Mit Monteverdi im Kino

Alles beginnt mit einer Idee. Die hatte in diesem Fall Siggi Loch, Impressario des verdienstvollen Jazz-Labels ACT: Warum nicht für die von ihm kuratierte Reihe “Jazz in der (Berliner) Philharmonie” ein Konzert konzipieren, das als roten Faden eine Verbindung zwischen der formalen Strenge des italienischen Frühbarockmeisters Claudio Monteverdi und der bildhaften Tonsprache des großen Filmkomponisten Ennio Morricone herstellt. Über Künstler, die eine derartig anspruchsvolle Aufgabe bewältigen können, verfügt das ACT-Label schließlich im Überfluss.

Gab vor rund 400 Jahren den Ton an: Claudio Monteverdi

Da wäre zum einen Michael Wollny, Shooting-Star der deutschen Jazzszene, der sein feines Gespür für die Strukturen und Schwingungen vollkommen unterschiedlicher Musikgenres des Öfteren bewiesen hat, zuletzt mit dem sensationellen Album “Weltentraum”. Mit der israelischen Cembalistin Tamar Halperin wurde eine ausgewiesene Spezialistin für Alte Musik dazu geholt, die ebenfalls ganz weit offene Ohren hat. Gar keinem Genre zuzuordnen ist der Trompeter Markus Stockhausen, etwas flapsig könnte man sagen, der Mann hat einfach einen unvergleichlich reinen und klaren Ton. Fehlt noch der Klangkörper, der die dicht verwobenen orchestralen Tonmalereien eines Ennio Morricone gleichermaßen filigran wir kraftvoll ausbreiten kann, ohne in Filmkitsch zu verfallen: Zweifellos eine Aufgabe für die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker. Und da man diese musikalischen Edelsteinsammlung auch irgendwie zum gemeinsamen Funkeln bringen muss, braucht es einen erfahrenen Arrangeur und Leiter, der mit dem Norweger Geir Lysne ebenfalls im ACT-Umfeld zu finden ist.

So sah das also aus, als sich die Projektgruppe “Monteverdi meets Morricone” am Mittwoch im ausverkauften großen Saal der Berliner Philharmonie anschickte, ihre Zuhörer auf eine phänomenale Klangreise voller Überraschungen und voll schlichter Schönheit zu schicken. Lysne hatte aus verschiedenen Werken der beiden Meister eine Art Suite gestaltet, mit Halperins strengen frühbarocken Intros, durchkomponierten Sätzen für die Cellisten und reichlich Freiraum für Wollny und Stockhausen.

Es gibt wahrlichüberambitionierte Crossover-Projekte. die an ihrem Anspruch scheitern, die keine Synthese aus den Grundstoffen entwickeln. Doch die Frühbarock-Filmmusik-Idee funktioniert mit spielerischer Leichtigkeit irgendwo zwischen Generalbass und Lonesome Cowboy. Lysne ist es tatsächlich gelungen, eine spezielle, schlüssige Handschrift für diese eigenartige Melange zu entwickeln. Die Cellisten sind präzise und flexibel, können harte Grooves schlagen und wenig später in schwelgendem Schmelz aufgehen. Bei Stockhausens Einsätzen mag man die Augen schließen und sich von diesem Ton davontragen lassen, obwohl der Mann auch richtig krachend zupacken kann. Wollny, den ich übrigens noch nie so rockig erlebt habe, hat inzwischen ein Stadium des Klavierspiels erreicht, das man nur noch als schwerelos bezeichnen kann. Nur Tamar Halperin kam abgesehen von den barocken Intros ein bisschen zu kurz: Zum einen ist das Cembalo das mit Abstand unflexibelste Instrument in dieser Konstellation, aber vor allem war es bei den gemeinsamen Parts kaum zu hören.

