Säkularisierung – jetzt!

Eigentlich bahnte sich ein richtig prallvoller Sonnabend an. Zunächst wollte ich den „Neujahrsempfang“ der PARTEI Berlin-Mitte (der ich auch angehöre) besuchen. Anschließend stand der Besuch der Rosa-Luxemburg-Konferenz der „Jungen Welt“ auf dem Plan, über die ich für das „Neue Deutschland“ berichten sollte. Der Abend sollte dann auf einer „Soliparty“ einer aufstrebenden linksradikalen Gruppe (NaO) ausklingen, der ich zwar aus guten Gründen nicht angehöre, deren leitendes Personal ich aber teilweise persönlich durchaus schätze.

Heraus gekommen ist ein Sonnabend, an dem ich nach ein paar notwendigen Einkäufen am Vormittag meine Wohnung nicht mehr verlassen habe. Aus verschiedenen Gründen: 1.) Bei der PARTEI ist es zwar immer sehr lustig, aber seit dem Massaker von Paris und der teilweise unsäglichen Diskussion darüber ist mir im Moment nicht so ganz nach lustig. 2.) Für die Konferenz verweigerte mir die Junge Welt die Akkreditierung unter Hinweis auf ein vor über drei Jahren im Rahmen einer (längst beendeten) arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung erteiltes Hausverbot. Soviel zum Thema Linke und Pressefreiheit. 3.) „Solipartys“ mit schlechter Musik und schlechtem Bier sind eigentlich sowieso nicht mein Ding. Zudem habe ich mich darüber geärgert, dass sich die NaO als offizieller Unterstützer der jW-Konferenz nicht zu dem gegen mich verhängten Berichtsverbot äußern wollte. Auch das gehört zum Thema Linke und Pressefreiheit. Das gilt auch für den Fachbereich Medien von ver.di Berlin-Brandenburg: Auch Unterstützer der Konferenz, auch kein Statement zu meinem Hausverbot.

Es wurde also ein eher melancholischer, nachdenklicher Tag, den ich allerdings nicht mit Grübeleien über derartige Petitessen vergeudete. Aber Paris steckt mir in den Knochen, oder vielmehr das unerträgliche Geschwätz darüber. Weiterlesen

Eine Demonstration zu wenig am Montag

Am Montag wurde in Deutschland wieder reichlich demonstriert. Während PEGIDA in Dresden eine feste Größe zu sein scheint, sind die diversen Trittbrettfahrer in Berlin, Köln usw. glücklicherweise nur kleine Häufchen von Schwachmaten ohne nennenswerte Resonanz. In Berlin geht die rassistische Post eher in Hellersdorf und ähnlichen öden Orten ab, wenn NPD-Kader und empörte Bürger Hand in Hand gegen Flüchtlingsunterkünfte pöbeln.

Dass sich in Berlin gestern dennoch insgesamt mindestens 5000 Menschen aufgemacht haben, um die 2-300 Vollpfosten, die sich hier BÄRGIDA nennen. in die Schranken zu weisen, ist zweifellos in Ordnung. Dennoch bekomme ich einen gewissen Würgereiz, wenn ich mit örtlicher und überregionaler SPD- und Grünen-Prominenz “für ein solidarischen Miteinander” demonstrieren soll.

Eine viel wichtigere Demonstration hat es am Montag leider nicht gegeben. 5000 oder besser 50.000 Menschen hätten zur SPD-Zentrale marschieren sollen. Denn am Montag hatten Parteichef Gabriel und Arbeitsministerin Nahles via Süddeutsche Zeitung quasi offiziell verkündet, dass die vor zehn Jahren wirksam gewordenen “Hartz-Reformen” eine ganz prima Sache seien, Deutschland entscheidend voran gebracht hätten und die Kritik daran endlich aufhören müsse.

Wenn in einer Millionenstadt 300 Idioten und Nazis gegen “Islamisierung” auf die Straße gehen, dann ist das zwar unappetitlich, aber verkraftbar. Dass aber in einer Millionenstadt, in der jedes vierte Kind in Hartz-IV-Armut lebt, niemand mehr auf die Straße geht, wenn die dafür verantwortlichen SPD-Größen sich ihrer sozialen Barbarei auch noch rühmen, dann ist das nicht zu verkraften. PEGIDA scheint so langsam nicht nur, aber auch zur willkommenen Alibiveranstaltung für unsere ach so weltoffene politische Elite zu werden. Ganz zu schweigen von dem links-liberal-grünen Mittelstand, dem die schlimme soziale Verfassung unserer Gesellschaft ohnehin komplett Banane ist..

