Das Lamm Gottes

Es ist wieder so weit. Es gilt, einen Kulinarischen Notfallkoffer (KNK) zu packen. Ein bekannter Westberliner Arbeiterführer hat zur Feier seines 60. Geburtstages vorgeladen, und was die Speisen- und Getränkeversorgung betrifft, ist einiges zu befürchten. So weiß ich beispielsweise, was für einen Wein er geordert hat – einen der schlechtesten Kerner, die ich jemals getrunken habe!

Immer einsatzbereit: Der kulinarische Notfallkoffer

Die klassische KNK-Bestückung besteht außer Wein bekanntlich aus Austern, Wachteln und Rohmilchkäse. Doch Zeitmangel und widrige Wetterbedingungen haben den Einkauf von Austern diesmal leider verhindert. Dafür gibt’s eine Lammleberterrine. Weiterlesen

Wiglaf Droste irrt!

Wiglaf Droste gehört zu jenen großartigen Zeitgenossen, die als wortgewaltige, romantisch-barocke Anarchisten brandschatzend durch die Medienwelt marodieren. Seit Jahren erfreut er Leser und Zuhörer mit Büchern, Artikeln und gelegentlich auch Sangesdarbietungen. Viele mögen ihn nicht und fragen sich sogar, ob “er als Kind in eine Friteuse gefallen“ sei. Das ist gut so, denn ein Schreiber, der allen gefällt, kann kein guter sein.

So und nicht anders sieht die optimale Verbindung von Fußball- und Sektkultur aus, Herr Droste! Austern habe ich leider gerade nicht im Haus.

Natürlich hat auch ein Titan wie Droste charakterliche Schwächen. Wie z.B. seine unerklärliche Vorliebe für den Fußballklub Schwarz-Gelb Lüdenscheid, einer Ansammlung von hässlichen, krummbeinigen Grobmotorikern. Ohnehin weiß jedes Kind, dass es im Ruhrpott und darüber hinaus in Deutschland, Europa und der ganzen Welt nur einen verehrungswürdigen Verein gibt: Den FC SCHALKE 04!!

Dies sei verziehen, auch wenn’s schwer fällt. Nicht hinnehmbar ist allerdings die jüngste Spott- und Hasstirade auf deutschen Sekt, dem er pauschal jeglichen Champagner, Cava und Crémant vorziehen würde. Weiterlesen

Feuer und Flamme für C&A

War ein echtes Schnäppchen, meine C&A-Jacke. Den wirklichen Preis bezahlen andere, manchmal auch mit ihrem Leben

 

Gerne hätte ich heute etwas über meine „Prozess-Weine“ geschrieben. Immerhin hatte ich drei Flaschen ins Auge gefasst bzw. kalt gestellt, von denen ich – je nach Ausgang der Verhandlung meiner Klage beim Arbeitsgericht gegen die „Junge Welt“ – eine unmittelbar nach Urteilsverkündung öffnen wollte.

Doch zum einen zieht sich die Urteilsverkündung hin, und außerdem ist mir im Moment nicht nach genussvollem Trinken zu Mute. Denn ich schäme mich ein bisschen für mein heutiges Outfit. Nicht, weil ich übermäßig schlampig oder auch nur unpassend gewandet bin, sondern weil ein Großteil meiner heute benutzten Kleidungsstücke von C&A stammt. Es ist kein sonderlich gutes Gefühl, dass jene Näherinnen, die meinen Fleece-Pulli und meine Übergangsjacke genäht haben, möglicherweise vor wenigen Tagen in einer Textilfabrik in Bangladesch verbrannt sind, als Opfer mörderischer Arbeitsbedingungen und mangelnder Sicherheitsvorkehrungen. Oder das ihnen das zumindest jederzeit passieren kann. Weiterlesen

Wein gegen Weihnachtsterror

Es ist soweit. Der Weihnachterror tritt in die entscheidende Phase. Fußgängerzonen und Märkte werden zu No-Go-Areas, da „Glühwein- und Punschschwaden als olfaktorische Massenvernichtungswaffen jeden feineren Geruch erbarmungslos ersticken“ wie es die Süddeutsche Zeitung am Freitag beschrieb. Bereits vor einem Jahr fragte das Blatt: „Was muss ein Wein verbrochen haben, damit man ihn auf 75 Grad erhitzt, Zucker und Gewürze reinkippt und mittelalterliche Stadtsilhouetten aufs Etikett knallt?“

Jedem Freund leiblicher Genüsse muss es wehtun, dass ausgerechnet eines der edelsten Getränke der Kulturgeschichte für diesen Irrsinn missbraucht wird. Wie zur Verhöhnung gibt es mittlerweile auch ein „Premiumsegment“, den so genannten „Winzerglühwein“, auf dem die verwendete Rebsorte und manchmal sogar die Lage angegeben werden. Behauptet wird, bei diesen Exemplaren bleibe der Wein trotz Unmengen Zucker und kruder Gewürzmischungen „sensorisch erlebbar“. Alleine diese dreiste Werbelüge sollte für den Entzug der Gewerbegenehmigung reichen. Nicht umsonst empfahl der Münchner Barkeeper Stefan Gabany in einem Interview, statt Glühwein doch lieber gleich Motoröl zu trinken. Weiterlesen

Bye bye Financial Times Deutschland

Zu meinem Verständnis von Genuss und Kultur gehört auch das regelmäßige Lesen von Zeitungen. Und zwar so richtig mit Papier und Rascheln und Umblättern und manchmal auch Rausreißen von besonders wichtigen Artikeln. Langsam muss ich mich damit abfinden, dass ich in Bezug auf Mediennutzung offenbar ein Auslaufmodell bin.

