Frohe Weihnachten mit Amazon

Was sind wir nur für Heuchler! Natürlich haben wir Verständnis für die Streiks beim Versandhändler Amazon, der sich weigert, seine Beschäftigten nach dem Flächentarifvertrag für den Handel zu entlohnen. Dennoch bestellen wir fleißig weiter bei dem US-Konzern, der in diesem Jahr voraussichtlich über sieben Milliarden Euro in Deutschland umsetzen wird und scheinbar unaufhaltsam die Marktführerschaft anstrebt. Und wir wären stinksauer, wenn unsere Bestellung nicht rechtzeitig zu Weihnachten ausgeliefert wird.

Streik bei Amazon in Leipzig – und Deutschland bleibt einig Land der Streikbrecher.
Quelle:ver.di

Das wird wohl kaum passieren. Mit Hilfe von Leiharbeitern und Saisonkräften hat Amazon wie angekündigt den Streik einfach ausgesessen. Amazon wird weiter wachsen, irgendwann wird die Buchpreisbindung fallen und dem ohnehin bereits stark gerupften stationären Buchhandel endgültig der Garaus machen. Schuld daran nicht in erster Linie korrupte Politiker, die solchen Konzernen den Weg ebnen, sondern WIR, die wir die Bestie mit unserem Wunsch nach möglichst bequemem Konsum fleißig weiter füttern. Weiterlesen

Chodorkowski wieder im Adlon

Michail Chodorkowski scheint das Adlon zu mögen. Jedenfalls hielt er sich dort bereits im September 2003 auf, unter anderem um einen Vortrag vor geladenen Gästen zu halten. Und schon damals war Hans-Dietrich Genscher mittenmang.  Ich war als akkreditierter Pressevertreter anwesend – und schwer beeindruckt, wie der nachstehende Kommentar belegt, der am 1. Oktober 2003 in der Tageszeitung „Junge Welt“ erschien.

 “Die Zivilgesellschaft hat viele Gesichter. In Belgrad erschien sie in Form von F-16-Kampfbomberm, in Bagdad als Koalition der Willigen, und in Russland nennt sie sich Michail Chodorkowski. Der vormalige kleine Apparatschik hat sich in den 90er Jahren einen Großteil des russischen Volksvermögens in Form der Ölvorkommen unter den Nagel gerissen und inzwischen ein Privatvermögen von vier Milliarden Dollar angehäuft. Mit soviel Geld kauft man sich keine Privatjets, Edelkonkubinen oder Südsee-Inseln mehr, sondern mindestens einen ganzen Staat. Man gründet »wohltätige« Stiftungen und »Bildungseinrichtungen«, finanziert verschiedene konkurrierende Parteien, erwirbt Zeitungen und sagt der »Bürokratie«, daß heißt all denen, die wenigstens ein Minimum an staatlichem Einfluß auf das Wirtschafts- und Politikgeschehen erhalten wollen, den Kampf an. Das Ganze nennt sich »Vormarsch der Zivilgesellschaft«, und bei so was bekommen Lichtgestalten wie Hans-Dietrich Genscher und andere Honoratioren der »Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik« noch größere Ohren, als sie ohnehin schon haben. So luden sie Chodorkowski am Montag zum Vortrag in die Berliner Nobelherberge Adlon ein. Dort bekräftigte der russische Mafiaboß mit guten CIA-Verbindungen, dass sein und anderer Großkapitalisten Geld schließlich ehrlich verdient und der Staat ohnehin überflüssig sei. Genscher und Co. nickten beifällig. Aber in Deutschland ist man eben schon weiter. Statt einer »Zivilgesellschaft« hat man dort eine etablierte parlamentarische Demokratie als Transmissionsriemen für Kapitalinteressen bereits nahezu vollkommen entwickelt.”

 Kurz darauf wurde der Oligarch eingesperrt – vollkommen zu recht, meine ich. Jetzt hat ihn Putin frei gelassen. In Deutschland wird er jetzt gefeiert und hofiert. Er heißt ja auch nicht  Edward Snowden.

 P.S. Nach der Rede Chodorkowskis im Adlon gab es damals noch einen netten Empfang. Der gefüllte Stör war sagenhaft, sollte ich auch mal probieren.     