Krieg von Kabul bis zum Jobcenter

Das Jahresende ist die Zeit der Bilanzen. So endet der 13jährige Kampfeinsatz der NATO in Afghanistan und die haben es tatsächlich mit einem Festakt in Kabul gefeiert. Insgesamt 135.000 deutsche Männer und – ganz im Sinne des Gender Mainsteaming – Frauen durften ein bisschen Bundeswehr-Stahlgewitter-Feeling genießen und am Hindukusch deutsche Interessen „verteidigen“. Leichen pflasterten ihren Weg, darunter auch eigene Verluste und jede Menge afghanische Zivilisten. Als Belohnung gab’s für einige Söldner noch eine solide posttraumatische Belastungsstörung. Keiner will zugeben, dass die Mission vollkommen sinnlos war und die Taliban stärker sind, als je zuvor. Ball flach halten ist die Devise, wir wollen schließlich auch künftig noch ein paar Kriege führen. Und zur Volksbeglückung gab’s ja immerhin noch den Weltmeistertitel im Fußball für Helene Fischer oder so.

Ein weiterer Krieg dauert mittlerweile auch schon zehn Jahre und wird wohl auf unbestimmte Zeit weiter gehen. Dieser wird nicht mit Luftangriffen und gepanzerten Fahrzeugen geführt, sondern mit Gesetzen und deren willfährigen Vollstreckern. Die Rede ist von Hartz IV, wodurch nicht nur ein dauerhafter Armuts- sondern flankierend auch ein gigantischer Niedriglohnsektor und neue Formen prekärer Arbeit etabliert wurden. Wenn man weiß, dass in Berlin jedes vierte Kind in Hartz-IV-Armut lebt und dann vor ein paar Tagen in der „Augsburger Allgemeinen“ lesen konnte, die Hartz-IV-Gesetze seien „ein heilsamer Schock für ein träge gewordenes Land“ gewesen, dann möchte man dem Verfasser dieser Zeilen schlicht und ergreifend gerne eins in die Fresse hauen.

Kleiner Lichtblick: Die GDL wehrt sich gegen die Einschränkung des Streikrechts.
Foto:GDL

Auch sonst war 2014 ein Jahr des Fortschritts. Die Altersarmut kommt ebenso zügig voran wie der Pflegenotstand. Mit der AfD hat sich eine rechtspopulistische Kraft konsolidiert, mit PEGIDA zeigt die dumpfe kleinbürgerliche Fremdenfeindlichkeit auch jenseits der Brandsatzwerfer wieder ein weithin sichtbares, hässliches Gesicht. Die Bundesregierung hat einen „allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn“ beschlossen, der Millionen Erwerbstätige im Regen stehen lässt, sowie ein „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“ mit dem das Streikrecht drastisch eingeschränkt werden soll. Wer sich dagegen wehrt, wie z.B. die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), wird von vermutlich denselben Medien-Arschlöchern, die Hartz IV bejubeln, zum Freiwild erklärt.

Apropos Widerstand: Der größte „Erfolg“, den Berlins versammelte Linke, Grüne, Piraten, Naturschützer, Freiraumbewahrer, Antigentrifizierer usw. 2014 zu verzeichnen hatten, war ein komplett asozialer Volksentscheid gegen jegliche Wohnbebauung des Randbereiches des Tempelhofer Feldes. Und dieser ekelhafte Kiezchauvinismus beherrscht mittlerweile die gesamte Neubaudebatte in Berlin. Auch bei mir in Moabit hat man gegen die Einheitsfront der Baum- und Strauchschützer mit denjenigen Anwohnern, die ihren unverbauten Blick behalten wollen, kaum eine Chance. Selbst am Stadtrand in Buckow gibt es Bürgerinitiativen gegen Neubau. Die sind vielleicht nicht ganz so widerlich wie der Ostberliner Mob, der gegen Flüchtlingsunterkünfte hetzt, diesem aber ähnlicher, als sie denken.

Glücklicherweise hatte das Jahr neben Frust und viel Arbeit für mich auch schöne Aspekte. Z.B. eine ausgedehnte Gartensaison in Wandlitz mit viel Muße und einigen fröhlichen Gelagen.Tolle Impressionen bei Weinreisen an die Saar, nach Portugal und ins Burgund. Und natürlich die jährliche, fast schon spirituelle Seelenreinigung beim Bachfest in Leipzig und beim Jazzfest in Berlin.

