Einfach mal den Mund halten

Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Menschen in der vergangenen Woche einfach mal den Mund gehalten hätten. Aber nein; statt ernster Besinnung war übliches Dampfplaudern angesagt. Die Teile der zerschellten Airbus waren kaum ausgekühlt, da waberten schon erste Theorien und Schuldzuweisungen durch das Netz, angefangenen mit mangelnder Wartung bis hin zur Arbeitsbelastung der Piloten als mögliche Ursachen des Desasters. Als sich dann die Hinweise verdichteten, dass es sich wahrscheinlich um die schwer fassbare und nachg menschlichem Ermessen wohl auch nicht zu verhindernde Tat eines psychisch kranken Piloten handelte, kam die entfesselte Medienmeute so richtig auf Touren.

Das Geschehene ist einfach zu schrecklich, um es wirklich fassen zu können. Auch ich habe ein paar Tage gebraucht, um wieder zu einer gewissen inneren Normalität zu finden. Für mich ist es jetzt wohl vorbei, für die Angehörigen der Opfer möglicherweise nie wieder.

Déja-vu mit der Avantgarde

Sorry, aber das bekomme ich nicht gebacken. Natürlich habe ich mich gefreut, als mich die Pressesprecherin der Berliner Festspiele anrief, um mir ein Konzert des „MaerzMusik“ -Festivals ans Herz zu legen. Zwar dürfte auch ihr in den vielen Jahren meiner Berichterstattung über diverse Veranstaltungsreihen der Festspiele nicht entgangen sein, dass Neue Musik, zeitgenössische Avantgarde, Atonalität und Klanginstallationen nicht eben zu meinen bevorzugten musikalischen Gefilden gehören. Sondern eher Sinfonik, Alte Musik und Jazz in allen erdenklichen Spielarten. Aber das Werk „J’ai plus de souvenirs que“ von Zeena Perkins sei schließlich eine Art von Jazz. Zwar sorgte die angekündigte „Dekonstruktion und Elektrifizierung traditioneller Instrumente“ für eine gewisse Skepsis meinerseits, doch als gelernter Musiker und Part-Time-Musikjournalist sollte man nie seine Offenheit verlieren.

Was soll ich sagen: Ich hab es schon vor rund 20 Jahren im New Yorker Avantgarde-Tempel Knitting Factory nicht gebacken bekommen. Unvergesslich der Auftritt eines hünenhaften Afroamerikaner, der ohne für mich erkennbare Systematik einen Kontrabass malträtierte und von einer Frau begleitet wurde, die neben spitzen Schreien auch noch den elektronisch verstärkten Sound der auf ihrem Körper drapierten Metallplättchen beisteuerte. Dazu ein schwerst erleuchtetes, wissend nickendes Publikum (auffallend viele weißhaarige Zopfträger).

Die Harfe als Soundgenerator: Zeena Perkins am Sonntag im Haus der Berliner Festspiele.

Bei Zeena Parkins und ihrem Ensemble ging es am Sonntag im Festspielhaus zweifellos gesitteter zu. Ein durchkomponiertes Werk rund um die sprachmalerischen Wortverdrehungen von Walter Benjamin. Doch abgesehen von kurzen, fast schon elegischen Parts einer Bassklarinette blieb für mich nur das Knitting-Factory-Déja-Vu: Zisch, Waber, Peng, Knatter, Waber, Raschel, Kreisch, Säg, Gurgel, Fieps. Kann man machen, soll man auch machen, wenn einem danach ist. Und natürlich ist es auch richtig, diesem sehr elaborierten Avantgardeverständnis mit öffentlicher Förderung ein größeres Podium zu bieten . Aber mir fehlen da die Antennen, und es kann sein, dass das auch so bleibt . Dennoch: Vielen Dank für die Einladung. Und spätestens beim Jazzfest im November sehen wir uns wieder.