 

 

Willkommen im Bistro Balcerowiak

Genuss ist Notwehr. Und so hat das proletarisch-revolutionäre Anti-Weihnachtsmenü am 26. Dezember in Moabit mittlerweile eine ähnlich ruhmreiche Tradition wie der Kampftag des Spargelschälers am 1.Mai in Wandlitz. Auch diesmal lassen wir es ordentlich krachen. Zunächst einmal ohne jeden Grund,  aber für mich persönlich gibt es kurz vor dem Jahresende durchaus Einiges zu feiern. Immerhin habe ich einen Bandscheibenvorfall und einen Leistenbruch relativ gut überstanden. Auch mein Wandltzer Landsitz hat sich von den Orkanschäden im August mittlerweile erholt. (Danke Frank!) Ferner durfte ich plötzlich und unerwartet als Ko-Autor von Manfred „Captain Cork“ Klimek in das Projekt des „ultimativ anderen Weinbuchs“ einsteigen.  Nicht zu vergessen, dass mir ein ehemaliger Arbeitsgeber nach mehrjährigem Arbeitsgerichtsprozess schließlich ein ansehnliches Schmerzensgeld für viele Jahre Wahnsinn überwies. Außerdem muss ich einem hier bereits des Öfteren erwähnten trotzkistischen Bürokraten mal zeigen, wo in der Küche der Eispickel hängt.

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Unsere Besten

Hurra, Mutti ist gewählt. Und ihr Kuriositätenkabinett ist ebenfalls  in Amt und Würden. Nun ist es also amtlich, welche Pappnasen uns künftig im Auftrag des Kapitals verwalten dürfen, bzw. so tun als ob, denn Fachkompetenz ist ja eingestandenermaßen kein Kriterium für ein Ministeramt.

Beginnen wir mit dem Trash:  Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt gehören zu jenen Gestalten, die man gerne „Hackfressen“ nennen würde, dies aber aus juristischen Gründen leider nicht darf. Knapp dahinter kommt Andrea Nahles, die als bekennende Katholikin und praktizierende Nervensäge eigentlich als unzurechnungsfähig gelten müsste. Wenigstens ist Pofalla weg; eine der schleimigsten Figuren, die man sich vorstellen kann. Weiterlesen

Für Rotwein bitte auswandern

Tja, Pech gehabt. Der sagenhafte Spätburgunder*** vom Weingut Ehrhart für 6 Euro ist leider ausverkauft, woran ich wohl nicht ganz unbeteiligt war. Einen „Ersatzwein“ aus dieser Rebsorte habe ich bislang nicht gefunden, und was ich in diesem Jahr an Lembergern in dieser Preisregion getrunken habe, war leider ziemlicher Mist. Offenbar fühlen sich viele Winzer berufen, ihre Basisweine möglichst „modern“ zu gestalten, also prall, vanillig und mit kastrierter Säure. Oftmals auch mit viel zu viel Alkohol, der aber von der Struktur und den Aromen dieser Weine nicht getragen wird. Furchtbar! Weiterlesen

Geiz ist ungeil: Weintipps für „preissensible“ Genießer

Bevor ich verrate, was es bei mir am 2. Weihnachtstag zu essen und zu trinken gibt, will ich zunächst über Geld reden. Denn ich finde es allmählich unerträglich bis peinlich, wenn sich Menschen trotz einigermaßen auskömmlicher oder gar sehr komfortabler  Einkünfte bei Aldi&Co drängeln, um – auch zu Weihnachten – palettenweise Schrottweine zu kaufen. Niemand muss Wein mögen, aber wer seinem Genuss etwas abgewinnen kann, macht sich schlicht zum Volldeppen, wenn er sich mit diesem Mist abspeisen lässt. Warum dann eigentlich nicht richtig billig – ein Tetrapack „Küferstolz“ ist schließlich auch irgendwie Wein und kostet sogar noch weniger als der in Flaschen abgefüllte Einheitsmüll aus Spanien, Italien und Chile.

Auch diejenigen, die sich Genüsse aller Art vom Munde absparen müssen, haben was Besseres verdient als Fusel.  Es ist nicht zynisch, einem Hartz-IV-Empfänger, der mal einen Wein trinken will, zu empfehlen, lieber fünf Euro als 2,50 auszugeben.   Weiterlesen

Nicht nur Wein trinken, sondern auch das Streikrecht verteidigen!