Am 26.Dezember haben wir es nochmal krachen lassen: Tofu-Lachterrine, Rehkeule usw. Und natürlich gab es Weinerkenntnisse. 1.) Gereifte trockene Riesling-Auslesen, wie der 2009er Reiler Goldlay von Steffens-Kess, können eine Offenbarung sein. Wer irgendwie die Möglichkeit hat, sollte sich guten jungen Riesling ein paar Jahre beiseite stellen. 2.) Zu Wildgerichten gibt es anscheinend nichts Besseres als portugiesische Rotweine, in diesem Fall ein Touriga nacional von der Quinta do Crasto. So soll es sein, denn Genuss ist bekanntlich Notwehr.

 

 

 

Weihnachten in Moabit: Völlerei für Frieden und Fortschritt

Bambis letzter Gang. Diese Keule vom Brandenburger Reh harrt (samt Knochen für die Soße) ihrer finalen Verwendung beim Moabiter Weihnachtsmenü

Ja, wir lassen es in Moabit wieder mal krachen zu Weihnachten. Und zwar definitiv NICHT VEGAN! (Zu diesem Thema habe ich mich Heiligabend im Neuen Deutschland geäußert) Wir beginnen am 26. Dezember mit einem Jahrgangschampagner von der Domaine Dehours, den Blanc de Blanc Petit Meunier 2007 extra brut. Dazu ein paar Oliven-Räucherforelle-Wachtelei-Spießchen Ich werde mein Glas auf die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erheben. Die hat sich vom rasenden Medienmob nicht einschüchtern lassen und unbeirrt an ihrem Ziel festgehalten, für alle ihre Mitglieder bei der DB, also auch Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten und Lokrangierführer, Tarifverträge abzuschließen. Das hat die Bahn mittlerweile zugestanden. Prost!

Es folgt die Tofu-Lachs-Terrine an Feldsalat mit Washabi-Himbeeressig-Vinaigrette. Dazu einen Reiler Goldlay Riesling Auslese trocken 2009 vom Weingut Steffens-Kess. Ich werde mein Glas auf jene aufrechten Dresdner erheben, die seit Wochen an jedem Montag mit einer “Dresden nazifrei”-Demo belegen, dass diese Stadt nicht nur aus “Rassisten und Idioten” (Jakob Augstein) besteht. Weiterlesen

Skandal in Moabit: Großartiger Glühwein aufgetaucht!

Mmmh, lecker Riesling-Glühwein von Harald Steffens

Für mich persönlich ist die Islamisierung des Abendlandes ein alter Hut. Bereits 2008 habe ich – damals noch in der „Jungen Welt“ – einige Fatwas gegen untragbare Geschmacksverbrechen ausgesprochen, z.B. gegen Dornfelder. 2010 folgten dann im „demokratischen Weinbuch weitere Verdikte gegen Prosecco, Federweißen und Glühwein. Im „kulinarischen Notfallkoffer“ und in einigen Artikel bei „Captain Cork“ wurden diese 2012 und 2013 bestätigt. Besonders das unumschränkte Verbot von Glühwein lag mir stets am Herzen – entsprechende Rechtsbelehrungen wurden von mir in jedem Jahr zu Beginn der kritischen Zeit Anfang Dezember in alle Winkel des Internets gepostet, zuletzt hier.

Und dann das! Am Sonnabend besuchte mich der Moselwinzer Harald Steffens in Moabit und hatte unter anderem eine Flasche Burger Hahnenschrittchen Riesling trocken 2011 im Gepäck. Diesen erhitzte er in einem Topf zusammen mit einer Zimtstange, zwei Nelken und 50 Gramm Zucker auf exakt 72 Grad. Anschließend wurde dieses Heißgetränk in Tassen gegossen und noch mit einer minimalen Prise Pfeffer veredelt. Weiterlesen

Singen mit PEGIDA

In der Adventszeit macht man mitunter merkwürdige Dinge. Zum Beispiel Gedanken über die angemessene Zubereitung von Bratäpfeln. Ich habe mich für Honig, Calvados, Zimt, Mandelmus und fein gehackte Rosinen entschieden. Und natürlich für die Apfelsorte Boskop. Heute abend werde ich sogar Glühwein trinken, persönlich zubereitet von dem Mosel-Winzer Harald Steffens. Wenn das mal gut geht…