Von Maulwürfen und Stinkefingern

Die Natur kann ganz schön anstrengend sein

Muss das sein? Schon wieder empfängt mich mein Landsitz in Wandlitz bei meinem ersten Besuch im neuen Jahr mit einer Art Kraterlandschaft. 56 Haufen haben die Maulwürfe diesmal hinterlassen. Aber der Winterspeck muss ja ohnehin irgendwie weg, und Beseitigen dieser Haufen nebst Harken des Rasens und Umgraben des Gemüsebeets sind ja nicht die schlechtesten Hilfsmittel für dieses Vorhaben. Wo jetzt noch Wildwuchs herrscht, werden in ein paar Wochen und Monaten wieder Salat, Kräuter, Tomaten, Kohlrabi, Paprika u.v.a.m. gedeihen. Und immerhin lugen zwischen den Hügeln und Laubhaufen auch schon ein paar Frühlingsboten in die Sonne. Allerdings hätten die Mistviecher darauf verzichten können, eine sozusagen historische Wildrose (mit bayrischen Wurzeln) umzugraben.

Da issa, der Frühling in Wandlitz

Hügel hin oder her: Sofort spüre ich wieder den Zauber dieses kleinen Fluchtortes aus dem Moloch Berlin. Vom Bahnhof Wandlitz erst mal ein kleiner Abstecher zum Biohof Gerstel, wo ich endlich wieder meine geliebte und wirklich unschlagbaren Eier erstehen kann. Dann eine kleine Runde um den See und schließlich zum Häuschen. Tisch und Bank auf die Veranda, Milchkaffee kochen, die Stille und den Blick auf Wald und Felder genießen, also genau das, was mir in den Wintermonaten immer so schmerzlich fehlt. Die bigotte Weinschreiberszene, die beknackten Moabiter Strauchschützer und die linksradikalen Griechenland-Dummschwätzer sind für diesen Moment genauso weit weg wie ein paar berufliche Sorgen (die sich glücklicherweise allmählich wieder verflüchtigen).

Irgendwie ist der erste Tag in Wandlitz für mich wie der Beginn des Jahres. Bald wird es abends wieder heller, lange Unterhosen und dicke Pullover wandern in die Sommerpause. Bald gibt es Spargel, und einer meiner Lieblingswinzer hat vor ein paar Tagen seinen neuen Elbling-Jahrgang abgefüllt und eine Kiste auf den Weg nach Berlin geschickt. Es wird wohl nicht die letzte bleiben. Selbst Berlin wirkt angesichts des Wetters wieder ein bisschen luftiger und entspannter.

Zum Rest des Weltgeschehens diesmal nur ein paar unbedeutende Anmerkungen.

1.) Der Olympia-Wahnsinn ist für Berlin erledigt. Ich habe einer alten Hamburger Kollegin aber versprochen, dass ich an einem Wochenende nach Hamburg fahre, um die Kampagne gegen Olympia in der Hansestadt zu unterstützen.

2.) Die “Stinkefinger-Affäre” rund um den griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis entwickelt sich dank des ZDF NEO-Beitrags von Jan Böhmermann zu einer Sternstunde des satirischen Guerilla-Journalismus und zu einer deftigen Watsche für den ohnehin immer bräsiger werdenden Günther Jauch.

Mehr habe ich heute nicht zu sagen. Und das ist auch gut so.

 

Auch in Moabit: Keinen Fußbreit der Grünen Pest!

Ich bin derzeit wohl etwas überempfindlich, wenn mir in Moabit die „Grüne Pest“ begegnet. Und damit meine ich in erster Linie nicht die Mitglieder der damit assoziierbaren Partei, sondern diese dumpf-gefühlige, mitunter aber auch aggressiv-missionarische Lifestyle-Bagage, die mittlerweile auch den Moabiter Kiez bevölkert. Da gibt es zum einen jene schrullig-reaktionären Strauchschützer, die sich gegen jegliche (dringend notwendige) Neugestaltung der innerstädtischen Parks und gegen jeglichen Neubau wenden. Mich nervt aber auch der alltägliche Tugendterror.

Wie neulich in der örtlichen Bio Company in der Turmstraße, wo ich gelegentlich Obst und Gemüse kaufe. Vor mir an der Kasse hub eine Dame mit Leidensmiene und Sorgenfalten ihr Klagelied an. Es rieche in dieser Filiale nach gebratenem Fleisch, und das mache es ihr als Vegetarierin „schwer, hier einzukaufen“. Ob man das nicht ändern könne, denn das “geht doch bestimmt vielen so.”