Jedenfalls ein fulminantes Konzert abseits ausgetretener Pfade mit großartigen Musikern, sprühender Spielfreude und einer gesunden Mischung aus Spaß und Tiefgang. Bleibt verhaltene Wehmut, weil es wohl nicht auf CD erscheinen und wahrscheinlich auch keine Wiederholung erleben wird. Falls doch, melde ich mich.

Plattentipp: Michael Wollny: „Weltentraum“ (hier mit Hörproben)

Der DGB ist ein Keks

Eigentlich wollte ich mir am Dienstag nach dem ganzen GDL-Gewusel (diesmal für die taz) was richtig Nettes gönnen. Nein, noch immer nicht den frischen Traminer von Horst Hummel, sondern ein Konzert mit dem derzeit wohl kreativsten deutschen Jazzmusiker Michael Wollny nebst umfangreicher Begleitung in der Berliner Philharmonie. Eigentlich ein guter Plan, aber leider war ich exakt 24 Stunden zu früh da.

Dumm gelaufen, also Plan B. In meiner Jackentasche steckte schließlich noch die Einladung zum Mai-Empfang des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann im hippen “Radialsystem” an der Spree.

Nun bin ich auf Hoffmann und seine DGB-Führungsmannschaft nicht sonderlich gut zu sprechen, denn es gehört sich für einen Gewerkschaftsboss einfach nicht, die Regierung zur Einschränkung des Streikrechts zu ermuntern, wie es derzeit passiert. Aber man kann ja mal gucken.

Mein Ticket ebnete mir den Weg vorbei an etlichen vierschrötigen Schlagetots, die mit Knopf im Ohr und Kampfsportblick den Eingang bewachten. Die standen da nicht nur zur Dekoration, schließlich war hohe Promi-Dichte angesagt. Später sollte sich herausstellen, dass ein nd-Kollege, den ich dort eigentlich treffen wollte, diesen Anblick mental nicht verkraftete und er von dem Besuch bei DGBs Abstand nahm

Hier waren nicht die Reichen und Schönen á la Berlinale, sondern die mehr oder weniger Mächtigen aus Politik, Verbänden und Wirtschaft, und natürlich gehört es bei Gewerkschaften längst zum guten Ton, dass auch Offiziere “unserer” Kriegstruppe geladen werden. Es wimmelte jedenfalls nur so von Ministern, Staatssekretären, Abgeordneten, Gewerkschafts- und Wirtschaftsbossen, grauen Eminenzen, grauen Apparatschiks, Angekommenen, Karrieregeilen sowie gelifteten und gebotoxten Damen.

Andrea “Tarifeinheit” Nahles war natürlich Stargast beim DGB-Empfang

Genusskulturell hat der DGB allerdings Fortschritte gemacht. Die Location an der Spree ist großartig, es gab einen richtig guten trockenen fränkischen Silvaner von Horst Sauer: (reintönig, erdig, mineralisch), die Merguez waren amtlich gegrillt, auch das Ratatouille gab keinen Anlass zur Kritik. Die ebenfalls angebotene Rotwein-Cuvée “Vollmund” vom rheinhessischen Weingut Gehring erwies sich allerdings als holzig-süßliche Nullnummer. Und die zum Café gereichten Kekse mit DGB-Logo erinnerten dann doch stark an die alte Dumpfbackigkeit gewerkschaftlicher Repräsention.

Aber was soll man eigentlich hier? Nichts, deswegen beschränkte sich mein Aufenthalt auch auf eine anständige Portion Merguez und Ratatouille, vier Gläser Silvaner, ein paar Promi-Fotos und ein paar Rundgänge mit weit offenen Ohren zwecks Aufschnappen kompromittierender Äußerungen. War aber nicht besonders ergiebig. Also ab zur Garderobe. Dort konnte ich mir allerdings nicht verkneifen, die junge Frau an der Ausgabe zu fragen, ob sie hier beim DGB-Empfang denn wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn ohne Schmu und Schummel erhalten würde. Die Antwort war ein vielsagendes Lächeln und der Satz: “Darüber möchte ich jetzt lieber nicht sprechen”.

