen.

Da gibt es auf der einen Seite die Guten. Das sind die Puristen, die Qualität und Eigengeschmack des Ausgangsproduktes in den Mittelpunkt stellen und durch Art der Zubereitung, Würzung sowie die gewählten Beigaben hervorheben. Zu denen gehöre ich.

Auf der anderen Seite sind die Bösen. Das sind jene Geschmacksglobalisierer und Cross-over-Fetischisten, die alles, aber wirklich alles „aufpeppen“ oder „verfeinern“ wollen. Sie verpampen Spargel mit Saucen, wälzen Miesmuscheln in Marinaden, wollen frische Sardinen unbedingt füllen (statt sie nur mit Zitrone und Meersalz gewürzt auf den Grill zu packen) oder zum Wildschwein eine Schokoladensoße reichen. Zu denen gehört mein alter Freund Schellenberg, der sowohl die Wendung vom Stalinisten zum Reformisten, als auch die berufliche Metamorphose vom Tankwart zum Behördenknecht geschafft hat, was wohl alles sagt und auch geschmackliche Irrwege erklärt.

Angesichts des recht simplen Koch- und Trinktipps den ich für heute anzubieten habe, ist das eine ziemlich ausschweifende Vorrede. Aber wie dem auch sei: Es ist Muschelzeit! Kaufen Sie Miesmuscheln (500 Gramm pro Person). Besorgen Sie sich – falls nicht vorhaden – einen Dämpfauf- oder -einsatz für einen ihrer größeren Töpfe. Kochen sie in dem Topf einen Sud auf, z.B. aus Wasser, Weißwein, Knoblauch, Frühlingszwiebeln und ein wenig Meersalz. Lassen Sie die Muscheln in dem Dampf des Suds garen, bis Sie sich geöffnet haben und beenden Sie den Vorgang, bevor sie schrumplig und zäh geworden sind. Öffnen sie einen guten, trockenen, mineralischen Riesling. Essen Sie die Muscheln (vielleicht Baguette dazu) , trinken Sie den Wein und alles wird Gut.

Nicht schon wieder Kürbissuppe

In gewisser Weise ist es natürlich ein Fortschritt, dass die Kürbissuppe Einzug in den kulinarischen Alltag in Deutschland gefunden hat. Schließlich war der Speisekürbis früher nur in der ungenießbaren Variante „süß-sauer eingelegt“ verbreitet, was so manch armen Menschen dauerhaft zum Kürbishasser werden ließ.

Doch mittlerweile wird mit der Kürbissuppe gewaltig übertrieben. Man kann ihr ab Ende Oktober bei offiziellen, halboffiziellen und privaten Events kaum noch entgehen. Längst sind auch Heerscharen von Verschlimmbesserern auf den Plan getreten, die das ganze dann „asiatisch“, „spanisch“, „karibisch“ oder sonst wie „verfeinern“ bzw. mit artfremden Zutaten wie Kaviar, Hackfleisch, Berg- oder Schafskäse, Schinkenwürfeln und ähnlichem „veredeln“ wollen.

Armer Hokkaido! Auch ein Leckerli wie eine Kürbissuppe kann durch permanente Verabreichung zur kulinarischen Qual werden

Ich erspare meinen Lesern jetzt Vorschläge für die Zubereitung einer anständigen Kürbissuppe. Bei Bedarf bitte eines der unzähligen Internetportale zu diesem Thema aufsuchen, wie z.B. kochbar.de mit sage und schreibe 632 Rezepten.

Vielleicht sollte man sich aber – auch wenn’s angesichts des Kürbis-Hypes schwer fällt – daran erinnern, dass es im Herbst außer Kürbis noch andere essbare Pflanzen gibt, die sich zu leckeren Suppen verarbeiten lassen. Egal ob Kohlrüben, Sellerie, Spinat, Rote Bete oder natürlich auch Kartoffeln: alles ist derzeit auch aus regionalem Anbau erhältlich Ich werde in den kommenden Wochen jedenfalls ein  bisschen rumprobieren und mir eine Kürbissuppen-Auszeit gönnen.

Weinprobe mit Polizeieskorte

Man fühlt sich etwas merkwürdig, wenn man auf dem Weg zu einer Weinverkostung zunächst einmal martialisch gewandete Kampftruppen der Berliner Polizei passieren muss. Diese sollten die Niederlassung eines „Immobilienentwicklers“ schützen, der am Mittwoch vormittag eine türkische Familie aus ihrer Wohnung räumen lassen wollte – obwohl deren Mietrückstände bereits beglichen waren. Die Räumung scheiterte am Widerstand von Nachbarn und Unterstützern, die dann am Nachmittag mit einer Demonstration auf die Machenschaften des Spekulanten aufmerksam machen wollten.

Natürlich ist es Zufall, dass sich besagte Niederlassung in unmittelbarer Nähe des „Logenhauses“befindet, in der die Wirtschaftsabteilung des spanischen Konsulats eine kleine Weinmesse für Fachbesucher veranstaltete. Doch es kann nichts schaden, wenn man bei Ausflügen in die Welt edler Getränke in noblem Ambiente drastisch an die soziale Realität in Berlin erinnert wird. Und zu den Weinen werde ich in ein paar Tagen was sagen

Geisterfahrer in Tempelhof

Wer diesen Blog verfolgt, wird bemerkt haben, dass es hier keineswegs ausschließlich um Essen und Trinken geht. Genuss ist Notwehr, lautet das Motto und dazu gehört auch die Verteidigung der großen und kleinen Refugien der Ruhe, der Kontemplation und der Erholung, die das Leben in einem Moloch wie Berlin ein wenig erträglicher machen können.

So ist man in der Deutschen Hauptstadt zwar offensichtlich zu dämlich, einen neuen Flughafen zu bauen, dafür hat sich auf einem der beiden alten Airports eine ganz besondere Form der Stadtkultur entwickelt.  Am 30. Oktober 2008 endete der Flugbetrieb in Tempelhof, und seitdem ist auf dem riesigen Gelände inmitten dicht besiedelter Wohnviertel ein großartiges Freizeitareal entstanden. Weiterlesen

Rettet den Riesling!

Der deutsche Weinbau hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten rasant verändert. Veränderte Marktbedingungen und Trinkgewohnheiten haben sowohl in der Spitze als auch im mittleren Segment zu deutlichen qualitativen Fortschritten geführt. Das betrifft unter anderem auch die Pfalz,  das zweitgrößte deutsche Anbaugebiet. Zwar gibt es dort –glücklicherweise – immer noch knarzige, knochentrockene Rieslinge und gradlinige einfache Spätburgunder für wenig Geld und natürlich auch jede Menge diffusen Flüssigmüll, doch der Trend weist in Richtung komplexere Weine.

In diesem Pfälzer Eichenfass landet womöglich später ein Riesling

Allerdings gibt es Innovationen, an denen sich mit Sicherheit nicht alle Weinfreunde erfreuen können. Das Holz, in Form von kleinen „getoasteten“ Eichenfässern hat nunmehr auch den Riesling erreicht. Weiterlesen