Niemand muss Fleisch essen. Aber einem Bio-Laden die Zubereitung frischer Bouletten verbieten zu wollen ist eine anmaßende Unverschämtheit

Mir blieb (glücklicherweise nur kurz) die Spucke weg. Nur weil diese Öko-Tusse kein Fleisch mag, sollen die restlichen Kunden der Moabiter Bio-Company auf die leckeren, frisch gebratenen Bouletten verzichten müssen, die es dort gibt?

Höchste Zeit für eine entschiedene verbale Intervention, in diesem Fall ein Lob des Bratendufts und die Empfehlung, künftig doch woanders einzukaufen oder wenigstens etwas tolerantere Menschen nicht mit diesem anmaßenden Unfug zu belästigen. Recht verdattert und schimpfend verließ die Dame den Laden. Auch im Alltag sollte man Flagge zeigen: Keinen Fußbreit der Grünen Pest!!

Aber wenigstens haben wir den Olympia-Irrsinn nicht mehr an den Hacken…..

Ein Schiff ohne Captain und ein Captain ohne Schiff

In einigen vinophilen Kreisen hat die heftige Schlammschlacht zwischen Manfred Klimek und seinem Ex-Geschäftspartner bei “Captain Cork” für Furore gesorgt. Ich wurde hier und da gefragt, wie ich die Sache denn sehe, oder auf welcher Seite ich denn stünde. Vorschnelle Bekenntnisse gehören allerdings nicht unbedingt zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Aber eh ich weiter genervt werde, dann doch mal meine möglichst unaufgeregte Sicht der Dinge.

Skurrile Auseinandersetzungen zwischen Klimek und seinem alten Freund Marcus Johst sind für mich nichts Neues. Als mich Johst vor einigen Jahren als “Linkslotsen” für das Schiff anheuerte, war der Captain gerade öffentlich grantelnd von Bord gegangen. Auch damals dauerte es nicht lange, bis ich Randzeuge schwer zu verstehender Schlammschlachten wurde. Ich erinnere mich gut an einen Tag irgendwann im Herbst 2011, als mich Klimek und Johst kurz hintereinander anriefen, um mir jeweils mitzuteilen, dass sie die alleinige Entscheidungsgewalt über das Unternehmen hätten und dies auch gerichtlich bestätigt sei.

Mich hat das alles immer nur am Rande interessiert und auch nicht sonderlich schockiert. Als Politikredakteur in dem linken Sekten-Blättchen “Junge Welt” war vergleichbarer Irrsinn für mich schließlich fast alltäglich. Jedenfalls rauften sich die beiden wieder zusammen, Klimek wurde wieder Chefredakteur und ich blieb auch an Bord. Weiterlesen

Auf ins Poststadion, ihr schlaffen Moabiter

Liebe Moabiter, so geht das nicht! Da hat der prominenteste Fußballverein des Kiezes bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen ein Heimspiel im wunderschönen Poststadion – und Ihr kommt einfach nicht, obwohl der Standort prädestiniert ist, einen schönen Parkspaziergang mit dem Besuch eines stimmungsvollen Spiels zu verbinden. Dabei hat sich der BAK 07 im Vorfeld einiges einfallen lassen: Freier Eintritt für alle weiblichen Besucher (Internationaler Frauentag!), Freikartenverlosungen und ein attraktives Gewinnspiel. Trotzdem kamen nur 416 Besucher zu dem Spiel, Gästefans und Vereinsmitglieder bereits mitgezählt. Vor zwei Wochen, gegen Babelsberg, waren es immerhin 2000. Ich erwarte Besserung: Gehet in Euch und lasset die Kiez-Kicker gefälligst nicht im Regen stehen. Beim nächsten Heimspiel am 22.März gegen Wacker Nordhausen sollte es jedenfalls wieder vierstellig werden, ihr treulosen Seelen.