 Gerne wäre ich noch auf ein Bier ins nahe gelegene Streiklokal der GDL gegangen. Aber ich war einfach zu müde

GDL – es reicht (noch lange nicht)

In der letzten Zeit ist einiges liegen geblieben Eigentlich wollte ich in dieser Woche auf diesem Block mal ein paar richtig schöne Genussgeschichten präsentieren. Zum beispiel einen großartigen Abend bei Horst Hummel, der ein paar Gästen nicht nur seine frische abgefüllten Weine (Villányi Tramini, Rosé und Portugieser 2014) vorstellte sondern auch badischen Spargel nebst einer butterzarten Stelze vom Duroc-Schwein servierte (Von den Gambas mit Rosmarin ganz abgesehen)

Und dann wartet da noch das Ergebnis eines “Silvaner-Spargel-Marathons” mit spannenden Erkenntnissen auf seine Veröffentlichung.

Doch manchmal gibt es Dinge, die einfach wichtiger sind. Wie im Moment der fast einwöchige Streik der GDL “Es reicht!” blöken der Pöbel und seine Medien und längst wird schon wieder von “Terror” und “Geiselhaft” gesprochen.

Fast schon vogelfrei aber dennoch entschlossen: Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky (links) und sein Stellvertreter Norbert Quitter kurz vor Streikbeginn am Montag in Berlin

Es reicht? Es reicht noch lange nicht. Denn die GDL streikt nicht nur für einen anständigen Tarifvertrag für ihre Mitglieder und eine Eindämmung der Überstundenbelastung, sondern für das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit und für die Erhaltung des Streikrechts. Das heißt, sie kämpft für alle, denen Demokratie, Freiheitsrechte und soziale Standards noch “zeitgemäß” erscheinen.

Denn noch im Mai will die Bundesregierung ein Gesetz durch den Bundestag bringen, mit dem das Streikrecht für die Berufs- und Spartengewerkschaften so gut wie abgeschafft würde. Das ist zwar eindeutig verfassungswidrig, was “unserer” Regierung aber vollkommen egal ist, denn bis zu einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts würde es mindestens 1 1/2 Jahre dauern und bis dahin wären GDL und Co bereits platt gemacht. Menschen, die angesichts dieser Dimension des GDL-Streiks ernsthaft über ein paar ausgefallene Züge jammern, ist vermutlich kaum noch zu helfen. Ich weiß auch nicht so genau, wie ich am Wochenende nach Würzburg komme, aber das ist mir ziemlich egal.

Deswegen meine Bitte an die GDL: Streikt weiter, bis ihr euch durchgesetzt habt. Und regt euch nicht allzu sehr über den Medienabschaum auf, der sich jetzt über das Land verbreitet. Schließlich gibt es noch ein paar Kollegen, die dagegen halten.

Dazu zähle ich mich auch, wobei ich mir meines geringen Einflusses vollkommen bewusst bin. Ich schreibe derzeit täglich über den Konflikt: Gestern für das Neue Deutschland, heute für taz, morgen wieder für das Neue Deutschland und nebenbei noch für diejenigen, die es etwas genauer wissen wollen, eine Chronologie des Konflikts nebst eindeutigen Belegen (interne Schriftstücke) für das bestreben der Bahn, einen Tarifabschluss zu verhindern. (im Online-Magazin hintergrund.de)

Ich hoffe jeder hat dafür Verständnis, dass Silvaner, Traminer und Duroc-Stelzen da etwas warten müssen. Und wenn nicht, ist es mir auch egal

 


 