Es gibt in Deutschland ohnehin nur wenige Tages-Printmedien, die das regelmäßige Lesen lohnen. Gerade in Berlin ist es ziemlich furchtbar, die Hauptstadtpresse bewegt sich konsequent zwischen boulevardesker Dumpfbackigkeit und mehr oder weniger gepflegter Langeweile.

Bruchlandung nach knapp 13 Jahren. Deutschlands Presselandschaft wird ärmer

Überregional findet man allerdings nach wie vor einige Leuchttürme des guten Journalismus. Zu denen gehört die im Jahr 2000 gegründete  Financial Times Deutschland (FTD). Als Wirtschafts-Tageszeitung war sie der Gegenentwurf zum bräsigen Handelsblatt, in dem verbissen und monoton das Hohelied der „freien Marktwirtschaft“ gesungen wird. Die in ihrer Grundausrichtung ebenfalls wirtschaftsliberale FTD wagte den Spagat und beförderte den Diskurs. Fast nirgends wurde auf so hohem Niveau über volkswirtschaftliche und politische Grundfragen gestritten. Man leistete sich in der Redaktion neben marktradikalen Neocons und bekennenden Sozialdarwinisten auch Keynesianer, Gewerkschaftsfreunde, Umweltbewegte und sogar einen „Hausmarxisten“. Weiterlesen

Erst lesen, dann trinken

Zu den kleinen Freuden des Alltags gehört für mich Jahr für Jahr im November das Warten auf eine  bestimmte Buchsendung.

Schon 2007 schrieb ich in der “Jungen Welt” : “Es gibt sie noch: unbestechliche Institutionen, Felsen in der Zeitgeistbrandung, Mahner in der Wüste. Zu ihnen gehört Gerhard Eichelmann, dessen jährlich erscheinender Weinführer “Deutschlands Weine” zum unverzichtbaren Rüstzeug aller Weinfreunde gehört”.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, wenn man mal davon absieht, dass mich die “Junge Welt” vor knapp einem Jahr im wahrsten Sinne des Wortes fristlos vor die Tür setzte, womit sich seitdem das Berliner Arbeitsgericht beschäftigt. Weiterlesen

Lob der Eckkneipe

Allmählich stirbt sie aus, die gute, alte Eckkneipe. Das gilt besonders für die begehrten innerstädtischen Aktstadtkieze. Wo früher Männer nach Feierabend ihr Bier tranken und über Fußball, Frauen und Politik diskutierten, sind heute mehr oder weniger schicke Szene-Bars oder Cafés. Das Rauchverbot hat den Oasen urbaner Gemütlichkeit ebenso zugesetzt, wie die Billigbier-Selbstversorgermentalität und die veränderten Kommunikationsgewohnheiten. Besonders bei jüngeren Menschen findet das klassische Thekengespräch heute auf Twitter oder Facebook statt. Die meisten verbliebenen Etablissements verbreiten nicht selten eine bedrückende Atmosphäre von Prekarisierung und sozialer Deprivation.

Doch es gibt sie noch: Leuchttürme städtischer Alltagskultur mit schnodderig-herzlichen Wirten, gut gezapftem preiswerten Fassbier und einem Stammpublikum, welches wie ein lebender Mikrozensus der Anwohner wirkt. Weiterlesen

Berlin kann so widerlich sein

Ich gehöre zu den innerstädtischen  „Fast-Immer-Fahrradfahrern“, die sich lediglich von einer geschlossenen Eisdecke, sintflutartigen Regengüssen, orkanartigen Böen oder Minustemperaturen im zweistelligen Bereich in die mentale Hölle öffentlicher Verkehrsmittel abdrängen lassen. Ein Auto habe ich erst gar nicht. Das ist nicht jedermanns Sache und setzt neben geeigneter Kleidung auch eine gewisse Routine voraus.

Wer aber in Berlin mit seinem immer besser werdenden Fahrradroutennetz bei geeignetem Wetter nicht das Fahrrad für seine kürzeren alltäglichen Wege benutzt, ist entweder a) faul b) körperlich eingeschränkt oder hat c) schlicht einen an der Waffel.

Eigentlich sollte diese umwelt- und gesundheitsverträgliche Form der urbanen Mobilität allseits auf Unterstützung oder wenigstens Verständnis treffen. Doch dem ist bei weitem nicht so, und damit meine ich nicht nur die unvermeidlichen durchgeknallten PKW-Zombies auf vielen Straßen. Weiterlesen

Sterneflut über Deutschland

Die Juroren des neben dem Gault Millau wohl einflussreichsten Gournetmagazins „Guide Michelin“ haben gesprochen. 255 deutsche Restaurants – soviel wie nie zuvor – dürfen jetzt mindestens einen der begehrten Michelin-Sterne auf ihre Visitenkarten drucken. Damit sei Deutschland nach Frankreich das Land mit der größten Anzahl an Sternerestaurants, erklärte der Direktor des Magazins, Michael L. Ellis Anfang der Woche.

Zehn deutsche Gaststätten schafften es gar in die höchste Kategorie (3 Sterne), 36 wurden mit zweien bewertet. Traditionell sind die traditionell genussaffineren südlichen Bundesländer überrepräsentiert, aber selbst der Osten ist mittlerweile keine sternfreie Zone mehr. Frühere kulinarische Wüsten wie Berlin haben gewaltig aufgeholt, schließlich wollen die zugezogenen Funktions- und Geldeliten ebenso angemessen speisen, wie die vielen Nobeltouristen.    Weiterlesen