Vielleicht hat es heute auch am Gegner gelegen, denn der Zipsendorfer Fußball Club (ZFC) Meuselwitz gehört nicht zu großen Adressen der Branche. Aber auch das macht den besonderen Charme der Regionalliga Nordost aus: Vor dem Nadelöhr zum Profifussball tummeln sich nicht nur abgestürzte Traditionsmannschaften wie Carl Zeiss Jena, 1.FC Magdeburg und der BFC Dynamo sowie die U23-Teams der Profivereine Hertha BSC und 1. FC Union, sondern auch ambitionierte Kleinstadtclubs wie eben der ZFC Meuselwitz – und natürlich der BAK 07.

So sehen Sieger aus: Die Mannschaft des BAK nach dem 3:0-Sieg gegen Meuselwitz

Für Meuselwitz sind schon vertiefte landeskundliche Kenntnisse notwendig. Eingerahmt von ebenfalls wenig bekannten Orten wie Lucka, Kriebitzsch und Elsteraue, befindet sich die 11.000-Seelen-Gemeinde unweit von „Restloch Zechau“ im Grenzdreieck zwischen Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Mit Hilfe einiger Sponsoren hat man sich als „dritte Kraft“ im Thüringer Fussball etabliert, heißt es nicht ohne Stolz auf der Homepage des Vereins.

Die Regionalliga ist da jedenfalls auch ein wenig Duft der großen Fußballwelt, zumal man es in heimischen Gefilden mit für Hauptstadtohren recht eigentümlich klingenden Klubs wie FSV 06 Ohratal, Einheit Rudolstadt, SG SV Borsch, oder Blau Weiß Büßleben zu tun hätte, wenn man die Klasse nicht halten kann.

Im Poststadion war für die Meuselwitzer am Sonntag aber nichts zu holen. Ihre beste Chance vereitelte in der 27. Minute der gewohnt souverän wirkende Torwart Tom Schmidt, der in Fachkreisen längst als „Manuel Neuer von Moabit“ gehandelt wird. Wenig später folgte das 1:0 für die Hausherren durch Marcus Mlynikowski, und in der 2. Halbzeit machte der nunmehr deutlich druckvollere BAK bald den Sack zu: Binnen acht Minuten fielen die beiden weiteren Tore zum 3:0-Endstand durch Karem Benyamina und Christian Siemund. Mit dem dritten Sieg in Folge festigte der BAK seinen 5. Tabellenplatz und hat durchaus noch Luft nach oben. Und dafür hat sich der Klub wahrlich ein bisschen mehr Unterstützung aus seinem Kiez verdient

 

Warum versagen Trotzkisten bei Lammkeulen?

Gestern gab es endlich mal wieder einen Herrenabend. Geladen hatte der trotzkistische Bürokrat in sein Domizil im gentrifizierten Bergmannstraßen-Kiez. Es erschienen außer meiner Wenigkeit ein bürgerlich-liberaler Journalist und ein Gewerkschaftsknecht. Das hochkarätige Gremium erörterte wesentliche Fragen des nationalen und internationalen Klassenkampfes, konnte aber weder für die Regelung der Lehrerbesoldung, noch für die Finanzierung des Öffentlichen Nahverkehrs und die Wohnungsbaupolitik in Berlin eine einvernehmliche Lösung finden. Lediglich bei der Beurteilung der griechischen Schuldenkrise war man sich weitgehend einig und verurteilte einmütig die verbrecherische Politik der Bundesregierung und der EU.

Trotzkistische Küchenidylle

Große Besorgnis löste allerdings die eindeutig regressive Entwicklung des trotzkistischen Bürokraten in genusspolitischen Fragen aus. So wurde mir nach meiner Ankunft ein atemberaubend widerlicher süßlicher Krimsekt gereicht, was der Bürokrat kleinlaut als „Versehen“ einräumte. Den Besitz der Flasche begründete er mit seiner Solidarität mit der russischen Krim-Politik. Darüber könnte man ja reden, aber für den Ausschank derartiger Flüssigkeiten gibt es keine Rechtfertigung.