Der Kampftag des Spargelschälers

Begrüßung der Gäste des traditionelles Kampftages

Der traditionelle Kampftag des Spargelschälers wurde am 1.Mai wie immer würdevoll und erfüllt von revolutionärer Stimmung in Wandlitz zelebriert. Hochkarätige Medienvertreter, darunter ein Mitarbeiter der Satirezeitung „Junge Welt“, ein bürgerlich-liberaler Journalist, ein publizistischer Gewerkschaftsknecht, sowie ein trotzkistischer Bürokrat und eine ostdeutsche Hebamme erörterten unter Schmährufen auf den DGB und Jubelgesängen auf die GDL alle wesentlichen Fragen der nationalen und internationalen Klassenkämpfe. Es gab wie üblich frischen Brandenburger Spargel mit „Linda“-Kartoffeln und gebräunter Butter sowie anschließend Merguez und Salat. Die Lammwürstchen stammten diesmal nicht von einem türkischen sondern von einem iranischen Fleischer in der Huttenstraße, womit der Gastgeber auch ein politisches Zeichen gegen die skandalöse Übernutzung von Bürgersteigen durch viele türkische Supermärkte setzen wollte. Doch politisch motivierter Genussboykott ist ein untaugliches Instrument, wie ich bereits in meinem 2010 erschienenen „demokratischen Weinbuch“ dargelegt hatte. Die Merguez waren gut – aber die vom Türken am Gesundbrunnen sind besser!

Natürlich wurde auch Wein getrunken und zwar in erheblichen Mengen. Die diversen trockenen Silvaner-Abfüllungen wussten (bis auf einen leicht nach Gummibärchen schmeckenden Wein) durchweg zu gefallen. Den Titel des Spargelkönigs 2015 teilen sich drei frische Weine aus dem Jahrgang 2014: Der „Buntsandstein“ vom Weingut Bickel-Stumpf, der „Iphöfer“ vom Weingut Juliusspital (beides VDP-Betriebe) sowie der „Rödelseer Küchenmeister Kabinett trocken“ vom Weingut Brennfleck. Dazu gibt es in einigen Tagen noch eine „seriöse“ Besprechung.

Beim Rotwein – dessen Bereitstellung den Gästen oblag – gab es wieder Licht und Schatten. Leider fast erwartbar war der erneute Ausrutscher des trotzkistischen Bürokraten, der diesmal zwar keinen vollkommen unsinnigen Spätburgunder aus Portugal beisteuerte, dafür aber einen anderen zweifelhaften portugiesischen Wein, der seine mangelnde Frucht und das fehlende Gerüst mit unangemessenem Holzeinsatz zu überdecken versuchte. Ohne Fehl und Tadel dagegen ein Grenache-dominierter Südfranzöse des bürgerlich-liberalen Kollegen und der Portugieser vom Weingut Hummel, den der Gewerkschaftsknecht beisteuerte

Über den „Freixenet“-Weißwein des ostdeutschen Satireredakteurs betten wir den Mantel des Schweigens, möglicherweise taugt er als Rosendünger. Aber anders als der Trotzkist kann der Ossi mildernde Umstände geltend machen: 40 Jahre „Lindenblättriger“ und „Stierblut“ sind eben nicht so leicht abzuschütteln

Ende eine Ära: Diese Gartenbank aus DDR-Beständen hat ihren STaat immerhin um fast 26 Jahre überlebt

Zwischenfälle gab es kaum, lediglich eine Gartenbank aus DDR-Beständen gab relativ spektakulär ihren Geist auf. Nicht erst zum nächsten Kampftag des Spargelschälers am 1.Mai 2016 in Wandlitz wird Ersatz bereit stehen

Im Spargelweinmodus

Ich bin im „Spargel-Silvaner-Modus“. Am 1.Mai, dem Kampftag des Spargelschälers, wollen wir schließlich in Wandlitz den diesjährigen Spargelweinkönig küren, es steht also die anspruchsvolle Aufgabe an, für dieses große Finale die Besten der 18 eingesandten fränkischen Silvaner auszuwählen. „Große Gewächse“ oder allzu wuchtige Weine  wollten wir nicht; niemand hat das Recht, feinsten Brandenburger Spargel zu erschlagen! Auch beschäftige ich mich ohnehin gerne mit Weinen, die sich auch normal sterbliche Menschen leisten können und nicht nur Großverdiener und Erben. Schwerpunkt waren demnach Guts- und Ortsweine von VDP-Gütern sowie trockene Kabinettweine von anderen Erzeugern.