Am Sonntag folgt dann ein Konzertbesuch (Freiburger Barockorchester) Am Montag  werde ich Weihnachtslieder singen und zwar mit rund 20.000 anderen Sangesfreunden vor der Dresdner Semperoper. Ich bin zwar Agnostiker, aber mit Kirchenmusik hatte ich noch nie ein Problem, weder aktiv noch passiv.Normalerweise werden derartige Massenchöre von Gotthilf Fischer geleitet, laut seiner Website “Herr der singenden Heerscharen”, oder auch “Therapeut der wunden Seelen”. Doch der ist anscheinend ausgebucht, denn am Montag schwingt ein gewisser Lutz Bachmann den Taktstock. Der ist ist zwar bislang nicht als Kirchenmusiker und Chorleiter in Erscheinung getreten, doch seine Rolle als Sprecher der PEGIDA-Bewegung verleiht ihm ausreichend Autorität für dieses Event. Weiterlesen

Mit Bach und Hirschkeule gegen den Wahnsinn

So langsam kommen anscheinend alle in die angemessene Weihnachtsstimmung. Unsere “besten Freunde und Verbündeten” outen sich jetzt auch offiziell als Schwerverbrecher, die jahrelang systematische Folter praktiziert haben. Und einige “unserer” osteuropäischen NATO-Verbündeten haben sich von den USA dafür bezahlen lassen, dass auch auf ihrem Territorium Foltergefängnisse eingerichtet werden. “Unserer” Regierung ist das herzlich egal. Es gibt sogar Lob für USA, dass sie endlich zugegeben haben, was ohnehin jeder wusste, der es wissen wollte. “Unsere” Regierung hat derzeit ohnehin Besseres zu tun. Z.B. das Streikrecht einschränken, wofür eigens vor ein paar Tagen vom Bundeskabinett ein “Tarifeinheitsgesetz” beschlossen wurde. Außerdem wird verzweifelt nach Wegen gesucht, wie man sich bei dem rechtsbürgerlichen Mob einschleimen kann, der derzeit vor allem in Dresden große Mobilisierungserfolge feiert.

Fast schon unwichtig, dass wir in Berlin jetzt einen neuen Regierenden Bürgermeister haben. Über ihn zu reden lohnt sich derzeit nicht. In zwei Jahren sollte man gucken, ob es für Geringverdiener mehr bezahlbare Wohnungen in der Innenstadt gibt. Daran muss Müller gemessen werden und nicht an diesem kafkaesken Flughafen. Die Widerstände gegen dringend benötigten Neubau in der wachsenden Stadt sind erheblich. In fast jedem Stadtteil trifft man auf sich “grün” oder auch “links” definierende Kiezchauvinisten, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass in ihrer Umgebung neuer Wohnraum entsteht. Seit dem erfolgreichen Volksentscheid gegen jegliche Randbebauung des riesigen Tempelhofer Felds hat diese asoziale Bagage ungeheuren Auftrieb. Weiterlesen

Äpfel, Krieg, Wein, Musik

Heute gibts Wirres zum 2.Advent

Soll noch mal jemand sagen, so ein kleiner Handelskrieg hat keine guten Seiten. Denn der russische Importstopp für einige Lebensmittel aus der EU hat unter anderem dazu geführt, dass die Erzeugerpreise für Äpfel auf 20 Cent und die für Milch auf 26 Cent pro Kilo gefallen sind. Wir Verbraucher können uns also auf auf sinkende Endkundenpreise freuen.

Ich weiß nicht, ob es wirklich Menschen gibt, die so bescheuert sind, dass sie so denken. Denn billige Äpfel und billige Butter sind schlicht der Kollateralnutzen aus einer Krise, die nicht nur konjunkturelle Einbrüche bei allen Beteiligten, sondern auch die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung in Europa beinhaltet.

Einer beunruhigende Vorstellung, die es schwer macht, Titanic-mäßig über tolle Weine und gutes Essen zu schreiben. Ich versuche es trotzdem. Weiterlesen

Glühwein: Warum nicht gleich Motoröl?

Es ist ja nicht so, dass mir nichts mehr einfällt. Aber aus gegebenem Anlass kommt pünktlich zum 1.Advent ein Artikel, den ich bereits vor einem Jahr veröffentlicht habe

Es  ist nicht auszuhalten! Während Millionen von Geschmacksprimaten noch damit beschäftigt sind, sich Unmengen einer ungenießbaren Flüssigkeit namens „Beaujolais Primeur“ einzuflößen, ist bereits die nächste Seuche im Anmarsch. Völlig verdrehte innere Uhren und nahezu kultische Gewohnheiten animieren selbst erwiesenermaßen vernunftbegabte Menschen ab Ende November zum Konsum eines Getränkes namens »Glühwein«.

