Abschiedstrunk für Ratzi und Annette

Was für Zeiten, Ständig tritt irgendjemand zurück oder wird zurückgetreten, wer weiß das schon so genau. Wäre ich Esoteriker, würde ich die derzeitige Häufung als logische Folge einer bestimmten kosmischen Konstellation sehen. „Mars läuft gerade durchs neunte Haus des Jupiter“ oder so. Bin ich aber nicht. Und daher denke ich eher daran, jene Menschen, die plötzlich aus dem Rampenlicht verschwinden, mit einem angemessenen Glas Wein zu verabschieden.

Mensch Ratzi, hast tatsächlich noch den Absprung geschafft. Darauf einen Messwein
Quelle: Wikipedia

Beginnen wir mit dem Superstar der Demissionierten. Papst Benedikt XVI, alias Joseph Ratzinger, genannt Ratzi, hat seinen unbefristeten Job als Stellvertreter Gottes und oberstes Jesus-Double schlagartig gekündigt, weil er sich dafür zu schlapp fühlt. Gut gemacht, Ratzi, denn man muss ja nun wirklich nicht wie dein Vorgänger Karol Wojtyła quasi vom Amtssessel in die Kiste fallen. Obwohl das ja für einen Papst so eine Art Beförderung ist. Weiterlesen

Früher war alles besser

Wer diesen Blog regelmäßig besucht, wird festgestellt haben, dass ich mich in den vergangenen zwei Wochen ziemlich rar gemacht habe. Keine Bange; ich habe keineswegs die Lust verloren. Vielmehr schreibe ich mal wieder ein Buch, und das – wie in der Branche üblich – unter menschenunwürdigem Zeitdruck. Alles Weitere ist noch streng geheim.

So nebenbei koste ich mich derzeit durch Weine aus der „2.Reihe“ der Winzer im Remstal, der führenden Weinregion in Schwaben. Auch das nicht nur zum Vergnügen, sondern mit publizistischen Hintergedanken. Schwerpunkt ist die dort beheimate und oft unterschätzte Rebsorte Lemberger. Auch hier fast alles noch streng geheim, aber immerhin schon soviel: Es gibt diverse Spitzenweine, aber die kosten auch entsprechend Geld. Doch alles, was ich bislang im unteren Preissegment (bis 7 Euro) getrunken habe, war enttäuschend: Müde Tröpfchen, deren Schwachbrüstigkeit mit zu viel Alkohol und zu viel Holzgeschmack kaschiert werden soll.   Weiterlesen

Alles nur Chemie

Mit Büchern über das Zusammenspiel von Wein und Spiesen kann man mühelos einige Regalmeter füllen. Dabei wären die meisten dieser Druckerzeugnisse im Altpapiercontainer wesentlich besser aufgehoben. Das gilt besonders, wenn man in den Werken so putzige Empfehlungen wie „passt zu dunklem Fleisch“ oder „asiatischer Küche“ lesen darf. Sehr beliebt sind auch Zuordnungen  wie „würziger Käse“ oder schlicht „Fisch und Meeresfrüchte“.

Den Rotwein, der zu diesem Blue Stilton passt, würde ich gerne mal sehen
Quelle: Dominik Hundhammer/Wikipedia

Was für ein Unfug! Den Wein, der gleichermaßen gut zum Rinderschmorbraten und zum Hasenrücken passt, würde ich gerne mal kennen lernen. Und was hat ein scharfes Thai-Curry mit einer indischen Linsensuppe zu tun. Fast noch absurder ist „Fisch und Meeresfrüchte“, wenn man beispielsweise an gebratenen Zander auf der einen und in Chili, Knoblauch und Koriander marinierte Großgarnelen auf der anderen Seite denkt. Unter „würzigem Käse“ werden dann offenbar Produkte wie ein zerlaufender Munster, bereits leicht verwester Stilton und gereifter Appenzeller subsummiert; eine unlösbare Aufgabe für einen einzelnen Wein. Umgekehrt geht es genauso doof: Auf Tipps wie „fruchtiger, nicht zu trockener Weißwein“ oder „gehaltvoller, dunkler Rotwein“ kann man jedenfalls ziemlich laut pfeifen. Weiterlesen

Bericht aus der Speisekammer

Bulgur in Vollendung: Für so ein leckeres Gericht lasse ich mich auch gerne als “Körnerfresser” schmähen.
Quelle:cyclonebill/Wikipedia

 

In meiner häuslichen Vorratskammer sieht es mittlerweile aus wie im Körnerlager. Wo andere Menschen ihre Konserven aufbewahren, stapeln sich bei mir Tüten und Gläser mit Getreide und trockenen Hülsenfrüchten in verschiedenster Form. Irgendwas muss ich ja schließlich essen. Da ich auf Fleisch selten und vor allem immer weniger Bock habe und das saisonale regionale Gemüseangebot doch recht überschaubar ist, habe ich es in diesem Winter verschärft auf besagte Lebensmittelabgesehen. Inspirationen gibt es viele. So findet man in jedem größeren türkischen Supermarkt einen Tresen mit Bedienung, der außer diversen Schafs- und Ziegenkäsepasten auch einen so genannten Hirtensalat offeriert, wobei es sich um ein türkisches Gericht namens Kisir handelt. Weiterlesen

Über Schwaben, Trollinger und politische Amnesie

Schwaben sind in aller Munde. Neulich hat sich sogar ein abgehalfteter SPD-Politrentner über unsere süddeutschen Mitbürger aufgeregt. Die haben ja bekanntlich den früheren Berliner Szene-Bezirk Prenzlauer Berg okkupiert, und seitdem heißen dort die Berliner Schrippen „Wecken“, was Wolfgang Thierse  vollkommen daneben findet. Das ist mir so was von egal, von mir aus könnte dieses ernährungsphysiologisch ohnehin wertlose Weißmehlgebäck auch Hotzenplotzi oder Umpfelbumpfel heißen. Hauptsache, es schmeckt einigermaßen knackig und besteht nicht – wie die meisten Schrippen oder Wecken – fast nur aus Luft.