Manchmal war es bei der Vorauswahl ganz einfach: Auf den einen Seite die „Wow“-Weine für das Finale. Auf der anderen die Langweiler und Nervtöter: Zu fett oder zu dünn, zu schrille Säure, zu flach, zu prägnante Restsüße. Doch manchmal war es auch schwer: Ein Wein weiß ausgesprochen zu gefallen, doch passt leider absolut nicht zu unserer bewusst puristischen Spargelvariante: Ohne Hollandaise, nur mit guten „Linda“-Kartoffeln und gebräunter Butter.

Der Saalecker Schlossberg Silvaner Kabinett trocken 2013“ vom Weingut Schloss Saaleck” war so ein Kandidat: Saftig, würzig, feine, klare Silvanerfrucht und ein wenig Kernobst am Gaumen, dabei mit 11% Alkohol ausgesprochen schlank – aber für unsere Zwecke eine Spur zuviel Restsüße (6,3 Gramm pro Liter).

Ein gelungenes Missverständnis: Zum Spargel war dieser Silvaner ein Reinfall, doch zum Fischcurry mit Linsen ein Volltreffer

Das Weingut empfiehlt „Kurzgebratenes“, aber ich habe es einer relativ spontanen Eingebung folgend mit einem mittelscharfen indischen Fischcurry mit Linsen versucht. Es wurde eine stimmige Geschichte. Die Schärfe des Currys kitzelt aus dem Wein ein leicht süßliches Birnenaroma raus – was für ein Kick!

Gut vorstellen kann ich mir diesen spektakulär unspektakulären Silvanern auch zu rohem Schinken (denn mit Salz kann er richtig gut) und zu mildem jungen Ziegengouda.

Das alles ist natürlich für den gehobenen Weinfreak alles nicht spektakulär genug. Dafür kostet dieser bodenständige Franke im Bocksbeutel auch nur 6,90 ab Hof.

 P.S. Aus aktuellem Anlass weise ich darauf hin, dass ich für diesen (und andere Artikel) nicht vom Weingut oder Internethändlern bestochen wurde. Zu diesem Thema in einiger Zeit mehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dumme, Irre und Böse in Berlin: Nichts wie weg.

Es war eine ereignisreiche Woche, was für mich als Journalisten auch immer eine Menge Arbeit bedeutet. Die GDL hat ihren Streik wie angekündigt wieder beendet, keiner weiß, wie es in diesem exemplarischen Tarifkonflikt weiter gehen wird. Anbei meine Impressionen (im Neuen Deuitschland) aus einem Streiklokal der GDL. Eher deprimierend, wie sich Mieterbund und IG BAU mit den Immobilienhaien verbünden, vermeintlich für „preiswerten Neubau“. Auch dazu ein paar Gedanken (in der taz)

Ich bin seit Freitag auf meinem Landsitz in Wandlitz – und das ist gut so. Denn am Sonnabend wurde Berlin wieder seinem Ruf als Hauptstadt der Dummen, Bösen und Irren gerecht. Unter anderem gibt es eine Demo der Gewerkschaften IG BCE und ver.di gegen Klimaschutz sowie einen Kongress der Auslandsorganisation der Terrorbande Hamas. Beide Veranstaltungen werden veraussichtlich wesentlich mehr mehr Teilnehmer als eine weitere Demonstration haben, bei der es darum geht, dass Arbeiter um ihren Lohn beim Bau des Nobel-Einkaufszentrums „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz geprellt wurden.