Das Risotto war akzeptabel, aber die folgende Lammkeule war nicht fachgerecht zubereitet worden und schmeckt entsprechend doof. Auch die relativ neue Vorliebe des Trotzkisten für holzlastige Weiß- und Rotweine stieß – wenn auch nicht einhellig – auf scharfe Kritik. Dazu kamen noch schwere Servicemängel beim servieren des abschließenden Espressos – zu dem immerhin ein bemerkenswertes Zwetschgenwasser gereicht wurde.

Kann man dem Träger dieser Schuhe guten Weingeschmack zutrauen?

Seinen kulinarischen Kampfauftrag hat der Bürokrat jedenfalls nur mangelhaft erfüllt. Wobei anzuerkennen ist, dass er sich bemüht hat, was aber bekanntlich nicht immer reicht. Dennoch ein fröhlicher und würdiger Winterabschied, denn jetzt beginnt eindeutig der Frühling und morgen wird auch der Wandlitzer Landsitz wieder in Betrieb genommen. Denn spätestens am 1.Mai wird sich die erlauchte Runde dort versammeln, um den Kampftag des Spargelschälers angemessen zu begehen. Natürlich ohne hoilzlastigen Weißwein!

Auf Masern-Parties Syriza beschimpfen und Wohnungen verhindern

Auch Menschen mit einem etwas weniger ausgeprägten Hang zu dezenter Arroganz beschleicht bestimmt manchmal das Gefühl, dass man fast nur von Schwachmaten und Vollpfosten umgeben ist. In dieser Woche war das bei mir besonders extrem.

1.) Während in Berlin eine regelrechte Masern-Epidemie tobt, beschwören „Impfskeptiker“ die vermeintlichen Gefahren der Schutzimpfung und veranstalten sogar „Masernparties“, damit sich die Kindern so richtig anstecken und damit ihr Immunsystem stärken können. Dabei ist jeder ungeimpfte Mensch, der die Krankheit noch nicht hatte, eine tickende Zeitbombe, weil er hoch ansteckend sein kann, bevor bei ihm selbst Symptome erkennbar sind. Statt die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes und der Seuchenabwehr eine Pflichtimpfung für Kinder gegen Masern auf dem Weg zu bringen, zucken die Politiker zurück, und beschwören – je nach Parteizugehörigkeit- die „Eigenverantwortung“ bzw. das „Selbstbestimmungsrecht“ der Eltern. Geht’s noch?

2.) Während die linksreformistische Syriza-Regierung in Griechenland mit dem Rücken zur Wand versucht, ein wenig Spielraum gegen die geballte Macht und die abartige Verarmungspolitik der EU und des internationalen Finanzkapitals zu schaffen, ist es unter bekanntermaßen seit Jahrzehnten ungewöhnlich erfolgreichen deutschen Linksradikalen mittlerweile chic, Syriza „Verrat“ vorzuwerfen und übelst zu beschimpfen. Weiterlesen

Run BAK!

Es bahnte sich schon wieder so ein Frühlingsvorbotentag an. Also raus aus der Bude und zum Poststadion radeln, dessen morbider Charme mich schon lange fasziniert. Hier spielt nicht Schalke oder Bayern München, sondern der Viertligist Berliner Athletik Klub (BAK) 07, der sich nach der Hinrunde im oberen Mittelfeld der Fußball-Regionalliga Nordost etabliert hat. Zum Rückrundenstart wurde der SV Babelsberg 03 erwartet, ein Verein der schon bessere Zeiten erlebt hat und vor seiner zwischenzeitlichen Insolvenz auch schon in der 2. und 3. Bundesliga spielte.

Aufwärmen ist Alles: Die BAK 07-Mannschaft vor dem Spiel

BAK ist Kiez-Fussball pur. Alt-Moabiter Rentner und türkische Kids sitzen einträchtig auf der Tribüne, alles wirkt irgendwie improvisiert, aber mit Herz. Im Innenraum wird Kuchen und Nudelsalat verkauft, um Geld für eine Reise einer Mädchenmannschaft des BAK nach Holland zusammen zu bekommen, an eher provisorisch wirkenden Buden gibt es Köfte und Bier, unter den Sitzen liegen von einem Sponsoren bedruckte „Klatschpappen“ zum Anfeuern der Heimmannschaft. Ein Stadionsprecher hält die rund 1500 Besucher bei Laune, und als der BAK schließlich aufläuft, ertönt tatsächlich – wie auf Schalke! – ziemlich laut „Hells Bells“ von AC/DC. Das macht ein bisschen Gänsehaut. Es gibt für mich eigentlich wenig Gründe, an einem Sonnabend gegen 13,45 Uhr ein Bier zu trinken, doch jetzt passt das einfach. Weiterlesen