Manchmal gibt es wichtigere Dinge als gut kochen und guten Wein trinken. Eine große Koalition der ganz besonderen Art hat sich aufgemacht, das Streikrecht in Deutschland stark einzuschränken. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kämpfen seit Jahren Hand in Hand dafür, dass gut organisierte Spartengewerkschaften wie z.B. die der Lokführer, Fluglotsen, Flugbegleiter und Ärzte keine eigenen Tarifverträge mehr abschließen dürfen. Beim ersten Anlauf 2009/10 sind sie damit auf die Nase gefallen; doch jetzt haben sie in den künftigern Regierungsparteinen CDU, CSU und SPD willige Vollstrecker gefunden. Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag verankert.

 Über dieses Thema habe ich mich mit den Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, unterhalten. Das Interview erschien am Freitag im „Neuen Deutschland“

Die GDL hat sich auch für das kommende Jahr ehrgeizige tarifpolitische Ziele gesetzt. So wollen Sie bei der Deutschen Bahn eine Absicherung für Lokführer bei Berufsunfähigkeit durchsetzen. Wenn es nach der Bundesregierung geht, wird daraus nichts, weil Ihnen per Gesetz das Recht abgesprochen werden soll, eigene Tarifverträge abzuschließen. Wäre dies das Ende der GDL?

Weselsky: Vom Ende der GDL kann überhaupt keine Rede sein. Wir sprechen hier über eine Gewerkschaft, die 146 Jahre alt ist. Weiterlesen

Ich gebe einen aus!

Mit Sicherheit würde mir dieser Blog keinen Spaß mehr machen, wenn ihn niemand liest. Doch davon kann keine Rede sein: Betrug die Zahl der monatlichen Seitenaufrufe im Januar noch 14.556, so waren im November bereits knapp 40.000. Als absolute Pusher erwiesen sich dabei mein fünftätiges „Jazzfest-Special“ und der Artikel „Gaga in Moabit“, beides hatte ich auch entsprechend in Netzwerken rumgepostet. Aber offensichtlich sind auch nach diesen „Highlights“ viele neue Leser hängen geblieben, was mich natürlich ehrt und anspornt. Weiterlesen

Was sollen wir lesen? Zum ersten Todestag der FTD

Vor einem Jahr erschien die letzte Ausgabe der Financial Times Deutschland (FTD). In den 13 Jahren ihres Bestehens hatte das Blatt stets Verluste geschrieben, schließlich zog der Verlag Gruner+Jahr die Reißleine.

Das Problem der Zeitung war absurderweise ihr kompromissloses Bekenntnis zur redaktionellen Unabhängigkeit und hohen journalistischen Standards. Der angepeilten wirtschaftsaffinen Leserschaft war sie offenbar zu diskursfreudig, bisweilen auch zu marktwirtschaftsskeptisch. Auch große Anzeigenkunden mussten damit rechnen, dass ihre Unternehmen Gegenstand stets fundierter, aber eben auch kritischer Berichterstattung werden. Und spannende Debatten zwischen Marktradikalen und Marxisten empfand man in diesen Kreisen wohl auch eher als degoutant Weiterlesen

Wenn Linke spinnen: Vegan bis karnivores “I” und “_”

Eines muss man den einheimischen Linksradikalen ja lassen. Sie stehen zwar politisch in der Defensive, doch bei der semantischen Dekonstruktion der deutschen Sprache haben sie beachtliche Erfolge errungen. Außerhalb der „bürgerlichen“ Publizistik traut sich kaum noch jemand, auf das eingeschobene „I“ zu verzichten, um Geschlechterneutralität zu demonstrieren. Und das war erst der Anfang, denn richtig korrektes Genderbewusstsein drückt sich mittlerweile im eingeschobenen Unterstrich aus, um die Vielfalt der geschlechtlichen Identitäten auszudrücken. Da machen auch hoch bezahlte Wissenschaftler mit, wie z.B. vom „Kompetenzzentrum Gender & Diversity“ der technischen Hochschule Nürnberg. „Wir begrüßen diese gender-wissenschaftliche Weiterentwicklung in der Sprachdebatte und werden uns vorerst nach Möglichkeit an dieser oder an ‚neutralen‘ Formulierungen orientieren“ heißt es dazu in einer Erklärung der Wissenschaftler. Weiterlesen