Chillen auf der Terrasse in Wandlitz, mit Falafel und Silvaner

Aber hier ist es ruhig. Massenandrang gibt es höchsten in den Gartenbedarfsläden. Gestern gab’s selbstgemachte Falafel (sehr lecker, mit schwarzem Sesam) und Kartoffelsalat. Der Spargel für heute ist schon geschält, der Silvaner kalt gestellt, nebenbei wird der Rasen gewässert und für Nachsaaten in den Maulwurfslöchern vorbereitet und ein paar Erdbeerpflanzen und Kräuter kommen auch noch ins Beet.

Alles ist bereit für eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse im Chateau Balcerowiak: Den Kampftag des Spargelschälers am 1.Mai, wo wie stets eine illustre Runde (u.a ehemalige und noch aktive Mitarbeiter der Satirezeitung „Junge Welt“, ein trotzkistischer Bürokrat, ein Gewerkschaftsknecht und ein bürgerlich-liberaler Journalistenkollege ) unter Spottgesängen und Schmährufen auf den doofen DGB angemessene Mengen Brandenburger Spargel, Linda-Kartoffeln, Merguez und Salat verspeisen und den diesjährigen Spargelkönig unter den Weinen küren werden. Denn Genuss ist bekanntlich Notwehr.

 

 

 

 

Tanzen, schlemmen und kämpfen

Ist es zynisch angesichts der Ereignisse im Mittelmeer genussvoll Spargel zu essen und dazu verschiedene Weine auszuprobieren? Nein, ist es nicht, denn keinem verzweifelten Kriegs-, Terror- oder Armutsflüchtling ist geholfen, wenn ich oder andere sich angesichts der unfassbaren Ereignisse die kleinen Freuden des Alltags versagen.

Viel kann ich zu den See-Massakern der „europäischen Wertegemeinschaft“ nicht mehr sagen. Es ist wohltuend, wenn ein profilierter Vertreter der viel geschmähten „Lügenpresse“ wie Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung und in einer Talkshow ohne Umschweife und ohne Relativierung von „Tötung durch Unterlassung“ seitens der Verantwortlichen einer „mörderischen Europäischen Union“ spricht. Befremdlich kühl, aber fast noch schärfer die Analyse im Leitartikel des neuen „Spiegel“.: „(Es) bleibt bei den Toten, die den Preis dafür zahlen, dass wir unsere Trauminsel nicht untergehen lassen wollen. (..) Wir haben uns nun einmal entschieden. Für uns. Alles andere ist Selbstbetrug“. Darüber sollte auch mal jeder von uns „Guten“ nachdenken.

Antirassistische Party am Sonnabend auf dem Oranienplatz. Für Widerstand braucht man unter anderem auch gute Laune

Es gibt viele Wege sich mit Flüchtlingsthema auseinanderzusetzen. Der Kulturjournalist und frühere Label- und Eventmanager Marcus Staiger organisierte am Sonnabend auf dem Oranienplatz in Kreuzberg eine „Beats against Racism“-Party. Skepsis gab es allerorten: Was soll das alles? Wo kommt das viele Geld her (Bühne und Anlage hatten absolutes Top-Level). Will da vielleicht einer sein kommerzielles Süppchen mit dem Widerstand gegen Rassismus und Asylrechtsterror kochen? Werden dafür gar Flüchtlinge als Staffage missbraucht?

Alles Quatsch: Es war eine gute stimmungsvolle Party, mit vielen Live-Acts, mit viel Wut und Empörung auf der Bühne und davor, mit bis zu zehntausend Besuchern – darunter viele Flüchtlinge – die sich nicht nur bespaßen lassen wollten, sondern wussten, worum es geht und es sich trotzdem nicht nehmen ließen, ganz gut zu trinken und zu kiffen. Mehr davon! Allerdings wäre die Party wohl weniger friedlich abgelaufen, wenn schon bekannt gewesen wäre, dass diesmal über 900 Flüchtlinge elendig ertrunken sind, weil ihr Boot vor der libyschen Küste kenterte,

Am Tag danach wird von den Herren der Finsternis wieder jede Menge Trauer geheuchelt und Aktivität simuliert. Das macht wütend und hilflos. Anders gesagt: Ich weiß nicht nicht, was ich tun kann.