Jedem Freund leiblicher Genüsse muss es wehtun, dass ausgerechnet eines der edelsten Getränke der Kulturgeschichte für diesen Irrsinn missbraucht wird. Denn „was muss ein Wein verbrochen haben, damit man ihn auf 75 Grad erhitzt, Zucker und Gewürze reinkippt und mittelalterliche Stadtsilhouetten aufs Etikett knallt“ fragte nicht zu Unrecht die Süddeutsche Zeitung in einer Wochenendausgabe.

Nun könnte man ja einigermaßen tolerant sein, und den Glühweinkult als zwar zweifelhaften, aber leider unausrottbaren Bestandteil der Weihnachtsmarktkultur verbuchen. Doch der Wahnsinn hat sich längst weitergefressen, bis in die Mitte der Konsumgesellschaft. Längst wird das Zeug auch in Flaschen und Tetrapacks abgefüllt und millionenfach in häuslicher Umgebung vertilgt.

Wie zur Verhöhnung eines jeden Weinfreundes gibt es mittlerweile auch ein „Premiumsegment“, den so genannten „Winzerglühwein“, auf dem die verwendete Rebsorte und manchmal sogar die Lage angegeben werden. Das Deutsche Weininstitut schreibt dazu in einer Pressemitteilung „Und jedes Jahr werden die Glühwein-Kreationen köstlicher. Kein Wunder, dass der heiße weinige Gewürztrunk sich zunehmender Beliebtheit erfreut, seit sich die Winzer zum Teil auf altüberlieferte, geheime Familienrezepte besinnen. Das Angebot an Glühweinen aus eigener Herstellung von Winzern, Genossenschaften und Kellereien wächst von Jahr zu Jahr.(..) Einige ökologisch arbeitende Betriebe bieten außerdem Bioglühweine an.“.  Bisweilen wird sogar behauptet, bei guten Winzerglühweinen bleibe der Wein trotz Unmengen Zucker und kruder Gewürzmischungen „sensorisch erlebbar“. Alleine diese dreiste Werbelüge sollte für den Entzug der Gewerbegenehmigung reichen. Nicht umsonst empfahl der Münchner Barkeeper Stefan Gabany in einem Interview, statt Glühwein doch lieber gleich Motoröl zu trinken.

Die kleinen Dinge

Es war keine schöne Woche. Mieses Wetter, wenig Tageslicht und ein Arbeitsprogramm für Neues Deutschland und taz, das so bittere Dinge wie die wachsende Überschuldung von Privathaushalten in Berlin, die unsinnige Stromtrassenplanung im Dienste der Kohlelobby und den anhaltenden Versuch, das Streikrecht einzuschränken beinhaltete. Als  “Höhepunkt” schließlich am Sonnabend eine Konferenz des Rechtspopulisten Jürgen Elsässer nebst seinem “seriösen” bürgerlichen Umfeld beinhaltete. Dazu noch Hakeleien mir meinen Moabiter Kiez-Chauvinisten, die ihre Idylle gerne auch mit Hilfe von Ein-Euro-Jobbern aufrecht erhalten wollen.

Da bleibt wenig Zeit für entspannten Genuss und so muss es reichen, sich über ein paar Kleinigkeiten zu freuen. Z.B. über die großartigen, preiswerten Weine der Fattoria La Vialla, bei der es tatsächlich für 6,10 Euro einen Chianti gibt, der mit mit seiner dichten, reifen Beerenfrucht und feinen Kräuternoten seinesgleichen in dieser Liga sucht.

Lichtblick im Weihnachtsmarktwahn. Die finnische Gemeinde feierte in Kreuzberg mit Flammlachs

So weit, so schön, aber was diese Jahreszeit neben dem Wetter so richtig unerträglich macht, sind nunmehr überall aus dem Boden sprießenden Advents- und Weihnachtsmärkte, mit ihrem unwürdigen Gestank nach verkohlen Würsten und grausamem Glühwein. Doch es gibt Ausnahmen. So feierte am Sonntag die finnische Gemeinde (ja, so etwas gibt es in Berlin) auf dem Hof einer großen Kreuzberger Kirche mit finnischen Köstlichkeiten und – fast noch wichtiger – in absolut unaufgeregter, freundlicher und entspannter Stimmung.

Highlight war zweifellos der “Flammlachs”. Ganze Lachsseiten wurden dafür mit Meersalz und Honig eingerieben und längs an die Öffnung eines mit Buchenholz befeuerten Grilleimers gehängt. Dazu Vollkornbrot und Dill-Quark. Besser geht’s nicht!