Ohnehin sind mir Scharen zuwandernder Schwaben in der Berliner Genuss-Diaspora durchaus willkommen – wenn sie denn auch anständigen Wein mitbringen. Weiterlesen

Unter falscher Tierschutz-Flagge

In Berlin ist immer was los. Während auf der Straße des 17.Juni und in anderen Locations magersüchtige Models im Rahmen der Fashion Week die neuesten Kollektionen der Modeindustrie präsentieren, laden Lebensmittelkonzerne und Bauernverband zur größten Verbraucher-Fressmesse Europas, der „Grünen Woche“ in den Messehallen am Funkturm. Zwischen Häppchen, vermeintlichen Schnäppchen und simuliertem „Bauernhof-Feeling“ wird in diesem Jahr auch eine Innovation in Sachen Verbrauchertäuschung präsentiert. Es geht um die neue Kennzeichnung für vermeintlich artgerecht erzeugtes Hühner- und Schweinefleisch. Weiterlesen

Trotzkistisch-bürgerliches Weinvergnügen

Wenn ein trotzkistischer Sesselfurzer zu Speis und Trank einlädt, ist immer höchste Vorsicht geboten. Auch hatte dieser zu lebenslänglichem Beamtensein verurteilte Bürokrat bereits des Öfteren für negative „Höhepunkte“ gesorgt. Mit Grausen erinnere ich mich sowohl an zähe Entenbrustfilet-Streifen auf einem Feldsalat, als auch an einen grauenvollen Pinot Noir aus Portugal.

Immerhin gab es außer einer im Großen und Ganzen verkehrsfähigen Käseplatte sogar ein passables Pilz-Risotto. Das wird allerdings noch ein Nachspiel haben. Der Trotzkist behauptet nämlich, das Gericht höchstpersönlich frisch zubereitet zu haben, konnte aber den Verdacht, dass es sich um ein relativ hochwertiges Fertigprodukt handelt, nicht ausräumen. Die Geschmackspolizei ist bereits informiert, Laboruntersuchungen wurden in die Wege geleitet. Beim Käse war zwar alles „voll bio“, aber ein esoterisch anmutender Schnittkäse namens „Engel-Odem“ schmeckte penetrant nach Seife. Und die  Behauptung des Gastgebers, alles sei aus Deutschland, erwies sich ebenfalls als untauglicher Versuch, die eigene Schludrigkeit beim Einkauf zu überspielen: Ein Käse wurde eindeutig als Via Mala identifiziert, und der stammt bekanntlich aus Graubünden  in der Schweiz. Weiterlesen

eat the poor

Preisfrage: Was hat dieses deutsche Fleischregal mit den weltweiten Hungerkrisen zu tun?
Quelle:wikipediacommons

Hoher Fleischkonsum gilt weltweit als Indikator für wachsenden Wohlstand. Demzufolge müsste es uns unheimlich gut gehen. Jeder Deutsche verbraucht mittlerweile durchschnittlich 90 Kilogramm Fleisch und Fleischprodukte pro Jahr. Verbraucht, nicht verzehrt, denn 30 Kilo landen in Schlachthöfen, beim Handel und in Haushalten auf dem Müll. Dies (und vieles mehr) ist dem  Fleischatlas 2013 zu entnehmen, der am Donnerstag in Berlin vom BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt wurde.

Ausdruck steigenden Wohlstands ist das beileibe nicht. Vielmehr ist Fleisch in Deutschland so billig wie noch nie. Und da Geiz bekanntlich unheimlich geil ist, kaufen nicht nur Herr und Frau Hartz IV, sondern auch Familie Bürgerlich gerne antibiotikabelastete  Brathähnchen für 1,99 oder wässrige Schrott-Schnitzel für 2,22 pro Kilo abgepackt im Supermarkt. Weiterlesen

Öfter mal was Neues

Mit Musik ist es wie mit Wein oder Essen: Was der Bauer nicht kennt, dass frisst er (trinkt er, hört er) nicht Und wer kennt schon Wojciech Kilar oder Krzystof Urbanski.   Die beiden polnischen Musiker gehören nicht gerade zu den Stammgästen in den großen deutschen Konzertsälen. Gerne begibt sich der von einem schier überbordenden Angebot verwöhnte gemeine Berliner Konzertbesucher auf die vermeintlich sichere Seite und zieht sich seinen bewährten Beethoven, Brahms, Mozart Wagner etc. rein. Natürlich geleitet von einem Dirigenten, den man schon mal gesehen hat oder wenigstens irgendwie kennt. Weiterlesen