Jetzt erst mal Spargel (nur mit Kartoffeln und Butter, ohne Soße) und dazu ein paar Silvaner probieren. Hab den richtigen aber noch nicht gefunden. Aber so richtig wichtig ist das derzeit nun wirklich nicht.

Frühling, Bach, Fußball und Flussbarsch – alles andere muss warten

Es gibt fast nur Schönes zu betrachten, Fast, aber dazu komme ich später.

Spitzkohl und Salat im Wandlitzer Bio-Beet.

Am Freitag bin ich NICHT in mein Büro gegangen, um vereinbarte Artikel zum deutschen Weingesetz, zur Kulturignoranz der Linken am Beispiel von J.S.Bach und zum asozialen Kiezchauvinismus der Neubaugegner in Berlin zu schreiben. Denn das hat noch ein paar Tage Zeit, während es in Wandlitz höchste Eisenbahn wird, den letzten Wintermüll auf dem Grundstück zu beseitigen und Salat, Kohl und Gemüse zu pflanzen. Demzufolge habe ich mich auch NICHT am Start des Mietenvolksbegehrens am Sonnabend beteiligt, das ich natürlich trotz einiger Bauchschmerzen unterstütze.

Entdeckt habe ich in der vergangenen Woche ferner ein tolles Internet-Projekt. Die Niederländische Bachgesellschaft hat vor einem Jahr begonnen, jeden Freitag ein Werk von J.S.Bach ins Netz zu stellen, als Live-Video mit gutem Klang nebst umfangreichen Informationen zu Stücken und Interpreten. Das soll fortgesetzt werden, bis alle 1080 im BWV registrierten Werke online sind, wird also noch rund 20 Jahre dauern. Leider kann man die Videos weder kopieren, noch die Tonspur extrahieren, aber es könnte zu einem schönen Ritual werden, sich an jedem Wochenende den „aktuellen“ Bach anzuhören. Und vielleicht kann mir ja irgendein Nerd mal nen Tipp geben, wie man die Musik vielleicht doch speichern kann. Diesmal war übrigens die Messe in g-moll an der Reihe.

Gegessen wurde natürlich auch, unter anderem frischer Havel-Flussbarsch, ein aufgrund seiner Grätenstruktur nicht sonderlich beliebter und entsprechend selten erhältlicher einheimischer Speisefisch, der aber großartig schmeckt. Keine Faxen; einfach salzen, pfeffern und ein bisschen Bärlauch in die Bauchhöhle.

Frischer Havel-Flussbarsch: Unbedingt mal probieren!

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Osterfeuer in Tröglitz

Zu den Traditionen des viel beschworenen christlichen Abendlandes gehört das Osterfeuer. Heutzutage ist das meistens ein nicht selten mit erheblichem Alkoholkonsum verbundenes, volksfestartiges Vergnügen. Die früher in diesem Rahmen übliche Verbrennung einer Puppe , die den Judas Ischariot darstellen sollte, gehört glücklicherweise der Vergangenheit an.

In einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt, hält man diese Tradition aber offensichtlich aufrecht. Mangels Juden wendet sich der Fremdenhass in Tröglitz gegen Flüchtlinge, die dort ab Mai untergebracht werden sollen. Seit Monaten demonstrieren patriotische Tröglitzer -friendly supported bei NPD – gegen den Plan und schafften es immerhin, den ehrenamtlichen Bürgermeister des Ortes so intensiv zu bedrohen, dass dieser mit Rücksicht auf seine Familie sein Amt aufgab. Da Landesregierung und der Kreis Burgenland aber dennoch an dem Plan festhielten, 40 Flüchtlinge in einem Mehrfamilienhaus unterzubringen, besann man sich auf das gute, alte Osterfeuer und fackelte das Haus in der Nacht zum Ostersonnabend kurzerhand ab. Auf die Idee, das Gebäude angesichts der pogromartigen Stimmung unter Teilen der Ortsbevölkerung rund um die Uhr zu bewachen, war offenbar niemand gekommen.