Wolfgang Schäuble: Nicht der einzige hässliche Deutsche

Das arrogante Herrenmenschentum, mit dem Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble von Griechenland verlangt, zu Kreuze zu kriechen, ist unerträglich. Das ökonomisch ausgeblutete Land soll gedemütigt werden. Er verlangt, dass auch künftig Millionen Menschen in nackter Armut, ohne medizinische Versorgung, ohne jegliche Perspektive dahin vegetieren sollen. Ökonomisch macht das keinen Sinn, Griechenland wird seine Schulden ohnehin nie zurückzahlen können. Doch es soll ein Exempel in der EU statuiert werden: Wer aufmuckt, bekommt die deutsche Peitsche zu spüren.

Dazu passt der heute veröffentlichte Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes. Die deutsche Wirtschaft boomt, aber die Armut noch mehr. In Berlin wächst mittlerweile jedes 3. Kind in absoluter oder relativer Armut auf. Dennoch entblödet sich Berlins  regierender Honk Michael Müller an so einem Tag nicht, mit 800 Minderjährigen ein Pro-Olympia-Spektakel am Brandenburger Tor zu veranstalten. Sind die herrschenden Politiker eigentlich nur dumm, oder sind es zynische Verbrecher, fragt man sich manchmal. Im Regierungs- und Glamourbezirk Berlin-Mitte verlässt jedes 6. Kind die Schule ohne einen Abschluss, und diese Bekloppten krakeelen „Wir wollen die Spiele“. Man buhlt um die Gunst einer kriminellen Vereinigung namens Internationales Olympisches Komitee, um die Leistungsshow der Pharma-Branche nach Berlin zu bekommen. Gesabbelt wird von der „völkerverbindenden Kraft des Sports“, während in Berlin die Schulturnhallen verrotten. Mittlerweile verschicken diese A….geigen sogar ihre Pressemitteilungen mit Extradatei zur Olympiawerbung. Dazu kommt der nahezu tägliche Ärger mit den asozialen Kiezchauvinisten hier in Moabit, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, jeglichen Neubau von Wohnungen zu verhindern, um ihre Pseudo-Idylle zu bewahren.

Es ist schwer, ein wenig runterzukommen, wenn man so voller Wut ist, wie ich derzeit. Glücklicherweise ist heute eine berückende CD eingetroffen, die ich vor ein paar Tagen bestellt habe: „Ave Maria“, Lobgesänge auf die Gottesmutter aus dem 17.Jahrhundert. Fantastische, beseelte Musik mit dem Ensemble Bell’arte Salzburg und der überirdischen Sopranistin Nuria Rial. (hier kann man Ausschnitte hören). Schon nach den ersten Tönen der einleitenden „Sinfonia all’Epistola“ von Stefano Bernardi fühlt man sich ein wenig befreit und mental durchlüftet. Plötzlich nimmt man zur Kenntnis, dass es draußen hell, klar und relativ warm ist – erste Frühlingsvorboten. Ich habe angefangen, den Balkon aufzuräumen und die Blumenkästen vorzubereiten. Ich freue mich auf die neue Saison im Sommerhaus in Wandlitz. Ich will was leckeres essen und mach mir eine Erdnusssoße für die Großgarnelen, die noch im Eisfach sind. Ich pfeife auf die „Weingesetze“ und öffne einen richtig guten Rotwein (den Panterra 2011 von Hummel) obwohl es Garnelen in Erdnusssoße und später noch ein bisschen guten Hartkäse aus der halbgentrifizierten Moabiter Markthalle geben soll. Genuss ist Notwehr, und irgendwie muss man sich ja wehren.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Olympia in Berlin verhindert werden muss