Soviel zum Thema Osterfest. Aber ein bisschen Auferstehung durfte ich auch erleben.

Auferstehung im atheistischen Wandlitz. Pünktlich zu Ostern tauchte der Bärlauch wieder auf.

Im vor wenigen Tagen noch vollkommen verstruppten kleinen Beet auf dem Wandlitzer Landsitz zeigte sich am Sonnabend tatsächlich wieder der Bärlauch in voller Schönheit. Und natürlich habe ich auch Gott besucht. Und zwar in Form einer gleichnamigen Ausstellung im Bode-Museum, die sich den christlichen, jüdischen und muslimischen Wurzeln im alten Ägypten widmet. Sehenswert.

An der kulinarischen Front blieben wir unserer Linie treu: Kein überkandideltes Cross-Over-Zeug sondern bodenständiges, saisonales Essen aus Grundprodukten erster Güte. Z.B. ein „ordinäres“ Brathuhn, aber eben einen Freilandgockel aus der Loué-Region. Dazu einen „ordinären“ Karrtoffelsalat, aber eben von der Bio-Linda. Ferner ein schlichtes Fischfilet, auf der Haut angebraten und dann mit Zitronenscheiben belegt bei geschlossenemen Deckel gegart. Nicht aus dem Tiefkühlfach, sondern frischer Skrei, also der nur in dieser Jahreszeit erhältliche Wanderkabeljau aus Norwegen. Und bald gibt’s Spargel……

 

 

 

Mit Elbling in die Sommerzeit

Für mich beginnt das neue Jahr gefühlt nicht am 1.Januar, sondern am Sonntag nach der Umstellung auf die Sommerzeit. Denn jetzt können sie endlich kommen, die langen, lauen Frühlings- und Sommerabende auf dem Balkon oder auf der Terrasse.

Zu meinen lieb gewordenen Ritualen gehört es, das „neue Jahr“ mit einer Flasche frisch abgefüllten Elblings des aktuellen Jahrgangs zu begrüßen. Ich weiß, dass das in „gehobenen Genießerkreisen“ meistens nur mitleidiges Kopfschütteln auslöst. Elbling gilt verbreitet als „minderwertige“ Rebsorte, ohne ausgeprägtes Aromenpotenzial und bestenfalls als säurebetonter Grundwein für die Sektherstellung tolerabel.

Der traditionelle Elbling-Austern-Antrunk in der Wandlitzer Datsche musste in diesem Jahr leider ausfallen

Natürlich bietet auch ein guter Elbling nicht das große Geschmackskino mit tropischen Früchten, Waldbeeren, Nüssen oder Paprika. Und mit Holz kann man Weine aus dieser Sorte wohl eher versauen als veredeln. Wie dem auch sei: Mein diesjähriger Opener, der Elbling von Stephan Steinmetz aus Palzem-Wehr an der südlichen Mosel, hat alles, was man sich von ihm erhoffen konnte. Zwar konnte der Jahresantrunk nicht wie gewohnt auf der Terrasse in der Wandlitzer Datsche stattfindet. Denn “Mike” und “Niklas” ließen das nicht zu; wer hat schon Bock, dass ihm beim ersten oder zweiten Schluck eine entwurzelte Birke auf den Kopf fällt.

Also Verlegung nach Moabit. Und während draußen Äste und Dachziegel fliegen, lass ich mich von traubiger Frucht, straffer Säure, ein wenig Steinobst und Grapefruit und einem Hauch frisch gemähter Wiese verzaubern. Dazu ein paar österliche Barock-Arien von Nuria Rial und Emma Kirkby – und „Niklas“ kann mir mal!

Den Elbling trocken 2014 in der 0,75 l-Abfüllung von Stephan Steinmetz gibt es für 5,20 Euro ab Hof.